Schui: Ich sehe das ganz anders. Die Konjunkturprogramme waren zu klein, haben aber dennoch positiv gewirkt: Die Wirtschaft wurde gestärkt, Massenarbeitslosigkeit verhindert. Hätte man auf europäischer Ebene in koordinierter Form ähnlich gehandelt, wäre die ökonomische Krise nun viel kleiner. Aber es ist noch nicht zu spät: Wenn Deutschland ein neuerliches Konjunkturprogramm auflegt und den Konsum der Deutschen anstößt, könnte ganz Europa davon profitieren.
Wenn Sie denn südeuropäische und nicht deutsche Produkte kaufen...
Schui: Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, die Konjunktur anzukurbeln. Sie können – ähnlich wie bei der Abwrackprämie – Subventionen bei Neuanschaffungen bereitstellen. Oder die Steuern werden gesenkt. Oder – und dafür plädiere ich – die Löhne steigen. Mir ist bewusst, dass das keine staatliche Aufgabe ist, sondern die Tarifparteien dafür verantwortlich sind. Aber ähnlich wie die Bundesbank könnte die Regierung eine Diskussion um höhere Löhne anstoßen. Außerdem kann die Politik die Instrumente nutzen, die sie hat: etwa Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären und den Mindestlohn anheben. Im Übrigen würde ein Konjunkturprogramm die Arbeitslosigkeit in Deutschland weiter reduzieren und damit die Verhandlungsposition der Gewerkschaften in Tarifverhandlungen stärken.
So lange arbeiten wir nur für den Staat
Zählt man alle Abgaben, direkten und indirekten Steuern zusammen, lässt sich ausrechnen, bis zu welchem Tag im Jahr wir statistisch gesehen nur für Staat und Sozialkassen arbeiten. Im Schnitt aller Einkommensgruppen ist dieser „Steuerzahlergedenktag“, wie ihn der Steuerzahlerbund getauft hat, 2013 am 8. Juli.
1960: 27. Mai
1970: 9. Juni
1980: 3. Juli
1990: 24. Juni
2000: 19. Juli
2010: 29. Juni
2011: 5. Juli
2012: 8. Juli
2013: 8. Juli
Quelle: Bund der Steuerzahler
... zahlt ein Hartz-IVEmpfänger mit einem Regelsatz von 382 Euro, an den Staat
... arbeiten ein Ehepaar oder ein Alleinverdiener mit zwei Kindern mit einem Haushaltseinkommen von 4190 Euro, für den Staat
... arbeitet ein Ehepaar als Doppelverdiener im Eigenheim mit zwei Kindern und einem Haushaltseinkommen von 13.630 Euro, für den Staat
... arbeitet ein Single mit einem Haushaltseinkommen von 5760 Euro, für den Staat
... arbeitet ein Unternehmer mit 100 Millionen Euro Umsatz und 5,4 Millionen Euro Gewinn vor Steuern, für den Staat
In der Folge würde sich die Arbeit in Deutschland verteuern. Das Land verliert an Konkurrenzfähigkeit.
Schui: In Deutschland haben sich die Löhne nicht im gleichen Maße wie die Produktivität entwickelt. Die Bundesrepublik war zu günstig. Das geht zulasten der südeuropäischen Wirtschaften. Eine Korrektur wäre demnach dringend geboten. Zumal: Deutschland muss und sollte ein Interesse daran haben, dass es Europa gut geht und es hat auch ein ganz eigenes Interesse daran die Binnennachfrage zu stärken, um das Wachstum zu stärken.
Osbild: Europa hat nichts davon, wenn Deutschland teurer wird. Die Schwächeren sollten sich an den Stärkeren orientieren und nicht andersherum. Denn die deutschen Exporteure stehen nicht nur im Wettbewerb mit europäischen Firmen, sondern müssen global konkurrenzfähig sein. Zudem: Löhne werden in Hunderten von Regionen in Dutzenden von Branchen ausgehandelt. Wenn man nun das Ergebnis sicherstellen wollte, dass die durchschnittliche Erhöhung in Deutschland x Prozent über der der Krisenländer liegen solle, erforderte dieses eine riesige Kontrollbehörde. Brüssel würde de facto auch noch die Löhne diktieren. Das würde die Akzeptanz der Währungsunion und sogar der Europäischen Union extrem gefährden.
Die zehn wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Unter den Top 10 der wettbewerbsfähigsten Ländern befinden sich gleich drei skandinavische Staaten. Den Anfang macht Norwegen auf Rang 10. Damit verliert das Land im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze. Nahezu unschlagbar ist Norwegen in den Punkten gesellschaftliche Rahmenbedingung, Produktivität und Effizienz, sowie politischer Stabilität. Doch die Steuerlast und die Einkommen sind sehr hoch. Das macht es für Unternehmen in dem Land schwer, konkurrenzfähige Preise zu bieten.
Neu vertreten unter den zehn wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt ist Dänemark. Die Skandinavier klettern um drei Plätze nach oben. Das Land weist die geringste soziale Ungleichheit auf (Rang eins beim Gini-Index), kennt das Wort Korruption praktisch nicht (Rang eins) und hat einen äußerst flexiblen Arbeitsmarkt (Rang zwei). Auf der Negativseite steht die hohe Besteuerung von Konsumgütern (Rang 49) und dem Einkommen (Rang 59) .
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate verteidigen ihren Platz in den Top 10. Von Platz 16 im Jahr 2012 ging es 2013 und 2014 hoch auf Rang acht. Die Emirate gelten als der Knotenpunkt für Tourismus, Handel und Luftfahrt. Im Ranking punkten die Arabischen Emirate besonders mit den Unternehmenssteuern (Platz eins im weltweiten Vergleich), den Umsatzsteuern (Platz eins), der Einkommenssteuer (Platz eins), den Sozialversicherungsbeiträgen, der Bürokratie und dem Altersdurchschnitt der Gesellschaft. Auch beim Image, der Erfahrung und der Bereitschaft, ausländische Fachkräfte anzuheuern, kann das Land punkten. Mau sieht es dagegen mit der Beschäftigungsrate von Frauen aus.
Kanada festigt den siebten Platz. Das Land gilt wegen seiner Facharbeiter, der politischen Stabilität, dem hohen Bildungslevel, der guten Infrastruktur und dem unternehmerfreundlichen Umfeld als besonders attraktiv für Unternehmen.
Gleich drei Ränge nach oben geht es für Deutschland. Der positive Trend setzt sich damit fort. Berlin belegte im Jahr 2007 noch Rang 16. Besonders gut steht Deutschland unter anderem bei der Jugendarbeitslosigkeit (weltweit Rang fünf), Export (weltweit Rang drei) und der Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeit (Rang zwei) da. Auch bei Ausbildung und Lehre (Platz eins), Fortbildungen (Platz zwei), Produktivität der Arbeitskräfte und kleinen und mittelständischen Unternehmen (jeweils Platz eins) macht Deutschland keiner etwas vor. Bei Sozialversicherungsbeiträgen (Rang 54), Arbeitsstunden (Rang 53) oder dem Ausbau von Highspeed-Breitband (Rang 53) kann Deutschland noch etwas lernen.
Schweden kommt in dem internationalen Vergleichsranking als zweitbeste europäische Nation auf einen guten fünften Platz. 2013 hatte es zwar noch für Rang vier gereicht, dennoch ist das nordische Land optimal für den globalen Wettbewerb aufgestellt - ganz anders als etwa 2007, als das Land nur Platz 19 belegte. Besonders in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Management und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist das skandinavische Land unschlagbar. Auch die Produktivität der Firmen und das Finanz-Know-How sind weltspitze.
Um einen Platz nach unten geht es für die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong. 2012 hatte es die chinesische Metropole noch auf Platz eins geschafft. Unternehmen aus aller Welt schätzen Hongkong besonders wegen der attraktiven und wettbewerbsfähigen Besteuerung der Unternehmen, dem wirksamen Rechtssystem, der unternehmerfreundlichen Umgebung, der verlässlichen Infrastruktur und der dynamischen Wirtschaftsentwicklung. Ganz gut steht Hongkong auch bei der Höhe der Steuersätze für die Bürger, dem Bank- und Finanzsektor sowie den Direktinvestitionen da.
Vom fünften auf den dritte Platz geht in diesem Jahr für Singapur. Das asiatische Land wird von Unternehmen wegen seiner kompetenten Regierung, der verlässlichen Infrastruktur, dem wirksamen Rechtssystem und dem stabilen politischen System sowie seiner Unternehmerfreundlichkeit geschätzt.
Der zweite Platz geht - wie im Vorjahr - an die Schweiz. Der kleine Alpenstaat mit seinen nur rund acht Millionen Einwohnern punktet besonders mit sehr gut ausgebildeten Fachkräften und hohen wissenschaftlichen Standards. Unternehmen aus aller Welt schätzen die politische Stabilität in der Schweiz genauso wie die gut ausgebildeten Arbeitskräfte vor Ort, die hohe Bildung, die herrschenden Steuersätze und die verlässliche Infrastruktur.
Die wirtschaftlich stärkste und wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Zu diesem Ergebnis kommt das IMD World Competitiveness Center in seiner aktuellen Vergleichsstudie. Demnach punktet die US-Amerikaner mit einer dynamische Wirtschaft, qualifizierten Arbeitskräften, den guten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, sowie den starken Fokus auf Forschung und Entwicklung.
Schui: Die Kritiker der Spar- und Europolitik widersprechen sich selbst. Einerseits fürchten Sie Lohnerhöhungen. Andererseits erklären Sie, eine Rückkehr zur D-Mark – und die dann zu erwartende Aufwertung – sei ungefährlich, da die deutsche Wirtschaft stark genug sei. Da komme ich nicht mehr mit.