Alternative zur Währungsunion Die Lehren aus der Vorgeschichte des Euro

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Eine turbulente Frühphase des Euro

Besonderes Augenmerk widmen sie den Anpassungsschritten, also den Neuverhandlungen der Schwankungsbreiten einzelner Landeswährungen. Die Möglichkeit, die Wechselkurse den veränderten makroökonomischen Bedingungen des innereuropäischen Handels- und Zahlungsverkehrs anzupassen, wurde häufig genutzt – in 17 so genannten „Realignment-Runden“: die erste schon wenige Monate nach Einführung des EWS im September 1979, die letzte im März 1995. Die Auf- oder Abwerter waren fast immer die üblichen Verdächtigen: Die D-Mark wertete achtmal auf, die italienische Lira siebenmal ab. Besonders oft und stark abgewertet wurden in der kurzen Zeit ihrer Teilnahme ab 1989 die spanische Peseta und der portugiesische Escudo.

Besonders viele und besonders große Wechselkursanpassungsschritte fanden in der Frühphase des EWS bis 1983 statt. Die Inflationsraten in Frankreich waren damals als Folge der keynesianischen Expansionspolitik der Sozialisten zweistellig. Nachdem 1983 Frankreich das Ruder herumwarf und eine an der deutschen Preisstabilität orientierte Politik der „désinflation competitve“ einführte, der sich sogar Italien anschloss – näherten sich ab Mitte der 1980er Jahre die Inflationsraten in der EG einander an. Allerdings standen einer westdeutschen Teuerungsrate von 2,1 Prozent 1985 immer noch eine italienische von 9,2 und eine französische von 5,8 Prozent gegenüber.

In einer Ruhephase – zumindest für das EWS – von Januar 1987 bis September 1992 fanden fast keine Anpassungen der Kurse statt. Es waren dies nicht zufällig die politisch entscheidenden Jahre, in denen die Währungsunion beschlossen wurde. Spanien und Portugal, zeitweilig sogar Großbritannien traten dem EWS bei, Norwegen, Schweden und Finnland banden sich freiwillig an den ECU, der österreichische Schilling war ohnehin seit 1976 an die DM gebunden. Der spätere EZB-Präsident Jean-Claude Trichet interpretierte diese Phase in einem Interview mit Höpner und Spielau als Vorwegnahme der Union.

Doch unter der Decke des EWS brodelten die Unterschiede der Volkswirtschaften weiter. Die wegen der unterbliebenen Anpassungen gewachsenen Unterschiede der preislichen Wettbewerbsfähigkeit führten in den späten 1980er Jahren zu – damals – beunruhigenden Leistungsbilanzüberschüssen in Deutschland und den Niederlanden und -defiziten in Italien und anderen Ländern.

Diese Regierungen scheiterten wegen der Euro-Krise

Alles andere als Euro-reif

1992 – im Jahr des Maastricht-Vertrages – war die Ruhe dann vorbei. Mit dem kurzen Wiedervereinigungsboom erlebte Deutschland eine nicht ganz so kurze Phase relativ hoher Inflation, die die Bundesbank mit einem heute unvorstellbaren Diskontsatz von 8,75 Prozent bekämpfte. Die anderen Notenbanken mussten ihr folgen, um Kapitalabflüsse in Grenzen zu halten. Deren Volkswirtschaften folgten Deutschland damit aber auch in die Rezession. Gleichzeitig wurde die D-Mark aufgrund der damaligen Dollarschwäche vermehrt als internationale Zufluchtswährung genutzt. Die Bundesbank musste massiv im Rahmen des EWS eingreifen und Fremdwährung aufkaufen. 

Diese Spannungen führten zur Abwertung der Lira, dem Austritt Italiens und Großbritanniens aus dem EWS und weiteren starken Abwertungen der spanischen Peseta, des portugiesischen Escudo und des irischen Pfund. Als Folge dieser offensichtlichen Instabilitäten beschlossen die Regierungen und Notenbanken im Juli 1993 die Schwankungsbandbreiten von +/- 2,25 auf +/-15 Prozent zu weiten. Die europäischen Währungen zeigten sich alles andere als Euro-reif.

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