Es war der einzige Wirtschaftstalk am Abend der Bundestagswahl, und es ging um die Frage: Was bedeutet dieses Ergebnis für die deutsche Wirtschaft? WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli und die Berliner Korrespondenten Sonja Alvarez und Max Haerder sprachen mit Unternehmerin Sabine Herold vom Klebstoffspezialisten und Weltmarktführer Delo, Tao Tao, den Gründer von GetYourGuide, und den ehemaligen Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld.
Feld ist im Gespräch der Meinung, dass bei jeder denkbaren Koalition ein Element dabei sei, das einem Ökonom nicht gefallen würde. Dass die beiden realistischsten Koalitionen Jamaika und die Ampel seien, hält er für ein gutes Ergebnis für den Standort Deutschland: „Ob Ampel oder Jamaika, das ist nicht so ein großer Unterschied – auch, wenn das auf den ersten Blick so scheinen mag.“
Erleichtert zeigte sich Sabine Herold, dass es aufgrund deren Schwäche keine Koalition mit der Linken geben werde. Dafür setzt Herold auf eine andere Option: „Ich sehe Koalitionsmöglichkeiten mit den Liberalen, die sind naturgemäß sehr gut für Unternehmen.“ Allerdings würden auch diese es kaum schaffen, Bürokratie rückzubauen, da ihr Anteil klein bleiben werde. Bei der Regierungsbildung müsse es laut Herold aber nicht allzu schnell gehen: „Ich gebe es ehrlich zu: Ich hoffe gar nicht darauf, dass die Regierungsbildung zu schnell geht. Denn so lange gibt es keine neue Bürokratie.“
Auf eine schnelle Regierungsbildung setzt dagegen Tao Tao, der Mitgründer der Reiseplattform GetYourGuide. „Eine Hängepartie bedeutet Schwierigkeiten für die Wirtschaft und für die Außenpolitik. Ich hoffe, dass Digitalisierung und Innovationen zu großen Themen werden“, sagte er. Gerade bei der Digitalisierung sind sich Herold und Tao einig, letzterer wird hier deutlich: „Digitalisierung ist eine Medizin, die nicht angenehm sein wird.“
Außenpolitik ausschlaggebend für die Wirtschaft
Gerade über die Außenpolitik sind sich Feld und Tao einig. Müsste der Ökonom ein 100-Tage-Programm aufstellen, würde er gerade auch die Außenpolitik angehen. Tao setzt das Thema ebenfalls: „Wirtschaft ist Außenpolitik, Europa ist Außenpolitik, Digitalisierung ist Außenpolitik. Wir müssen jetzt darauf setzen: Was ist unsere internationale Wirtschaftsstrategie?“
Ökonom Feld hofft bei der neuen Regierung auf Reformimpulse, auch wenn dies nicht jedem Deutschen gefallen werde: „Wenn Bürger sich an einen gewissen Wohlstand gewöhnt haben, sind Reformen nicht leicht durchzusetzen.“ Dass dieser Wohlstand aber nicht selbstverständlich sei, sagt Tao: „Aus meiner Sicht sollten wir nicht glauben, dass Deutschland eine Insel ist.“ Der Wohlstand hänge vielmehr von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ab. Da seien Themen wichtig wie: „Wie können wir attraktiver für die besten Köpfe der Welt werden? Wie können attraktiver für Gründer auch aus dem Ausland werden? Aber auch für deutsche Gründer, die dann hoffentlich nicht abwandern werden.“
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