Lotto, das Milliardengeschäft Wie Bund und Länder beim Glücksspiel kassieren

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Die Kunstsammlung von Westlotto

Im Gegenzug ist auf die staatlichen Glücksritter oft Verlass, wenn die Landespolitik um Unterstützung bittet. Zwar hat jedes Bundesland eigene Regeln, wie die Lotto-Millionen unters Volk gebracht werden sollen. Doch es gibt Spielräume: Soll etwa bei der jährlichen Hengstparade des landeseigenen Gestüts etwas draufgesattelt werden oder fehlt Geld, um das Sommerfest der Landesvertretung in Berlin aufzupeppen, hilft Lotto aus. Auch der politische Frohsinn kommt nicht zu kurz – zumindest in Nordrhein-Westfalen, wo Westlotto für Karnevalspartys des Landtags schon mal närrische Orden spendiert.

Mehr Glücksspiel in der Grauzone
Glücksspielland Deutschland: Es mangelt nicht an neuen Angeboten und spektakulären Gewinnversprechen. Im Internet sind Glücksspiel- und Wettangebote auf dem Vormarsch, neben dem klassischen Lotto gibt es den länderübergreifenden Eurojackpot. Dennoch versuchen sich nach den offiziellen Zahlen immer weniger Deutsche an Glücksspielen. Allerdings: Junge Männer sind anfälliger für illegale Wetten. Quelle: dpa Quelle: dpa
Die staatlichen Lotto-Gesellschaften und einige Länder sehen sich daher bestätigt und wollen an der bisherigen Glücksspielregulierung festhalten – trotz Fehlschlägen. Durch die Hängepartie bei Sportwett-Lizenzen aber boomen der unregulierte und der „schwarze“ Markt. Viele Spieler zocken bei obskuren Anbietern in rechtlichen Grauzonen – aber offen. Quelle: dpa
Es geht um einen weltweit wachsenden Markt - und um viel Geld. Neben klassischen Casino-Spielen gibt es Spielautomaten, Lotterien und Wetten. 2012 wurden in Deutschland nach früheren Angaben der Beratungsfirma Goldmedia rund 10,7 Milliarden Euro an Brutto-Spielertrag erwirtschaftet. Im sogenannten regulierten Glücksspielmarkt entfällt auf Spielautomaten der weitaus größte Marktanteil. Mitte 2015 gab es nach Angaben der Branche etwa 316.000 Spielautomaten, davon 269.000 Geld-Spiel-Geräte. Laut der Automatenindustrie VDAI nutzen schätzungsweise fünf Millionen Menschen pro Jahr diese Geldspielgeräte. Quelle: dpa
In der Tat. Er will einerseits Spielsucht eindämmen und illegale Anbieter vom Markt drängen, gleichzeitig aber mehr Umsätze erwirtschaften, Steuern einnehmen und sich gegenüber Privaten behaupten. Der Staat ist Akteur und zugleich Aufsichtsbehörde. Quelle: dapd
2012 konnten die Länder das seit Jahren umstrittene staatliche Lottomonopol noch einmal retten. Dieses Monopol wird damit begründet, dass nur so Verbraucher-, Daten- und Jugendschutz gesichert werden könnten. Doch mit dem damals neu ausgehandelten Glücksspielstaatsvertrag musste der lukrative Markt für Private geöffnet werden. Für sieben Jahre sollten eigentlich 20 Konzessionen an Sportwetten-Anbieter vergeben werden. Quelle: AP,AP
Das Verfahren gilt als gescheitert. In vielen Fällen wird daher in einer rechtlichen Grauzone gezockt. Der Schwarzmarkt boomt, ehrliche Anbieter müssten in die Röhre schauen, und Internetspieler hätten keine Möglichkeit, ein Angebot auf Seriosität zu prüfen, meinen Kritiker. Obwohl derzeit kein privates Unternehmen reguliert ist und über eine Konzession nach dem aktuellen Glücksspielstaatsvertrag verfügt, agieren private Sportwetten-Anbieter sichtbar in der Öffentlichkeit und zahlen auch reichlich Steuern an den Fiskus. Quelle: dpa
Das zeigen zumindest die aktuellen Zahlen des staatlichen Lotto- und Totoblocks und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Trotz millionenschwerer Jackpots verlieren Lotto und andere Glücksspiele ihren Reiz. 37,7 Prozent der Befragten im Alter zwischen 16 und 70 Jahren gaben an, im zurückliegenden Jahr an einem Glücksspiel teilgenommen zu haben. Im Jahr 2007 lag der Anteil der gelegentlich oder gewohnheitsmäßig Spielenden noch bei 55 Prozent. Quelle: dpa

Nicht minder generös geht’s im Hauptquartier der westfälischen Spielmacher in Münster zu. Vor dem schwarzen Klotz aus Beton und Glas wehen gelbe Flaggen mit dem Aufdruck „Jackpot“ im Wind. Im Foyer ist eine alte Lostrommel aufgebaut, aus der einst unter notarieller Aufsicht die Kugeln mit den Gewinnzahlen klackerten. Eine Etage darüber, im alten Auszählraum, werteten in prädigitalen Zeiten Hunderte Mitarbeiter mit Schablonen die Lottoscheine aus.

Heute ziert abstrakte Kunst die Wände, darunter ein 2,50 Meter breites Farbfeuerwerk des Künstlers Walter Stöhrer. Die Bilder gehören zur Kunstsammlung von Westlotto, die allerdings selbst eifrigen Museumsgängern bisher entgangen sein dürfte. Denn an den Bildern dürfen sich zwar Mitarbeiter und Gäste des Hauses erfreuen, nicht aber die Öffentlichkeit. Ausstellungen seien aktuell nicht geplant, heißt es bei Westlotto.

Sonderbare Wege nimmt das Lotto-Glück auch in der Hauptstadt. So liegen der Deutschen Klassenlotterie Berlin nicht nur die üblichen Sozial-, Kultur- und Sportakteure am Herzen, sondern auch die parteinahen politischen Stiftungen. Deren Projekte wurden seit 2006 mit insgesamt 27,5 Millionen Euro aus dem Berliner Lotto-Topf gepäppelt.

Verantwortlich für die Vergabe der Mittel ist der Stiftungsrat der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB). In dem Gremium sitzen neben Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) auch zahlreiche weitere Berliner Politiker. De facto nehmen damit Vertreter der Parteien Einfluss auf die Vergabe von Lotto-Millionen an ihnen nahestehende Stiftungen. „Die Stiftungen müssen sich in einem offenen Wettbewerb der Konkurrenz um die Lottomittel stellen und mit ihren Projekten überzeugen und nicht mit ihrer Parteinähe“, fordert Heiko Herberg, Parlamentarischer Geschäftsführer der Berliner Piraten-Fraktion.

Der Deutsche Lotto- und Totoblock (DLTB) will die Nähe zur Politik nicht kommentieren. Das sei Sache der einzelnen Gesellschaften. Die Position der Dachorganisation lässt beim Blick auf deren eigenes Personaltableau aber ohnehin kaum Fragen offen: So leitet Martin Stadelmaier, früherer Staatskanzleichef in Rheinland-Pfalz, die Hauptstadtrepräsentanz des DLTB. Zudem arbeitet eine Beratungsgesellschaft von Hamburgs Exbürgermeister Ole von Beust für den Lotto-Block.

„In der deutschen Glücksspielordnung ist derzeit viel Bewegung“, sagt Torsten Meinberg, Chef der derzeit federführenden DLTB-Gesellschaft Lotto Hamburg, dazu. „Umso mehr brauchen wir gute Leute, die gute Kontakte mitbringen und etwas von der Materie verstehen.“

Vor allem das drohende Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission dürfte die Lotto-Lobbyisten auf Trab halten.

Dem Vernehmen nach dürfte Brüssel zunächst zwar auf die Liberalisierung des Marktes für Onlinecasinos und Sportwetten drängen. Doch „in vielen Landesregierungen und bei den Lotto-Gesellschaften fürchtet man einen Dominoeffekt“, sagt FDP-Mann Kubicki. Entsprechend hart wird seit Jahren um die Marktöffnung gerungen – mit fatalen Folgen.

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