Herr Professor Battis, Hamburg hat halb so viele Einwohner wie Berlin, beide Stadtstaaten haben pro Kopf etwa genauso viele öffentlich Beschäftigte des Landes. Warum funktioniert die Verwaltung in der Hauptstadt nicht, obwohl sie allein durch ihre Größe schon effizienter arbeiten könnte?
Ulrich Battis: In Berlin beanspruchen die zwölf Bezirke, dass sie wie eigene Großstädte behandelt werden. Ein Bezirk hat im Schnitt 300.000 Einwohner. Jeder Bezirksbürgermeister fühlt sich gleich wie ein veritabler Bürgermeister. So regeln die Bezirke vieles uneinheitlich und für sich. Das hat absurde Züge, weil zum Beispiel Genehmigungen oder Behördengänge in Charlottenburg anders ablaufen als in Reinickendorf auf der anderen Straßenseite.
Und in Hamburg?
In Hamburg gibt es eine zentrale Verwaltung. Die Bezirksamtsleiter sind nachgeordnet, sie sind weisungsgebundene Beamte. Beides gilt in Berlin nicht. Dort verstehen sich die Bezirksmitarbeiter nicht als Teil einer Einheitsgemeinde. Viele arbeiten bewusst anders als die in anderen Bezirken und alle arbeiten gegen den Senat.
Wenn Investoren oder Bürgerinnen in Berlin keinen Termin beim Amt bekommen, liegt es nicht an Personalmangel, sondern an doppelten Abläufen?
Aus Sicht der Bürger wäre viel mehr möglich. Es mangelt nicht an Leuten in der Verwaltung, sie ist eben nicht effektiv. Es bräuchte andere Leute, zum Beispiel IT-Spezialisten, und effizientere Strukturen. Eine einheitliche Infrastruktur wäre auch für Firmen und Investoren von außen sehr wichtig, damit alles schneller geht und leichter zu durchschauen ist.
Zur Person
Ulrich Battis ist emeritierter Verwaltungsrechtsprofessor der Humboldt-Universität in Berlin und Anwalt in der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann.
Warum kann Hamburg, was Berlin nicht kann? Verhindern die Bezirksbürgermeister, die manche wegen ihres Auftretens auch Zaunkönige nennen, ein Umsteuern?
Es gehört politischer Wille dazu, weil es immer Widerstand gibt, wenn Leute Einfluss verlieren sollen. Es gehören auch Ziele dazu. In Hamburg gab es auch Wohnungsknappheit. Sie haben dort aber schneller und mehr gebaut und Druck von den Mieten genommen.
In Berlin reichte es nur zum vom Bundesverfassungsgericht gekippten Mietendeckel…
Hier ist noch viel von der ehemaligen Mauerstadt zu spüren. In West-Berlin war alles subventioniert und die Verwaltung überbesetzt. Weil in der Verwaltung aber so schlecht bezahlt wurde, gingen die Besten und die Zweitbesten da nicht hin. In Ost-Berlin war die Verwaltung auch groß, weil im Grunde von dort die ganze DDR verwaltet wurde. Beide Traditionen bilden eine schwere Hypothek.
Was sollte nach der Wiederholungswahl im neuen Berliner Senat schnell passieren?
Wir brauchen mehr Zentralisierung und einheitliche Zuständigkeiten. Es lässt sich wegen der Digitalisierung nicht unbedingt sparen, aber es lässt sich dann viel mehr erreichen. Die Bezirke mosern schon, weil erste solche Schritte geplant sind.
In der Verwaltung müssen auch alle Aufgaben geprüft werden, ob sie noch nötig sind. Es gibt viele Beispiele: Wenn Beamte krank sind, schicken sie eine Meldung an die Private Krankenversicherung, die in drei Tagen automatisch reagiert. Sie schicken die Meldung auch an die Beihilfe. Dort sitzt jemand vom mittleren Dienst und prüft alles einzeln per Hand. Das dauert viel zu lang und ist mit der Digitalisierung überflüssig.
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