Regierungsbildung in Italien „Chaotischer kann es eigentlich nicht werden“

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Steuer-Flatrate, Stabilitätspakt aufweichen, Privatisierungen

Steuer-Flat
Neben der konsequenten Hatz gegen Flüchtlinge hat der kleinere Regierungspartner, die Lega, kein inhaltliches Thema in den vergangenen Jahren so verfolgt, wie eine Steuer-Flatrate. Auch bei den Cinque Stelle gibt es Sympathien dafür. Das Problem dürfte hier nicht das System an sich sein – sondern die Höhe des Einheitssatzes für die Einkommenssteuer. Lega-Chef Matteo Salvini warb für 15 Prozent.

Das wäre in der Tat finanzieller Selbstmord für den italienischen Staat, der schon jetzt mit 133 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verschuldet ist – Europa-Rekord. In den Regierungsverhandlungen wurde deswegen munter über die Höhe des Einheitssatzes gestritten.

Investieren und Konsumieren
Als der Komiker Beppe Grillo die Cinque Stelle einst gründete, hatte er neben der Wut auf „die da oben“ vor allem einen Programmpunkt im Repertoire: Italiens Austritt aus dem Euro. Das hat di Maio längst kassiert. Statt aus der Gemeinschaftswährung will er „nur“ aus den gemeinschaftlichen Stabilitätskriterien aussteigen. Dass eine Regierung di Maio-Salvini die so genannten Austeritäts-Regeln nach deutschen Vorstellungen einhält, gilt als ausgeschlossen.

In der Tat haben aber auch alle anderen italienischen Parteien diese Regeln als obsolet gebrandmarkt. Und auch jenseits der neuen italienischen Regierung gibt es mit dem französischen Präsidenten Emmanuelle Macron Sympathien dafür, den Stabilitätspakt neu zu verhandeln.

Keine Privatisierungen
Der bisherige Finanzminister Pier Carlo Padoan hatte einen klaren Plan: Privatisierungserlöse über mehr als 50 Milliarden Euro sollten bis 2020 dabei helfen, Italiens Staatsfinanzen ins Gleichgewicht zu bringen. Dafür wollte er vor allem Anteile der Post und des Bahnbetreibers Trenitalia an die Börse bringen.

Dass die neue Regierung das weiterverfolgt, gilt als unwahrscheinlich. Die Frage ist aber, welche praktischen Auswirkungen das hat. „Diese Erlöse waren völlig unrealistisch“, sagt der ehemalige italienische Sparkommissar Carlo Cottarelli. Und ein Mailänder Wettbewerbsrechtler sagt: „Die Privatisierungsschritte waren so unattraktiv konzipiert, dass es ohnehin kaum Interesse gegeben hätte.“

Und nun?
Das kommt drauf an. Natürlich kann ein Horror-Szenario aus außen- und gesellschaftspolitischer Krawallpolitik und ökonomischem Voodoo eintreten. Vor allem die Persönlichkeiten der beiden Führungsfiguren sprächen dafür. Andererseits ist es alles andere als ausgemacht, ob das sich anbahnende Regierungsbündnis wirklich schlechter für das Land ist als die vorangegangenen Koalitionen. Chaotischer kann es kaum werden.

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