Unionsfraktion Brinkhaus löst Kauder als Fraktionschef ab

Ralph Brinkhaus (CDU), neuer Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Fraktion im Bundestag. Quelle: dpa

Ralph Brinkhaus gelingt ein Überraschungssieg: Die Unionsfraktion wählt den langjährigen Merkel-Vertrauten Volker Kauder ab und setzt künftig auf seinen jüngeren Stellvertreter Brinkhaus.

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Es ist eine kleine Revolution: Die Unionsfraktion im Bundestag hat ihren Vorsitzenden Volker Kauder nach 13 Jahren im Amt gestürzt und Ralph Brinkhaus zum Nachfolger gewählt. Brinkhaus gewann am Dienstag in Berlin mit 125 zu 112 Stimmen überraschend die Kampfabstimmung gegen den Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Zwei Abgeordnete enthielten sich. Dieses Signal der Unions-Abgeordneten dürfte auch der CDU-Vorsitzenden Merkel gegolten haben.

Nicht nur Merkel hatte für die Wiederwahl ihres langjährigen Vertrauten Kauder geworben. Auch CSU-Chef Horst Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprachen sich wiederholt für Kauder aus. Der Erfolg Brinkhaus' ist nach zwei dramatischen Regierungskrisen innerhalb weniger Monate ein deutliches Zeichen des schwindenden Rückhalts für Merkel in der Fraktion gewesen.

Brinkhaus hatte seine Kandidatur unter anderem mit dem Wunsch nach einer aktiveren Rolle der Unionsfraktion gegenüber der Regierung begründet. Zudem warb der 50-Jährige für mehr Teamgeist. Wiederholt hatte er betont, seine Kandidatur richte sich nicht gegen Merkel. Kauder hatte gesagt, er wolle die nächsten Jahre gemeinsam mit der Fraktion gestalten. Es komme entscheidend auf die Union an, wenn es darum gehe, die Arbeit der Koalition mit Augenmaß zu prägen.

Nach seiner ersten Wahl vor 13 Jahren musste Fraktionschef Kauder (CDU/69) erstmals sein Amt gegen einen Mitbewerber verteidigen. Kauder war nach dem für die Union enttäuschenden Abschneiden bei der Bundestagswahl bei der Wiederwahl des Fraktionschefs im vergangenen Jahr ohne Gegenkandidat mit einem Ergebnis von nur 77 Prozent abgestraft worden. Zuvor hatte der Baden-Württemberger meist Zustimmungswerte von weit über 90 Prozent erhalten - 2013 waren es sogar 97,4 Prozent.

Bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden wurde damit gerechnet, dass Abgeordnete gerade aus der seit langem Merkel-kritischen CSU-Gruppe ein Zeichen gegen die Kanzlerin sehen wollen und deshalb für Brinkhaus stimmen. Die Wahl ist geheim - Konsequenzen müssen sie also nicht befürchten.

Dobrindt sagte, die CSU-Abgeordneten hätten in der routinemäßigen Sitzung am Montagabend über die Kandidaten gesprochen. Er habe dabei seine Unterstützung für Kauder wiederholt. Bis auf eine weitere unterstützende Stimme für dem amtierenden Fraktionschef habe es zu diesem Thema keine weitere Wortmeldung gegeben.

Bei der Wahl am Dienstag sollte neben dem Fraktionschef die gesamte Führungsriege der CDU/-CSU-Abgeordneten neu gewählt werden - bis auf Dobrindt, der als CSU-Landesgruppenchef schon nach der Bundestagswahl für die gesamte Legislaturperiode gewählt wurde. Die Wahlmodalitäten sind in der Vereinbarung zur „Fortführung der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU“ festgelegt. Dort heißt es unter anderem: „Die Wahl für Ämter in der Fraktion erfolgt zu Beginn der Wahlperiode des Bundestages für ein Jahr, dann für den Rest der Wahlperiode“.

Reaktionen auf die Wahl von Ralph Brinkhaus
Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat dem neuen Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus zu seiner Wahl gratuliert und zugleich eine eigene Niederlage eingeräumt. „Das ist eine Stunde der Demokratie, in der gibt es auch Niederlagen, und da gibt es auch nichts zu beschönigen“, sagte Merkel. Sie hatte den bisherigen Fraktionschef Volker Kauder unterstützt und dankte ihm für seine Arbeit. „Trotzdem möchte ich, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erfolgreich weiterarbeitet und deshalb werde ich Ralph Brinkhaus, wo immer ich das kann, auch unterstützen“, sagte sie. Kauder ist ein Vertrauter Merkels. Quelle: dpa
Der neue CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus hat die Forderung der Opposition zurückgewiesen, dass Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag die Vertrauensfrage stellen sollte. „Das ist Blödsinn“, sagte der CDU-Politiker im ZDF auf entsprechende Äußerungen aus FDP und Linkspartei. Die Wahl des Fraktionsvorsitzenden der Union sei eine „interne Wahl“ und sollte nicht überbewertet werden, sagte er auf die Frage, ob die Kanzlerin nicht geschwächt sei. Merkels erklärter Kandidat Volker Kauder war gegen Brinkhaus unterlegen. Der neue Fraktionschef bekräftigte erneut, dass er und auch die Fraktion Merkel im Gegenteil unterstützen wollten. „Eins ist klar: Die Fraktion steht ganz fest hinter Angela Merkel.“ Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit der Kanzlerin. „Da passt zwischen uns kein Blatt Papier.“ Es werde eine „enge, vertrauensvolle Kooperation“. Zugleich zollte Brinkhaus seinem Vorgänger Kauder Respekt. Der 69-Jährige habe in der Sitzung für seine Leistung langanhaltenden Applaus erhalten. Man könne nur gemeinsam Erfolg haben. „Mittelfristig ist das eine Stärkung von Regierung und Fraktion“, sagte Brinkhaus zu dem Wahlergebnis. Er wolle versuchen, für die Union verloren gegangene Protestwähler zurückzuholen. Ihm sei es sehr wichtig, dass die große Koalition fortgeführt und der Koalitionsvertrag abgearbeitet werde. Nach seiner Wahl kündigte er deshalb eine schnelle Rückkehr der Fraktion zur Sacharbeit an. „Jetzt geht es darum, ganz schnell wieder an die Arbeit zu kommen.“ Quelle: dpa
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner hat die Wahl von Ralph Brinkhaus zum neuen Unionsfraktionschef als „Signal der Unzufriedenheit und Erneuerung zugleich“ gewertet. Die Fraktion „denkt nun die nächste Wahlperiode voraus“, schrieb Lindner am Dienstag bei Twitter. „Der @rbrinkhaus hatte den Mut, gegen das eigene Establishment, ganz allein und gegen manchen bösen Kommentar zu kandidieren - Respekt.“ Quelle: dpa
Aus Sicht von CDU-Bundesvize Armin Laschet muss sich Brinkhaus vor allem um den Zusammenhalt von CDU und CSU kümmern. „Wichtig wird sein, CDU und CSU zusammenzuhalten in schwierigen Zeiten“, erklärte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in Düsseldorf. Laschet hatte sich vorher für Kauder stark gemacht, obwohl Brinkhaus aus Nordrhein-Westfalen kommt. Ende August hatte er erklärt: „Es gibt keine Notwendigkeit, Kauder abzulösen.“ Nach der Wahl erklärte Laschet, Brinkhaus sei über die Bundestagsfraktion hinaus „als kluger Kopf für pragmatische Politik geschätzt“. Der NRW-CDU-Chef fügte hinzu: „Er wird den Berliner Betrieb wieder auf die politische Arbeit für die Menschen in unserem Land fokussieren - und kann dabei auf die volle Unterstützung seines Heimatverbands setzen.“ Quelle: dpa
CSU-Chef Horst Seehofer hat sich von der Wahl von Ralph Brinkhaus zum neuen Vorsitzenden der Unionsfraktion überrascht gezeigt. Auf die Frage, ob er die Situation in der Fraktion falsch eingeschätzt habe, sagte Seehofer, man müsse jetzt mit den Abgeordneten reden. Seehofer ruft die Regierungsparteien auf, nach vorne zu blicken und ihre Reformerfolge stärker zu betonen. „Das ist ein riesiges Problem, diese Selbstverzwergung schwächt die große Koalition und hilft nur der AfD.“ Quelle: AP
„Das ist für Frau Merkel als Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU schon ein mächtiger Schlag ins Kontor“, sagte der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende und SPD-Bundesvize Ralf Stegner . „Dass gegen ihren ausdrücklichen Willen und gegen ihr Werben ihr langjähriger Vertrauter und Fraktionsvorsitzender Kauder klar abgewählt wird, das zeigt schon, wie groß die Machterosion innerhalb der Union geworden ist.“ Quelle: dpa
Die überraschende Wahl von Brinkhaus belegt aus Sicht der Grünen Streitigkeiten zwischen CDU und CSU. „Die Entscheidung zeigt: In der Union haben sie über Jahre Konflikte mit Kompromissen zugedeckt“, erklärte der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Anton Hofreiter, am Dienstag in Berlin. „CDU und CSU werden jetzt ihren Kurs zu klären haben.“ Die Grünen gratulierten Brinkhaus und dankten Volker Kauder, „mit dem wir in den vergangenen Jahren bei allem inhaltlichen Streit verlässlich zusammengearbeitet haben“. Quelle: dpa
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