Werner knallhart
Quelle: imago images

Grüne Hausnummern: Stolz auf Klimaschutz? Da schüttelt es die CSU

Ein motivierendes Schild für umweltfreundliche Haushalte ist laut CSU jetzt also Ausgrenzung. Wieder was Spaltendes gefunden, was man Klimaschützern vorhalten kann. Wer so kleinkariert die Freude am Klimaschutz bremst, müsste weit mehr Symbole verbieten.

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Suchen Sie sich festen Halt: Vilshofen bei Passau vergibt demnächst grüne Hausnummern an Bürger, die besonders klima- und umweltfreundlich leben. Außerdem bekommen diese Bürger einen Gutschein für einen Baum.

Ganz langsam durchatmen: Ähnliche Aktionen gibt es sogar schon in anderen Gemeinden Deutschlands.

Die vergeben dann etwa Punkte dafür,
- wenn man nachweisen kann, dass man regionale Produkte auf dem Wochenmarkt kauft (spart CO2)
- wenn man eine Solaranlage auf dem Dach hat (spart CO2)
- wenn man sich eine BahnCard 100 kauft (spart CO2)
- wenn man wenig Fleisch isst (spart Methan)
- wenn man sich ein E-Auto zulegt (spart CO2, wenn man den richtigen Strom lädt)

In Vilshofen etwa kann man aus über fünfzig Kriterien Punkte zusammensammeln. Das eigene Auto gleich ganz abzuschaffen gibt zum Beispiel 20 Punkte. Und wer auf 150 Punkte kommt, darf sich stolz die offizielle grüne Hausnummer neben die Tür schrauben: Seht her, ich bin Klimaretter. Oder so in der Art.

Und was sagen laut „Bild“ die Politiker dazu, die weder diese Idee hatten noch eine bessere? CSU-Vize-Generalsekretär Florian Hahn kann auf die unnachahmliche CSU-Art die neue Welt nicht mehr verstehen: „Zu Verbieten und Verderben gesellt sich nun noch Brandmarken. Die Öko-Fundamentalisten verabschieden sich immer mehr von einer freien und liberalen Gesellschaftsordnung…“

Und die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg spricht bei den grünen Hausnummern gar von „Erziehung“. Und Erziehung ist natürlich schlecht, weil da kommen wir uns wie Kinder vor. Und was waren wir als Kinder? Unfrei. So!

Als wenn es nicht auch die ureigene Aufgabe von Behörden ist, von der Politik im Sinne der Allgemeinheit gewünschte Verhaltensänderungen bei der Bevölkerung auszulösen (zum Beispiel attraktivere Fahrradwege bauen, wo früher Autoparkplätze waren, damit mehr Rad gefahren wird).

Die Kritik klingt in beiden Fällen ganz schön unentspannt. Der eine mosert wohl, weil das den Leuten zum Weißbier so schön in den Bauch geht, die andere, weil die Fünf-Prozent-Hürde nervt. Also irgendwas mit Freiheit versus Gängelung halt. Hau raus.

von Jacqueline Goebel, Martin Seiwert, Thomas Stölzel

Der CSU-Mann zählt im Namen seiner Partei auf, was Klimaschützer jetzt alles falsch machen, weil sie erkannt haben, das wir umdenken müssen: 1. Verbieten, 2. Verderben und 3. jetzt neu: Brandmarken. Und er schlägt damit alle drei großen Optionen in den Wind:

1.  „Verbieten". Man schafft gesetzliche Rahmenbedingungen für den Klimaschutz. Dazu gehören Anreize, also etwa Kaufprämien für E-Autos, aber auch Verbote wie strenge Abgas-Grenzwerte für Verbrenner. So wird Innovation gefördert. Die LED-Lampe ist dank des Verbots der altertümlichen Glühlampe groß geworden. Und weil wegen der Feinstaubbelastung über ein Verbot von Feuerwerk an Silvester diskutiert wird, forschen Experten daran, in Knallkörpern Schwarzpulver durch umweltfreundlichere Stoffe zu ersetzen. Noch sind diese Böller teurer. Noch. Aber das wäre neu und neu ist nicht bierzelttauglich.

2.  Verderben. Damit ist wohl gemeint, dass es der CSU lieber wäre, man würde nicht auf Probleme hinweisen, die einem ein schlechtes Gewissen machen könnten. Wer weiß, dass dem Schwein als Ferkelchen ohne Betäubung die Hoden rausgerissen wurden, der kriegt die Wurst nicht mehr so gedankenlos runter. Da wollen doch wieder die in ihrer Berlin-Mitte-Blase den Leuten ihr Billigfleisch madig machen.

3.  Brandmarken. Das ist die neu aufgeploppte Kritik an der grünen Hausnummer.

Dabei setzt das System mit den grünen Hausnummern auf einen ganz simplen motivierenden Effekt: Stolz auf das Geleistete. Wer das ablehnt, gibt aus Mangel an Gespür für Menschen ein effizientes Werkzeug aus der Hand: das Fördern von Stolz auf die eigene Verhaltensänderung.

Brandmarken Feuerwehr, Fußballer und Blutspender?

Stolz. Es gibt Leute, die arbeiten hart, um irgendwann das BMW-Markenemblem stolz vor sich her fahren zu können: Seht her, ich habe es geschafft. Brandmarkt das das den Dacia-Fahrer? Nö. Auch, wenn der vielleicht manchmal neidisch ist.

Darf die Fußballnationalmannschaft auf ihrem Shirt ohne schlechtes Gewissen die vier Sterne tragen? Ja! Obwohl andere Teams da nicht mithalten können. Weil das Streben nach dem nächsten Stern anstachelt.

Der Aufkleber von der Freiwilligen Feuerwehr oder „Ich bin Blutspender“ hinten auf dem Auto, um zu zeigen: Ich engagiere mich für andere. Als stolzer Ausdruck eigener Werte, eben seines sozialen Lifestyles. Wer könnte das als Brandmarkung derer empfinden, die weder Feuer löschen noch Blut hergeben? Kinners, keiner.

Was kann uns aber dann noch Besseres passieren, als dass Klima-Schutz Status-Symbol wird? Dass nachhaltiges Leben dem eigenen Prestige dient? Ein Freund von mir ist Kunde bei Naturstrom. Die verschicken an Neukunden Aufkleber mit dem Spruch: „Hier fließt Naturstrom“. Er hat sich tatsächlich einen dieser Aufkleber an seine Wohnungstür geklebt. Als Ausdruck seiner Persönlichkeit. Statt Fußmatte mit Spruch.

Wer Klima schützt, soll darauf stolz sein dürfen. Und wenn Politiker und Verwalter der Meinung sind, dass es dem Gemeinwohl dient, die Erwärmung unseres Planeten aufzuhalten, dann ist es legitim, diesen Stolz der Menschen für die gute Sache zu nutzen. Indem man einfach nur öffentliche Plaketten vergibt. Als die kleine offiziell gutgeheißene Angeberei mit dem Edlen. Wenn’s doch hilft!

Wer dagegen ist, muss hingegen sportliche Wettbewerbe mit Urkunden und Medaillen verbieten, bei denen Punkte gesammelt werden. Weg mit den Bundesjugendspielen! Denn nach der CSU-Logik würde durch die Sportförderung mit viel Steuergeld systematisch ausgegrenzt, wer am Ende leer ausgeht. Gleiches gilt für motivierende Aktionen wie die Auszeichnung zum „Blumendorf 2019“ oder so. Laut CSU-Logik Brandmarkung der Menschen im Nachbardorf.

Ja, es wird Leute geben, die sich die BahnCard 100 nicht leisten können. Es wird Leute geben, die nicht wissen, wie man den Stromanbieter wechselt. Und die zwei Fleischmahlzeiten am Tag wollen, weil ihnen alles Wurscht ist. Ja, meine Güte, dann kriegen die halt keine grüne Hausnummer.

Dafür haut deren Nachbar ein bisschen mit seinem Klimaschutz auf die Pauke. Und jetzt kommt´s: Er hat mit seiner nachhaltigen Lebensart bis dahin ja auch etwas getan, wovon auch diejenigen ohne grüne Hausnummer profitieren. Er hat mitgeholfen, das Klima zu retten. Der Nachbar ohne sollte also gönnen können. Und neidlos dankbar sein. Und die CSU auch.

Wer in der Verwaltung so denkt, hat nicht nur ein Gespür dafür, wie man Menschen motiviert, er weiß auch, wie man mit wenig viel erreichen kann. Denn den Großteil der Anstrengungen erledigt der Bürger auf eigene Kosten. Er krempelt für uns sein Leben um. Einfach für ein grünes Schild und einen neuen Baum im Garten. Wie kann man das blöd finden?

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