Teilhabe-Atlas Gut versorgt oder abgehängt? Die Lebenserwartung zeigt es!

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„Ideen von unten zulassen“

Manchmal entscheiden wenige Kilometer

Unter den Städten wird nach drei Gruppen unterschieden: Einige wenige Wirtschaftszentren – insgesamt 19 Kreise – wie München, Frankfurt oder Stuttgart bieten ihren Bewohnern durchweg eine gute Infrastruktur. In einer mittleren Gruppe von 51 Regionen finden sich etwa Hannover, Aachen oder Braunschweig. Schlechter kommen die ebenfalls 51 Orte weg, die auch sonst negativere Schlagzeilen liefern: die Hauptstadt Berlin, Dortmund, Saarbrücken, Bremerhaven, Offenbach oder Gelsenkirchen etwa.

Aber auch innerhalb einer Stadt könnten die Teilhabe-Chancen schon deutlich auseinanderklaffen, schreiben die Autoren der Studie am Beispiel Gelsenkirchens. Kinder in der Stadt hätten nördlich des Rhein-Herne-Kanals deutlich bessere Startchancen als im Süden davon. Das hänge am Anteil der Sozialhilfeempfänger und an dem der Zuwanderer; es zeige sich an der Dauer des Kitabesuches und der Schulempfehlungen oder an den Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt.

Nur eine Region in Ostdeutschland ganz vorne

Unter den 89 gut gestellten ländlichen Regionen findet sich nur eine aus Ostdeutschland: der Landkreis Dahme-Spree südlich von Berlin. Dort seien die Einkommen und die öffentlichen Einrichtungen gut. Solche tatsächlich guten Bedingungen verbesserten auch den Blick einzelner auf ihr Leben und ihre Chancen in der Gesellschaft, argumentieren die Studienautoren in einem zusätzlichen Teil, der auf Befragungen von Menschen vor Ort beruht.

Auch wenige Kilometer können über die Teilhabe-Chancen entscheiden. Nördlich des Rhein-Herne-Kanals in Gelsenkirchen haben Kinder bessere Startchancen. Quelle: imago images

Die größte Gruppe der Regionen findet sich unter den 133 durchschnittlich funktionierenden ländlichen Kreisen. Darunter sind viele Orte aus den Speckgürteln um Berlin, Dresden oder Leipzig, aber auch Städte wie Oldenburg oder Osnabrück. Hinten rangieren 58 ländliche Kreise vor allem im Osten, darunter alle ländliche Kreise Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts und Thüringens. Hier finden sich auch die größten „blinden Flecken“, Regionen, in den die Bewohner kaum Zugang zu schnellem Internet haben.

Dabei stellen die Autoren einen Zusammenhang zwischen Alltagsbedingungen und dem Zweitstimmenanteil der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) bei der Bundestagswahl her. Die Regionen mit stark unterdurchschnittlichen Lebensverhältnissen befänden sich beinahe ausschließlich im Osten Deutschlands. „Dort verbuchte die AfD ihre größten Erfolge“, heißt es unter einer Grafik mit den regionalen Wahlergebnissen.

Mehr Steuergeld und mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort

Zur Verbesserung der Schwächen empfiehlt die Studie, den Kommunen mehr Geld zu geben und „Ideen von unten“ zuzulassen. „Dazu gehört, dass die schlechter gestellten Regionen mehr Entscheidungs- und Finanzautonomie erhalten sollten, damit sie ihre Probleme eigenständig lösen können.“

Die Zeit sei knapp: Ohne Umsteuern und Geld vor Ort in den schlecht gestellten Regionen würden diese noch weiter abdriften.

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