
Was ist wichtiger, die beste Chance zur Integration oder die Freiheit, seinen Lebensmittelpunkt zu wählen? Die Integration, sagen viele Politiker in Bund und Ländern, darunter SDP-Chef Sigmar Gabriel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft – und diskutieren, ob sie anerkannten Flüchtlingen vorschreiben sollen, an bestimmten Orten in Deutschland sesshaft zu werden.
Welche Städte und Landkreise mit Blick auf Wohnungs- und Arbeitsmarkt die besten Voraussetzungen zur Integration bieten, hat das Regionalforschungsinstitut Empirica untersucht. Würde es gelingen, Flüchtlinge in bestimmte Regionen zu lenken, ließen sich zwei riesige Hindernisse bei der Integration vermeiden: Ghettobildung und die Entstehung von Parallelgesellschaften.
Unsere interaktive Karte zeigt, wo Flüchtlinge leichter Wohnung und Arbeit finden:
Bislang ziehen Flüchtlinge meist in wenige Großstädte, in denen bereits viele Landsleute leben. So lassen sich nach einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit Syrer oft in NRW oder dem Saarland nieder. Afghanen streben nach Hamburg, Pakistaner bevorzugen das Rhein-Main-Gebiet – alles Ballungszentren, in denen es ohnehin zu wenig Wohnraum gibt. Dabei stehen bundesweit schätzungsweise 1,7 Millionen Wohnungen leer, insbesondere in ländlichen Regionen Deutschland.
Aus diesen Ländern kommen Asylbewerber in Deutschland
Fünf Prozent der Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl suchen, kommen aus Afghanistan.
Genauso viele (fünf Prozent) suchen aus dem Irak Zuflucht in Deutschland.
Aus Serbien im Balkan kommen sechs Prozent der Asylbewerber.
Aus Albanien kommen deutlich mehr Flüchtlinge, nämlich 15 Prozent.
Der gleiche Anteil (15 Prozent) sucht aus dem Kosovo Zuflucht in Deutschland.
Mit 22 Prozent ist der Anteil der syrischen Asylbewerber in Deutschland mit Abstand am größten.
„Flüchtlingsfamilien aufs Land – das hätte Vorteile auf ganzer Linie“, argumentiert Empirica-Vorstandsmitglied Harald Simons. „Dort gibt es nicht nur freie Wohnungen, sondern offene Stellen, Ausbildungsplätze und Kapazitäten an Schulen.“ In überschaubaren Nachbarschaften gelinge Integration leichter – und auch die Kommunen profitierten vom frischen Wind für Regionen, die unter Abwanderung litten.
„Dieser neue Vorschlag ist die konsequente Umsetzung der Idee, Flüchtlinge möglichst frühzeitig zu integrieren, indem sie für den Arbeitsmarkt verfügbar gemacht werden. Bereits zuvor war entschieden worden, dass sie früher arbeiten können. Dies macht aber wenig Sinn, wenn sie zunächst in Regionen untergebracht werden, wo eine wirtschaftliche und soziale Integration nicht möglich ist“, lobt der Migrationsexperte und Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit, Klaus Zimmermann, diese Idee.
Bislang gibt es noch keinen Entwurf für ein entsprechendes Gesetz. Offen ist zudem die Finanzierung. Wer besonders viele Einwanderer aufnimmt, braucht Geld, sagt Ökonom Simons. „Wenn die Flüchtlinge in die Oberpfalz statt nach München sollen, muss das Geld auch dorthin fließen.“
Ein Allheilmittel ist das Modell jedoch nicht. So finden sich unter den Flüchtlingen nicht nur Ältere, Paare oder Familien. Die Empirica-Forscher halten aber wenig davon, alleinstehende junge Männer aufs Land zu bringen, die einen beträchtlichen Anteil der aktuellen Flüchtlinge stellen. „Dies zu tun schafft eher neue Probleme“, sagt Simons.