
WirtschaftsWoche Online: Herr Schäffler, Sie kommentieren die Entwicklungen in der Euro-Zone oft mit einem ironischen „Alles wird gut“. Müssen sie den ironischen Unterton bald weglassen, schließlich gibt es erste Erfolgsmeldungen aus Griechenland?

Frank Schäffler: Ich würde mich freuen, wenn es Griechenland bald wieder besser gehen würde. Aber das sehe ich überhaupt nicht. Was für Erfolgsmeldungen gibt es denn? Griechenland behauptet, Ende des Jahres wieder einen ausgeglichen Primärhaushalt vorweisen zu können. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird man sehen. Ich bin mir da nicht so sicher. Doch selbst wenn dem so ist, ist das längst keine Trendwende. Denn die Kosten für die Zinszahlungen, sowie die Etats von Kommunen, Regionen und Sozialversicherung werden im Primärhaushalt nicht berücksichtigt. Unterm Strich steigen die Schulden des Landes weiter, bis zum Ende des Jahres auf über 170 Prozent der Wirtschaftsleistung. Diese Last kann Griechenland niemals tragen. Hinzu kommt: Die Wirtschaft schrumpft ununterbrochen weiter – und auch die Hilfsgelder aus dem zweiten Rettungspaket werden aller Voraussicht nach nicht reichen.
Herr Otte, schafft Griechenland die Wende – oder droht das Land zu scheitern?

Max Otte: Griechenland droht nicht zu scheitern, es ist längst gescheitert. Die Wirtschaftsleistung des Landes ist seit dem Ausbruch der Krise um 25 Prozent zurückgegangen. Die Mittelschicht verarmt. In Thessaloniki bringen Eltern zum Teil ihre Kinder ins Waisenhaus weil sie sie nicht mehr ernähren können. Es ist ein Drama, was in dem Land passiert.
Frank Schäffler: Genau deswegen müssen wir Griechenland die Chance für einen Neuanfang geben. Wenn die Wirtschaft in einem Land wegbricht und keiner mehr investiert, dann können sie den Niedergang durch Transferzahlungen verlangsamen. Aber die Mittel, die nötig sind, werden sie auf Dauer nicht stemmen können. Wir brauchen eine atmungsaktive Währungsunion. Wenn ein Teil der Länder um einen zweistelligen Bereich schrumpft, während wirtschaftlich starke Nationen wachsen, wird der Spannungsbogen immer größer. Das wird man auf Dauer nicht ausgleichen können.
Zu den Personen
Max Otte ist Professor für Betriebswirtschaftslehre. Der 48-Jährige prognostizierte in seinem Buch „Der Crash kommt“ im Sommer 2006 die internationale Finanzkrise. Otte studierte unter anderem in Princeton beim heutigen Fed-Chef Ben Bernanke. Neben seiner Tätigkeit als BWL-Dozent ist Otte als Vermögensverwalter tätig.
Frank Schäffler ist FDP-Bundestagsabgeordneter aus Bünde. Der 45-jährige Finanzexperte ist gelernter Betriebswirt und arbeitete bis 2010 als selbständiger Finanzberater. Er stellte sich gegen den Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM) und versuchte auf dem Parteitag der FDP 2011, eine Mehrheit gegen den Rettungsfonds zu mobilisieren. Dieser Versuch scheiterte.
Max Otte: Hinzu kommt: Die ganzen Rettungsmilliarden der Euro-Partner haben den Menschen in Griechenland überhaupt nichts gebracht. Die griechischen Staatsschulden lagen zu Beginn der Euro-Krise zum Großteil im eigenen Land. Als der Staat kurz davor war, seine Schulden nicht mehr bedienen zu können, kamen die Banken, der größte Geldgeber der Regierung, ins Wanken. Doch wem gehören die Banken? Den zehn großen, milliardenschweren Familien, die in Griechenland seit Jahrzehnten das Sagen haben. Mit dem ersten Rettungspaket für Griechenland wurde nicht das Land gerettet, sondern die Besitzer der Banken, also: die großen Dynastien. Wer wirklich den Menschen vor Ort helfen will, der muss für einen Euro-Austritt des Landes sein. Nur so gibt es die Chance, per Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Investoren anzuwerben und die Menschen wieder in Arbeit zu bekommen.