Im Gegenzug ist auf die staatlichen Glücksritter oft Verlass, wenn die Landespolitik um Unterstützung bittet. Zwar hat jedes Bundesland eigene Regeln, wie die Lotto-Millionen unters Volk gebracht werden sollen. Doch es gibt Spielräume: Soll etwa bei der jährlichen Hengstparade des landeseigenen Gestüts etwas draufgesattelt werden oder fehlt Geld, um das Sommerfest der Landesvertretung in Berlin aufzupeppen, hilft Lotto aus. Auch der politische Frohsinn kommt nicht zu kurz – zumindest in Nordrhein-Westfalen, wo Westlotto für Karnevalspartys des Landtags schon mal närrische Orden spendiert.
Nicht minder generös geht’s im Hauptquartier der westfälischen Spielmacher in Münster zu. Vor dem schwarzen Klotz aus Beton und Glas wehen gelbe Flaggen mit dem Aufdruck „Jackpot“ im Wind. Im Foyer ist eine alte Lostrommel aufgebaut, aus der einst unter notarieller Aufsicht die Kugeln mit den Gewinnzahlen klackerten. Eine Etage darüber, im alten Auszählraum, werteten in prädigitalen Zeiten Hunderte Mitarbeiter mit Schablonen die Lottoscheine aus.
Heute ziert abstrakte Kunst die Wände, darunter ein 2,50 Meter breites Farbfeuerwerk des Künstlers Walter Stöhrer. Die Bilder gehören zur Kunstsammlung von Westlotto, die allerdings selbst eifrigen Museumsgängern bisher entgangen sein dürfte. Denn an den Bildern dürfen sich zwar Mitarbeiter und Gäste des Hauses erfreuen, nicht aber die Öffentlichkeit. Ausstellungen seien aktuell nicht geplant, heißt es bei Westlotto.
Sonderbare Wege nimmt das Lotto-Glück auch in der Hauptstadt. So liegen der Deutschen Klassenlotterie Berlin nicht nur die üblichen Sozial-, Kultur- und Sportakteure am Herzen, sondern auch die parteinahen politischen Stiftungen. Deren Projekte wurden seit 2006 mit insgesamt 27,5 Millionen Euro aus dem Berliner Lotto-Topf gepäppelt.
Verantwortlich für die Vergabe der Mittel ist der Stiftungsrat der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB). In dem Gremium sitzen neben Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) auch zahlreiche weitere Berliner Politiker. De facto nehmen damit Vertreter der Parteien Einfluss auf die Vergabe von Lotto-Millionen an ihnen nahestehende Stiftungen. „Die Stiftungen müssen sich in einem offenen Wettbewerb der Konkurrenz um die Lottomittel stellen und mit ihren Projekten überzeugen und nicht mit ihrer Parteinähe“, fordert Heiko Herberg, Parlamentarischer Geschäftsführer der Berliner Piraten-Fraktion.
Der Deutsche Lotto- und Totoblock (DLTB) will die Nähe zur Politik nicht kommentieren. Das sei Sache der einzelnen Gesellschaften. Die Position der Dachorganisation lässt beim Blick auf deren eigenes Personaltableau aber ohnehin kaum Fragen offen: So leitet Martin Stadelmaier, früherer Staatskanzleichef in Rheinland-Pfalz, die Hauptstadtrepräsentanz des DLTB. Zudem arbeitet eine Beratungsgesellschaft von Hamburgs Exbürgermeister Ole von Beust für den Lotto-Block.
„In der deutschen Glücksspielordnung ist derzeit viel Bewegung“, sagt Torsten Meinberg, Chef der derzeit federführenden DLTB-Gesellschaft Lotto Hamburg, dazu. „Umso mehr brauchen wir gute Leute, die gute Kontakte mitbringen und etwas von der Materie verstehen.“
Vor allem das drohende Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission dürfte die Lotto-Lobbyisten auf Trab halten.
Dem Vernehmen nach dürfte Brüssel zunächst zwar auf die Liberalisierung des Marktes für Onlinecasinos und Sportwetten drängen. Doch „in vielen Landesregierungen und bei den Lotto-Gesellschaften fürchtet man einen Dominoeffekt“, sagt FDP-Mann Kubicki. Entsprechend hart wird seit Jahren um die Marktöffnung gerungen – mit fatalen Folgen.