Die deutsche Volkswirtschaft dürfte relativ glimpflich davon kommen, wenn Großbritannien die Europäische Union verlässt. Laut einer Berechnung von Ökonomen des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo dürfte die jährliche Wirtschaftsleistung (BIP) um 0,1 bis 0,23 Prozent sinken. Auftraggeber der Forschungsarbeit war die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, der Fokus der Studie lag daher auf Hessen. Es handelt sich um die erste volkswirtschaftliche Studie eines Bundeslandes zu den Brexit-Folgen.
Am Finanzplatz Frankfurt wird der Brexit von Branchenlobbyisten als Chance gesehen, Konkurrenten von der Themse an den Main zu locken. Denn die in London angesiedelten Banken müssen sich einen Sitz in der EU suchen, wenn sie dort Finanzprodukte vertreiben wollen. Tatsächlich dürften aus diesem Grund laut ifo die Negativfolgen des Brexit in Hessen und in der Finanzmetropole weniger gravierend ausfallen als in anderen Bundesländern. Die hessische Finanzbranche trägt mit 15 Prozent stark zur Wirtschaftsleistung des Bundeslandes von insgesamt 300 Milliarden Euro im Jahr 2017 bei.
Laut IHK sei es aber ein Trugschluss, den Brexit als Chance für Hessen zu verkaufen. Der in Frankfurt stark vertretene Finanzsektor könne zwar profitieren. Doch böten weitere Paradebranchen des Bundeslandes Angriffsflächen für die negativen Brexit-Folgen. Hier geht es in erster Linie um den Autobau, die Chemie- und Pharmaunternehmen sowie den Maschinenbau und die Elektrotechnik.
Viele unter der britischen Marke Vauxhall verkaufte Autos sind laut IHK „Made in Hessen“, hergestellt bei Opel in Rüsselsheim. Auf Autos und Autoteile entfallen knapp 27 Prozent der hessischen Exporte in das Vereinigte Königreich. Entscheidend für das Schicksal des Rüsselsheimer Opel-Werks ist allerdings nicht allein der Brexit, sondern in erster Linie der neue französische Eigentümer PSA.
Die hessischen Pharmaunternehmen haben gegenüber der IHK durchblicken lassen, das Zölle für den Handel mit Großbritannien nicht das große Problem wären, da diese Abgaben im internationalen Vergleich recht niedrig seien. Was den Pharmariesen mehr Kopfzerbrechen bereitet, sei der steigende Aufwand bei der Zulassung von Medikamenten. Großbritannien wird nämlich aus dem einheitlichen EU-Zulassungsverfahren ausscheiden.
Wie sagen die Briten Goodbye?
EU-Mitgliedschaft: Großbritannien tritt im März 2019 aus, ohne mit der Staatengemeinschaft eine Vereinbarung zu treffen. Sofern sich beide Seiten auf eine Übergangsperiode verständigen, gelten die alten EU-Regeln etwas länger.
Binnenmarkt: Weil die Regeln der WTO Anwendung finden, gibt es anschließend im Handel mit dem Kontinent Ein- und Ausfuhrzölle.
Freizügigkeit: EU-Bürger genießen in Großbritannien keine Freizügigkeit mehr und Briten auch nicht mehr in der EU.
EU-Mitgliedschaft: Die Briten treten zwar aus der Staatengemeinschaft aus, werden aber Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (wie Norwegen). Sie zahlen weiter in den EU-Haushalt ein. Denkbar ist auch ein Freihandelsabkommen, wie es die EU und Kanada abgeschlossen haben.
Binnenmarkt: Großbritannien hat weiterhin vollen Zugang zum Wirtschaftsraum, sodass es keine Zölle gibt.
Freizügigkeit: Die Briten akzeptieren die Freizügigkeit von EU-Bürgern, können die Zuwanderung also nicht kontrollieren.