Kampf gegen Kinderpornographie im Netz Warum interessiert sich ein Hollywood-Star für EU-Regulierung?

Ashton Kutcher: Der Schauspieler hat eine NGO gegründet, die Kinder vor Missbrauch im Netz schützen will. Quelle: dpa

Der Starschauspieler Ashton Kutcher hat eine NGO gegründet, die Kinder vor Missbrauch im Netz schützen will. Sie hatte Einfluss auf einen umstrittenen Vorschlag, den die EU-Kommission jüngst vorgestellt hat.

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Auf Hollywood-Größen trifft EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrem Arbeitsalltag eher selten. Mit Schauspieler Ashton Kutcher („Ey Mann, wo is“ mein Auto“) hat sich die CDU-Politikerin aber schon per Videokonferenz zusammengeschaltet. Beide eint der Wunsch, Kinderpornographie im Netz zu bekämpfen. Kutcher gründete dazu 2009 eigens eine NGO namens Thorn, Englisch für Stachel. Von der Leyen ging das Thema als Familienministerin in Deutschland an, was ihr bei der Netzgemeinde den Namen „Zensursula“ einbrachte.

Nach dem verunglückten Versuch in Deutschland setzt von der Leyen nun auf einen europäischen Ansatz. Mitte Mai stellte die EU-Kommission einen umfassenden Regulierungsvorschlag vor, nach dem Unternehmen gezwungen werden sollen, Kinderpornographie aufzuspüren und aus dem Netz zu nehmen.

Kutchers NGO Thorn hat bei diesem Vorschlag eine durchaus wichtige Rolle gespielt. „Wir arbeiten eng mit der EU-Kommission zusammen“, sagte Emily Slifer, Senior International Policy Manager von Thorn, der WirtschaftsWoche.

Europa ist eindeutig eine Problemzone: Im vergangenen Jahr lagen 62 Prozent der Kinderpornographie auf Servern in Europa, ermittelte die Internet Watch Foundation. Und die kriminellen Inhalte im Netz weisen beängstigende Wachstumsraten auf.

Aber schafft der Ansatz der EU-Kommission einen guten Ausgleich zwischen Datenschutz und Strafverfolgung? Und sorgt sich Kutcher nur um den Kinderschutz?

Datenschützer haben nach der Veröffentlichung massive Kritik am Vorschlag der EU-Kommission geübt. Deutschlands oberster Datenschützer Ulrich Kelber teilte nach einer ersten Prüfung des 135 Seiten langen Dokuments mit, dass er sich dafür einsetzen wolle, „dass die Verordnung in dieser Form nicht kommt“. Er sieht den Grundsatz der Vertraulichkeit der Kommunikation bedroht. Auch Digitalminister Volker Wissing (FDP) zeigt sich wenig begeistert: „Die allgemeine Kontrolle von Chatverläufen und das Unterlaufen von Verschlüsselungen gehen zu weit.“

„Meilenstein im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch“

Die EU-Kommission argumentiert dagegen auch, dass die bisherigen freiwilligen Regeln im Kampf gegen Kinderpornographie nicht ausreichen. Nationale Vorstöße in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, so die Kommission in ihrem Vorschlag weiter, würden zu einem unerwünschten Patchwork von Regeln führen. Brüssel droht mit harten Strafen: Nach den neuen Regeln könnten Google, Apple, Meta und Co. Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes bevorstehen, wenn sie Kinderpornographie nicht entfernen. Vor allem die vollautomatisierte Kontrolle auch von verschlüsselten Botschaften treibt Datenschützer auf die Barrikaden.

Kutchers NGO applaudiert dagegen dem Brüsseler Vorschlag. Von einem „Meilenstein im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet“, spricht Thorn-CEO Julie Cordua und dankt der EU für ihre „Pionierarbeit“. Cordua bietet das Fachwissen ihres 90-köpfigen Teams an, um Kinder zu schützen. Bei Thorn bedauert man, dass das Thema in das Spannungsfeld von Datenschutz und Sicherheit geraten ist. „Das Schlimmste, was wir nun tun könnten, wäre nun innezuhalten und zu sagen, dass wir eine größere Debatte führen müssen“, sagt Thorn-Expertin Slifer.

Bei Thorn glauben sie, dass Datenschutz und Sicherheit kein Widerspruch sein müssen. Die hausintern entwickelte Software „Safer“ suche chirurgisch nach „genauen Treffern“, sie klassifiziere nicht sämtliche Daten, sagt Slifer: „Thorn ist für Datenschutz, wir wollen nur Material aufspüren, das Missbrauch darstellt.“

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Genau diese hauseigene Software, seit 2020 auf dem Markt, wirft allerdings die Frage auf, ob Kutcher den Kampf gegen Kinderpornographie als reine Wohltätigkeit betreibt - oder ob er eventuell Geschäftsinteressen verfolgt. Bei Thorn stellen sie die Software als Angebot für kleine und mittelgroße Unternehmen dar, die es sich nicht leisten können, eigene Lösungen zu entwickeln, wie Konzerne in der Größenordnung von Google und Meta. Plattformen wie Vimeo und Flickr  benützen etwa schon die Thorn-Software Safer. 2021 stammten etwa sieben Prozent von Thorns Einnahmen von insgesamt 20 Millionen Dollar aus der Software, teilte Thorn der WirtschaftsWoche mit. Angaben zum Preis der hauseigenen Software macht das Unternehmen nicht. Grundsätzlich richte sich der Preis jedoch nach der Größe des Unternehmens und der Menge der zu verarbeitenden Inhalte.

Thorn ist in den USA als Wohltätigkeitsorganisation registriert, Spenden können von der Steuer abgezogen werden. Die NGO betreibt einen großen Lobbyaufwand, alleine im vergangenen Jahr belief sich der Aufwand dafür in Brüssel auf 600.000 Euro, wie sich dem Transparenz-Register entnehmen lässt.

Fest steht: Sollte die EU Chatkontrollen beschließen, dann wird das auf die ganze Welt ausstrahlen. „Europa ist in einer Führungsposition“, sagt Thorn-Vertreterin Slifer. „Die Unternehmen werden reagieren auf das, was Europa tut.“ Der Nachfrage nach Thorns Software würde das vermutlich helfen.

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