Leoluca Orlando "Berlusconi ruiniert Italien – und der Euro die europäische Idee"

Italiens Vorzeige-Politiker Leoluca Orlando hofft darauf, dass Berlusconi am Mittwoch aus dem Senat fliegt. Zudem erklärt er, warum er das vereinte Europa liebt, die Gemeinschaftswährung aber kritisch sieht.

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Leoluca Orlando

WirtschaftsWoche: Herr Orlando, wenn wir als Reporter von außen auf Ihr Land schauen, wirkt alles sehr chaotisch: Es gibt Regierungswechsel im Jahresrhythmus, kriminelle Banden mit Donnerhall und ein Zampano, der trotz Verurteilungen das Land regieren will. Warum ist Italien so kompliziert?

Leoluca Orlando: Italien ist selbst in den Augen eines Italieners kompliziert. Es geht bei uns hektisch zu, emotional und manchmal chaotisch. Schreiben Sie Italien dennoch nicht ab. Wir sind gerade dabei, ein neues Italien zu bauen. Denn die vergangenen Jahre haben uns und der ganzen Welt deutliche gemacht: Wir brauchen ein anderes Italien. Ein Land, das den Bürgern dient – und nicht einem Einzelnen.

Sie sprechen von Silvio Berlusconi.

Ich kann seinem Regierungsstil nichts abgewinnen und habe seit jeher versucht, auf seine Schwächen hinzuweisen. Berlusconi muss weg. Aber er ist mächtig und hat viel Unterstützung: innerhalb seiner Partei, in den Medien und auch bei den Wählern. Ich glaube: Ohne die ökonomische Krise wäre Berlusconi längst in die Rente geschickt worden. Aber aufgrund der finanziellen Sorgen der Bürger sind seine inhaltslosen Versprechen stets auf offene Ohren gestoßen. Er hat die Menschen manipuliert und gleichzeitig, Italien immer stärker geschwächt. Er hat in seiner gesamten politischen Karriere nicht zum Wohle Italiens gehandelt, sondern hat nur auf sich und seinen Reichtum geschaut.

Zur Person

Nun steht er vor dem endgültigen Ausschluss aus dem Senat. Am Mittwoch stimmen die Parlamentarier ab. Ist damit Berlusconis Karriere endgültig beendet?

Ich hoffe, dass Berlusconi aus dem Senat ausgeschlossen wird und bin auch zuversichtlich, dass es so kommt. Dennoch: Es stimmt mich traurig, dass wir erst eine Verurteilung brauchten, um Berlusconi loszuwerden. Die Politik hat verloren. Wir hätten ihm früher Einhalt gebieten müssen. Und ein letzter Punkt zu Berlusconi: Hätte er auch nur ein bisschen Anstand, wäre er längst freiwillig gegangen. Mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hätte er erkennen müssen, dass er als Politiker nicht mehr tragbar ist. Wir haben schließlich eine Vorbildfunktion. In Deutschland geschieht das ja auch. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff ist längst zurückgetreten. Dabei startete erst jetzt der Prozess gegen ihn. Stellen Sie sich vor, Wulff wäre jetzt noch im Amt. In Deutschland ist das undenkbar. Bei uns in Italien leider nicht.

"So belohnt Italien seine besten Bürger"
In einer neunminütigen Videobotschaft hat sich Italiens Ex-Regierungschef nach seiner Verurteilung an die Öffentlichkeit gewandt. Darin empört er sich wortreich über die italienische Justiz. Quelle: AP
"Niemand kann die Gewaltattacke verstehen, die mir mit einer Reihe von Prozessen und Anklagen beschert wurde“, rief er dem Volk zu. Ein Teil der Richter in Italien sei „verantwortungslos“, die Prozesse gegen ihn eine „wirkliche und wahre juristische Verbissenheit“, die ihresgleichen suche. Quelle: AP
Dann spielt er die Mitleidskarte aus: Sein Einsatz für Italien werde nicht genug gewürdigt: "So belohnt Italien die Opfer und das Engagement seiner besten Bürger!" Quelle: AP
Die Entscheidung beraube ihn seiner Freiheit und seiner politischen Rechte. Quelle: AP
Gleichzeitig kündigte Berlusconi an, seinen "Kampf für die Freiheit“ fortzusetzen und seine Partei "Forza Italia“, mit der er vor fast 20 Jahren in die Politik eingestiegen war, wiederzubeleben. Quelle: AP

Liegt es wirklich nur an einer Person, dass Italien so tief in der Krise steckt?

Nein, das wäre wirklich zu einfach. Es ist ein Zusammenspiel von politischen wie ökonomischen Faktoren, von italienischen wie internationalen Problemen. Wenn die Konjunktur in ganz Europa schwächelt, ist es schwer gegen den Trend zu wachsen. Verlieren Investoren das Vertrauen in den Euro, leidet auch Italien. Dennoch: Die Regierung in Rom hat die Möglichkeiten, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmen gut arbeiten und die Menschen ein sorgenfreies Leben führen können. Dazu gehört, die Kriminalität zu bekämpfen. Korruption, Drogengeschäfte und Bandenkriege hemmen das ganze Land. All das hat Berlusconi nie getan. Die jetzige Regierung von Ministerpräsident Enrico Letta unternimmt auch zu wenig. Ich glaube, den Weg, den wir in Palermo eingeschlagen haben, ist vorbildlich. Für Sizilien, für Italien und für Südeuropa.

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