Europa müsse lernen, die Sprache der Macht zu sprechen, fordert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Völlig zu Recht. Wie schwer das der EU jedoch fällt, beweist Brüssel mit der Global Gateway Initiative. Ein Gegengewicht zu Chinas ambitionierter Seidenstraßenintiative sollte der Vorstoß der EU-Kommission darstellen. Doch statt Chinas Hegemoniestreben einen ernsthaften Plan entgegenzusetzen, präsentiert Europa nicht mehr als ein Seidensträßchen.
Sicherlich, die EU-Kommission hat nachgebessert. Statt zunächst 40 Milliarden Euro kündigt sie nun ein Finanzvolumen von bis zu 300 Milliarden Euro an. Hinter dem Zusatz „bis zu“ verbirgt sich jedoch ein Problem. Niemand weiß, ob privates Kapital im erhofften Ausmaß angelockt werden kann.
Global Gateway krankt aber nicht nur an der Finanzausstattung. Dem Projekt ist anzumerken, dass es von Beamten entworfen wurde, die nicht in Kategorien der Macht denken. Der Kern des Vorschlags kommt aus der Generaldirektion für Entwicklungshilfe. Gleichzeitig unterstrich von der Leyen bei der Präsentation des Projekts, dass die Europäer damit ihre Werte in die Welt tragen wollen. Entwicklungshilfe, Werte und natürlich auch noch Strategie – die EU-Kommission hat sich zu viele Ziele auf einmal gesetzt, die sich zudem widersprechen.
Wer die Sprache der Macht sprechen will, muss sich selbst eine klare Vorgehensweise überlegen. Europa müht sich mit Sprechübungen, kommt aber diesmal nicht über das Stadium des Buchstabierens hinaus.
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