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30.03.2022, Berlin: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, gibt in seinem Ministerium eine Pressekonferenz zur Energiesicherheit in Deutschland. Die Bundesregierung bereitet sich vor dem Hintergrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgung vor. Habeck rief deswegen die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aus. Die Versorgungssicherheit sei weiter gewährleistet. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Quelle: dpa

Herr Habeck, wir müssen jetzt über deutsches Erdgas reden

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Deutschlands Energiesicherheit darf nicht nur auf neue Abhängigkeiten von den USA oder Katar bauen. Es ist Zeit für mehr heimische Förderung.

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Die Abhängigkeit vom Ausland hat eine bequeme Komponente. Ökologische Schäden der Energieförderung lassen sich leichter verdrängen. Wer weiß schon, ob und was genau die Russen bei der Gewinnung von Erdgas in den letzten Jahrzehnten alles zerstört haben. Und daran ändert sich in den kommenden Jahren wenig. Die große Abhängigkeit vom Ausland bleibt, nur die Lieferanten wechseln.

Künftig soll viel Flüssigerdgas aus den USA und aus Katar kommen. Mögliche Umweltsünden finden einmal mehr sehr weit weg statt. Hauptsache, es passieren keine unschönen Sachen vor der eigenen Haustür, scheint sich die deutsche Umweltlobby seit Jahrzehnten zu denken. Das böse F-Wort für die umstrittene Fördertechnologie Fracking gilt als Totschlagargument, neue Förderprojekte in der Nordsee hat die Ampelkoalition von vornherein ausgeschlossen. Der Anteil der heimischen Gasförderung am deutschen Energiemix sank kontinuierlich von 20 auf zuletzt magere fünf Prozent. Und die Wirtschaftslobby kümmerte es wenig.

Russisches Gas gab es ja günstig zu kaufen. An die Versorgungssicherheit verschwendete keiner einen Gedanken. Doch mit der Vogel-Strauß-plus-not-in-my-backyard-Haltung kommen die Deutschen nicht mehr durch. Putins Krieg gegen die Ukraine zeigt allen schmerzhaft auf, dass die Zeitenwende mehr Selbstversorgung bedeutet. Bevor dafür heimische Sonnen- und Windkraft sorgen, braucht es Gas noch lange als Brückentechnologie. Das kann nicht allein aus dem Ausland kommen, zumal Lieferanten wie Katar noch jahrelang an Verträge mit anderen Staaten gebunden sind. An der Steigerung der heimischen Förderung führt kein Weg vorbei. Sie lässt sich teilweise gar in wenigen Wochen hochfahren.

Nach den Flüssiggasterminals wäre diese Maßnahme die nächste bittere Pille für die grüne Basis des Wirtschaftsministers und Realos Robert Habeck. Immerhin könnte er argumentieren, dass sich hier einfacher als in den fernen USA die strengen deutschen Umweltstandards garantieren lassen – auch beim bislang faktisch verbotenen Fracking. In Niedersachsen bestimmt die Zeitenwende bereits das Handeln der Politik. Neuerdings reden sie dort wieder mit den Niederländern, die frische Gasquellen in der Nordsee erschließen wollen. Es gibt Pläne für ein gemeinsames Projekt vor der Insel Borkum. Dieses Umdenken braucht es nun für ganz Deutschland.

Bequem war gestern.

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