Wie bitter wahr diese Worte sind, bekommen wir zum Beispiel mit jeder weiteren Maßnahme vor Augen geführt, die angeblich zur Rettung des Euro beiträgt: Politik und EZB haben längst alle ökonomischen Grundregeln über Bord geworfen, um das BIP der Volkswirtschaften in Europa auch nur noch einigermaßen im Gleichgewicht zu halten. Der Preis des Geldes (sprich: der Zins) wird seit Jahren hemmungslos manipuliert, damit die Finanzmarktakteure jubeln können, Banken nicht Konkurs anmelden und Unternehmen weiter investieren - das alles ist kreditaufgeschäumte BIP-BIP-Hurra-Politik der übelsten Sorte, eine Politik, die ihr eigenes Wachstumsdogma in vodooökonomischer Hinsicht desto doktrinärer verfolgt, je mehr sie das Zutrauen zu ihm in ökologischer Hinsicht verliert, ja: eine buchstäblich perverse Politik, die nicht die Mehrung des Wohlstands (das BIP-Wachstum) zum Maßstab ihres Handelns macht, sondern die das BIP mutwillig zur Kennziffer einer Wohlstandsillusion verzerrt, die von keiner Realität mehr gestützt wird. In der vergangenen Dekade ist Deutschland mit den Mitteln des Zinskeynesianismus um durchschnittlich 1,1 Prozent per anno “gewachsen” - auf Kosten von 300 Milliarden Euro Neuverschuldung… - was, bitteschön, soll ein solches BIP-“Wachstum” noch aussagen?
Der unheimliche Siegeszug des BIP als a) statistisches Konstrukt, b) politisches Instrument, c) als die gesamte Wirtschaftswelt (be)herrschende Denkfigur und d) als zinskeynesianische Fortschrittsillusion lässt sich daher trefflich als vierstufige Vernunftregression beschreiben: Vor bald vier Jahrhunderten fingen interessierte Menschen an, die wirtschaftliche Wirklichkeit in Zahlen auszudrücken, erste Daten zu sammeln und auszuwerten, um die religiöse Spekulation zu überwinden und auf empirischer Grundlage das Wissen vom Menschen zu mehren. Schon bald danach machte sich die Politik den Datenschatz als Mittel der Machtausübung zunutze. Im 20. Jahrhundert stieg das BIP-Wachstum zum Dogma sowohl kommunistischer als auch kapitalistischer Systemkonkurrenten auf. Heute schließlich wird das BIP, wie gezeigt, als Ein-Zahl-Religion verheiligt, an dessen Wahrheit wir unbedingt glauben müssen, weil alles an ihr bezweifelbar ist. Aber halt, langsam, zum Mitdenken, noch einmal der Reihe nach: