Leere Gondeln, stornierte Ware Bringt Covid-19 Italiens Wirtschaft zu Fall?

Das Colosseum spiegelt sich in einer Pfütze in Rom, in der auch ein Mundschutz liegt. Quelle: AP

Nur für Weihnachten oder Silvester haben die Hotels in Venedig noch Anfragen: Das neuartige Coronavirus schreckt Touristen und Importeure ab. Das trifft die ohnehin strauchelnde italienische Wirtschaft schwer.

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Leere Hotelzimmer, leere Gondeln, Angst vor Äpfeln und Käse aus Italien: Die Coronavirus-Krise trifft eine strauchelnde Region ins Mark. Die drittgrößte Volkswirtschaft der EU leidet schon seit langem unter ihrem langsamen Wachstum. Und jetzt noch das Coronavirus.

Tausende Infektionen mit dem neuartigen Virus sind in Italien bestätigt, bei erschreckend hohen Todeszahlen. Betroffen sind vor allem Gegenden im Norden, wo sich die Industrie ballt, das Finanzherz des Landes schlägt und bei Touristen so beliebte Städte wie Venedig und Mailand liegen.

Am Sonntag verkündete die Regierung für die kommenden Wochen nun noch drastischere Maßnahmen als ohnehin schon galten: Die Lombardei und 14 Provinzen im Norden sind bis Anfang April weitgehend abgeriegelt. Ein- und Ausreise werden nur noch aus besonderen Gründen erlaubt. Betroffen ist ein Gebiet mit rund 16 Millionen Menschen – ein Viertel der Einwohner Italiens.

Der Tourismus liegt brach

Schon vor diesen drastischen Schritten war die Tourismusbranche in Norditalien zusammengebrochen. Und auch für die Zeit nach der Quarantänefrist ist kein Licht in Sicht. „Ich bekomme bis in den Juni hinein Absagen“, sagt Stefania Stea, Inhaberin zweier Hotels in Venedig. Die Absage des Karnevals hatte die Stadt innerhalb eines Nachmittags leergefegt und die Bettenbelegung auf noch nie dagewesene ein bis zwei Prozent gedrückt.

Harvard-Ökonom Jeffrey Frankel prognostiziert: Die Folgen der Coronavirus-Epidemie für die Weltwirtschaft werden härter sein als bei früheren Seuchen – zumal zugleich die Handelskonflikte weiter schwelen.

Steas Zimmer stehen leer. Auf 7000 bis 10.000 Euro Verlust beziffert sie die Auswirkung der Absagen – pro Tag. „Die einzigen Reservierungen, die reinkommen, sind für Weihnachten oder Silvester, und da hoffen die Leute auf ein Schnäppchen“, sagt die Vizepräsidentin des Hoteliersverbands der Lagunenstadt.

Allein für das zweite Quartal dieses Jahres, noch vor der alles entscheidenden Sommersaison, erwarten die Tourismusbehörden 32 Millionen weniger Besucher aus dem Ausland und Verluste von 7,4 Milliarden Euro. Dafür machen Vertreter der Branche auch eine verwirrende und panikschürende Medienberichterstattung mitverantwortlich. „Leider zahlen wir den Preis für eine Berichterstattung, die viel tödlicher ist als das Virus“, sagt Luca Patane, Präsident des Tourismusverbandes Confturismo-Confcommercio.

Auch die Luxusartikel-Industrie ist schwer getroffen. Die Shopper im Mailänder Monte-Napoleone-Bezirk und in der römischen Via Condotti bleiben aus, auch der Export bricht ein. Schon bevor das neuartige Coronavirus in Italien auftauchte, stellte sich die Luxusgüter-Branche wegen nachlassender chinesischer Nachfrage auf ein Minus von zwei Prozent im ersten Halbjahr ein. An chinesische Konsumenten geht rund ein Drittel der weltweiten Verkäufe von Luxusartikeln.

Nun zieht das Virus Kreise in weiteren Exportmärkten: „Es beginnt, sich auf Japan und Korea auszuwirken, und wird mit der weiteren Verbreitung des Virus höchstwahrscheinlich auch Europa und andere Länder treffen“, sagt Federica Levato von der Unternehmensberatung Bain. Die Gruppe hält derzeit dennoch an ihrer Prognose eines jährlichen Wachstums von drei bis fünf Prozent in der Branche fest. Denn sie hofft auf Erholung. Nach der Sars-Epidemie 2003 hätten die Käufe wieder angezogen, sobald die Krise vorbei war, sagt Levato.

Auch der Export wackelt

Derweil belastet das Virus aber auch weitere Bereiche der italienischen Wirtschaft schwer. Von Exporteuren und Behörden kommen Berichte, wonach Bezieher im Ausland mittlerweile Garantien fordern, dass die Ware virusfrei ist. So meldete die Agrarvereinigung Coldiretti vergangene Woche, dass Importeure „ungerechtfertigte Dokumentationen“ verlangt hätten. Genannt wurden Fälle von Käse für Griechenland, Salat für Polen und Obst für Kuwait. Und Lieferungen italienischer Äpfel seien an der ukrainischen Grenze blockiert worden.

Der dramatische Ausverkauf an den Börsen geht weiter. Der US-Leitindex Dow Jones verlor zu Handelsbeginn 7,2 Prozent, der Dax verzeichnet das größte Minus seit dem 11. September 2001. Parallel brach der Ölpreis ein.

Produzenten hätten zudem „zahlreiche Abbestellungen ohne triftigen Grund“ bekommen, erklärte Coldiretti. Betroffen seien eine ganze Reihe von Produkten „Made in Italy“, von Wein bis zu Pökelfleisch. Der italienische Nahrungsmittel-Export-Sektor ist bedroht.

Skeptische Nachfragen und Forderungen wurden auch aus anderen Branchen gemeldet. Ein Stahlunternehmen berichtete beispielsweise, dass ein deutscher Kunde die Desinfizierung der Container verlangt habe.

Mit dem derzeitigen medizinischen Stand trifft sich das nicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat betont, dass die Verbreitung des neuen Coronavirus von Mensch zu Mensch erfolgt, vor allem über Tröpfcheninfektion. Auch Schmierinfektion wird angenommen, aber es gebe keinerlei Hinweise, dass sich das Virus über unbelebte Oberflächen wie Pakete oder in Containern weiterverbreite. Es gebe auch keine Hinweise, dass Lebensmittelprodukte ein Risiko darstellen könnten.

Auch Italiens Außenminister Luigi Di Maio protestiert: „Es ist nicht akzeptabel, italienische Produkte zu blockieren oder ein Garantiezertifikat zu verlangen, das über die Handelsvereinbarungen hinausgeht“, sagt er. „Handelsware hat nichts mit dem Virus zu tun.“

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