Rohstoffpreise Das erzählt Kupfer über die Konjunktur

Quelle: imago images

Der Kupferpreis gilt traditionell als Frühindikator für die Konjunktur. Jetzt ist er in nur einem Monat um fast 19 Prozent eingebrochen – das Signal für eine unmittelbar bevorstehende Rezession?

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Mit Konjunkturindikatoren ist es so eine Sache. Die einen kommen mit Verzögerung, andere beruhen auf subjektiven Umfragen, wieder andere müssen nachträglich revidiert werden. Viele Prognostiker suchen daher nach Hilfsgrößen im großen Pool volkswirtschaftlicher Daten, um ihre Analysen zu unterfüttern. Womit wir beim Kupferpreis wären.
Das rötliche Schwermetall, das vor allem aus Chile, Peru, China und dem Kongo kommt, ist ein wichtiger Grundstoff für Energiewirtschaft, Baubranche und Industrie. Da liegt die Vermutung nahe, dass eine sinkende Nachfrage nach diesem Rohstoff (und daraufhin sinkende Preise) auf eine geringere wirtschaftliche Aktivität in diesen Branchen hinweist – und umgekehrt. Was Prognostikern dabei besonders gefällt: Der Kupferpreis ist nicht revisionsanfällig und steht mit Tageswerten deutlich früher zur Verfügung als andere Indikatoren.

„Der Kupferpreis ist ein ernst zu nehmender Indikator der globalen Konjunktur“

In Börsenkreisen wird Kupfer mit Blick auf seine Prognosefunktion gern „Dr. Copper“ genannt. Wie verlässlich sich aus veränderten Kupfernotierungen Rückschlüsse auf die Weltwirtschaft ziehen lassen, hat bereits 2015 das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) im Auftrag der WirtschaftsWoche analysiert. Als Zielvariable und Kennziffer der Weltkonjunktur diente die Industrieproduktion in den OECD-Ländern; mithilfe mathematischer Regressionsanalysen ermittelte das RWI für den Zeitraum 1997 bis 2015, wie eng Industrieproduktion und Kupferpreis zusammenhängen.

Ergebnis: Der Kupferpreis wies eine signifikante Korrelation mit der Weltkonjunktur auf. Die Stärke des Zusammenhangs im Zeitablauf schwankte zwar, blieb aber über Zehnjahreszeiträume hinweg aussagekräftig. Besonders stark harmonierten Kupferpreis und Industrieproduktion Mitte der Neunzigerjahre. Fazit der Wissenschaftler: „Der Kupferpreis ist ein ernst zu nehmender Indikator der globalen Konjunktur, den der Analytiker in seinem Instrumentenkasten haben sollte.“

Eine aktuelle Analyse des Bankhauses M.M.Warburg für die WirtschaftsWoche kommt – mit Einschränkungen – jetzt zu einem ähnlichen Ergebnis. Zwar sei der Kupferpreis „durch eine hohe Volatilität gekennzeichnet, was eine eindeutige Identifizierung von Wendepunkten erschwert und zu Fehlsignalen führt“, schreibt M.M.Warburg-Ökonom Mark Simon Landt.

Vor der US-Rezession 1990 etwa stieg der Kupferpreis untypischerweise. Doch „im Vorlauf von anderen Rezessionen wie zum Beispiel im Zuge der Dotcom-Blase wurde Kupfer seinem Namen Doctor Copper gerecht“, so das Fazit der Bank. Der Kupferpreis habe nicht zuletzt „die Rezession im Zuge der globalen Finanzkrise 2007/2008 vorweggenommen“. Damals fielen die Notierungen zwischen Juli 2007 bis November 2007 um rund 15 Prozent - einen Monat später begann in den USA die Rezession.



Freilich entsteht beim Kupferpreis – wie bei allen Preisindikatoren – ein grundsätzliches Problem, wenn sich die Angebotsbedingungen ändern. Werden neue Vorkommen erschlossen oder sinkt der Rohstoffabbau durch Naturkatastrophen oder Streiks, kommt es zu Preisveränderungen am Markt, die mit der Konjunktur nichts zu tun haben. Aktuell warnen Analysten, dass sich infolge des sinkenden Preises die Anreize zur Erschließung neuer Vorkommen verflüchtigen und es zu einer Verschiebung geplanter Förderprojekte kommen könnte – mit langfristigen Folgen für das Weltmarktangebot. Zugleich sinkt in einigen Industriebereichen die Bedeutung von Kupfer, während die Nachfrage nach dem Leichtmetall Aluminium wächst, etwa in der Konsumgüterindustrie.

Auch die immer dominantere Rolle Chinas am Rohstoffmarkt schwächt die Prognosefähigkeit des „Konjunkturmetalls“ Kupfer. Das Reich der Mitte ist mittlerweile der weltgrößte Kupferimporteur. Änderungen des Preises lassen sich daher nach Ansicht mancher Analysten vornehmlich als Frühindikator für die chinesische Konjunktur heranziehen.

Die globale Corona-Krise jedenfalls findet sich im Kupferpreis nicht durchgängig wieder (siehe Grafik). Erst mit dem russischen Überfall auf die Ukraine scheint sich wieder ein stärkerer Gleichklang von Konjunktur und Kupfer einzustellen. Allein in den vergangenen vier Wochen ist der Preis des Metalls um rund 19 Prozent abgesackt. „Der starke Preisrückgang lässt sich auf Rezessionsängste der Marktteilnehmer zurückführen“, ist sich Daniel Briesemann sicher, Rohstoffanalyst der Commerzbank. Der Verfall des Kupferpreises könne mithin „als Signal für eine Wirtschaftsabkühlung oder gar einen Wirtschaftsabschwung angesehen werden.“

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