Von der Leyen bei Joe Biden „Das schafft Chaos“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den Streit um den IRA beenden Quelle: dpa Picture-Alliance

Die EU-Kommissionspräsidentin will eine gesichtswahrende Lösung im Streit um den Inflation Reduction Act finden. Doch für europäische Unternehmen werden viele Probleme bleiben, prognostiziert der Ökonom David Kleimann.

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WirtschaftsWoche: Herr Kleimann, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen trifft am Freitag US-Präsident Joe Biden, um den Streit um Inflation Reduction Act (IRA) zu beenden. Was erwarten Sie von dem Gespräch?
David Kleimann: Die Anzeichen verdichten sich, dass Präsidentin von der Leyen in Washington einen Raw Materials Club vorstellen wird. Dabei handelt es sich um eine recht inhaltsleere Vereinbarung mit ein paar Klauseln zu Nachhaltigkeit und Arbeitsrecht, aber keinem neuen Marktzugang für die Europäer. Das soll als Freihandelsabkommen durchgehen, damit die EU im IRA bessergestellt wird. Europäische Unternehmen müssten dann etwa die US-Vorgaben für heimische Anteile bei Batterieteilen und kritischen Mineralien nicht mehr erfüllen.

Das klingt ja erst einmal positiv. Reicht das aus?
Ich befürchte, dass dieses Abkommen europäischen Unternehmen wenig Vorteile bringen wird. Die Auflage, dass E-Autos in den USA zusammengebaut werden müssen, bleibt weiterhin bestehen. Zuschüsse für Investitionen und Produktion Clean Tech bleiben ebenfalls ein großes Problem. Wir werden auf dem Papier eine schöne Lösung bekommen, aber die Benachteiligung der Europäer durch den IRA wird nicht wirklich gelöst. Auch wenn von der Leyen den Termin als politischen Erfolg verkaufen wird.

Gerüchten zufolge will die Bundesregierung gegen den chinesischen Mobilfunkanbieter Huawei vorgehen, um Zugeständnisse bei IRA zu erreichen. Gleichzeitig wollen die USA Sanktionen gegen China verhängen, weil das Land angeblich Russland Waffen geliefert hat. Wie wird von der Leyen mit dem Thema China in Washington umgehen?
Von der Leyen hat einen deutlichen Schwenk vollzogen. Sie stellt China als Problem dar und will sich mit den USA nicht anlegen. Wir haben das zunächst bei ihrer Rede in Davos im Januar gesehen und dann im Industrieplan für den Green Deal im Februar. Nach dem, was zu hören ist, wird sich von der Leyen am Freitag noch deutlicher zu einer transatlantischen Allianz bekennen. In ihrem engsten Beraterkreis dominieren offenbar die Sicherheitsexperten, die transatlantischen Ideologen. Die Handelsexperten der Kommission tun sich schwer, mit ihren Botschaften durchzudringen.

Ökonom David Kleimann Quelle: PR

David Kleimann

Wird Von der Leyen dem Druck nach Sanktionen gegen China nachgeben?
Darüber entscheiden letztendlich die Mitgliedsstaaten hören. Wir haben vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron und von Bundeskanzler Olaf Scholz gehört, dass Abkoppeln von China keine Option ist.

Europäische Politiker haben es gerade nicht leicht. Im kommenden Jahr steht die Europawahl an. Gleichzeitig drohen Konzerne mit Abwanderung und erwarten hohe Subventionen. Wie soll Brüssel damit umgehen?
Wenn ein Konzern wie Volkswagen Investitionen für eine Produktionsstätte in Osteuropa aussetzt, weil man die Antwort der EU auf den IRA abwartet, dann ist das ein starkes Stück. Konzerne spielen jetzt das Spiel um Subventionen, das am Schluss die Steuerzahler teuer kommt. Am besten sollte man bei den G7 und bei der OECD über das Thema reden, um einen weltweiten Subventionswettlauf zu vermeiden. Die WTO wäre natürlich auch ein Gremium, in dem das angesprochen werden sollte. Aber wir wissen ja, in welch schwachem Zustand sich die Organisation leider befindet.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besucht am Freitag Washington. Sie will den USA letzte Zugeständnisse bei der Implementierung des umstrittenen Inflation Reduction Acts abringen.
von Julian Heißler

Sind die Drohungen europäischer Konzerne denn ernst zu nehmen? Sind die USA so attraktiv wie gerne dargestellt?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Die leicht erhältlichen Subventionen in den USA sind ja an enge Vorgaben geknüpft. Dort gibt es auch Engpässe bei der Versorgung mit kritischen Rohmaterialien aus China. Unternehmen können also nicht nur auf die Summen starren, die ins Schaufenster gestellt werden, sondern müssen das gesamte regulatorische Umfeld betrachten. Wir sehen großes Interesse an Investitionen in den USA, gleichzeitig sehen wir aber, dass Projekte trotzdem nicht in Gang kommen.

Die EU-Kommission will, dass konkrete Subventionszusagen aus den USA in Europa mit einem Gegenangebot gekontert werden können. Eine gute Idee?
Ich bin dafür offener als viele meiner Kollegen. Das ist ein Weg, Unternehmen in Europa zu halten. Man muss natürlich genau prüfen, welche Zusagen sie in den USA erhalten haben. Aber dieses sogenannte Matching beruhigt die Märkte. Wir kennen das ja von Finanzmärkten, dass mit Garantien Panik verhindert werden kann. Da geht es um Psychologie.

Kommende Woche wird die EU-Kommission in ihrer Antwort auf den IRA spezifische Produktionsvorgaben für heimische Clean Tech und Rohmaterialien vorschlagen. Eine gute Idee?
Das ist kein guter Weg, wir wissen, was solche starren Vorgaben mit Märkten und Preisen macht. Das schafft Chaos. Ich wundere mich übrigens, dass wir eine solche Industriepolitik präsentiert bekommen, ohne dass die EU-Kommission dafür eine Gesetzesfolgenabschätzung vorlegt. Das ist ein massiver Eingriff in die europäische Wirtschaftsordnung und die Zivilgesellschaft bekommt keine Chance, sich einzubringen.

Gemeinsam mit Ihren Kollegen von Bruegel haben Sie in einem Papier gefordert, dass die Wettbewerbsfähigkeit Europas steigen muss. Wie kann das gelingen?
Ein guter Ansatz zeigt der Net Zero Industry Act, der kommende Woche vorgestellt wird:  Die Beschleunigung von Genehmigungen. Das hören wir immer wieder, wenn wir uns mit Unternehmen unterhalten. Europa muss Bürokratie abbauen. Grüne Beschaffung ist sicherlich auch ein guter Ansatz.

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Und was sollte die EU auf jeden Fall vermeiden?
Wir sollten nicht die Beihilferegeln lockern. Es gibt jetzt schon reichlich Ausnahmen im Bereich Clean Tech. Viele Leute wissen das nur nicht. Wenn wir noch mehr Ausnahmen erlauben würden, dann werden große und kleine Mitgliedsstaaten noch weiter auseinanderdriften. Unsere Untersuchungen dazu zeigen,  dass große Länder selbst relativ mehr ausgeben.

Lesen Sie auch: Die transatlantische Spannung zwischen den USA und der EU wird zum Problem

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