Staatsschulden nach der Krise Eine Reform des Euro sollte nicht ausgeschlossen werden

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Folgen für die Finanzmärkte

Die Unsicherheit über den Verlauf der Pandemie und die wirtschaftspolitischen Reaktionen haben zu einem steilen Anstieg der Nachfrage nach Liquidität geführt. Die Aktienmärkte sind eingebrochen, aber auch „sichere Häfen“ wie Gold oder US-Staatspapiere haben unter der Flucht in die Liquidität zeitweise gelitten. Wir würden erwarten, dass sich die Märkte mit dem Rückgang der Unsicherheit beruhigen. Dazu sind die getroffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen notwendig. Aber hinreichend für die Beruhigung wird erst die Eindämmung der Pandemie sein. Damit dies sichtbar wird, muss sich der Anstieg der Zahl der mit dem Virus infizierten Menschen verringern. Das ist in China geschehen, wo sich auf den nach innen orientierten Aktienmärkten (zum Beispiel in Shenzen) ein Boden für die Preise gebildet hat. Das Muster könnte sich in Europa und den USA wiederholen.

Wir alle versuchen, aus Vergangenem zu lernen, um das Gegenwärtige zu verstehen. Da wir in unserer Lebenszeit eine vergleichbare Situation nicht erlebt haben, müssen wir in die Geschichte zurückblicken. Der Rückblick verschafft uns natürlich keinen Blick in die Zukunft, verhilft uns aber gelegentlich zu einer Einschätzung dessen, was kommen könnte. Versuchen wir dies mit der Erinnerung an den „Ruhrkampf“, das heißt dem Einmarsch französischer und belgischer Truppen am 11. Januar 1923 in das Ruhrgebiet zur Durchsetzung der Reparationsforderungen an das Deutsche Reich.

Die Weimarer Regierung reagierte mit einem Aufruf zum passiven Widerstand. Es kam zum Generalstreik und Stilllegung der Produktion. Steuereinnahmen fielen weg und der Staat übernahm die Lohnfortzahlung für rund zwei Millionen Ruhrarbeiter. Da er keine andere Möglichkeit hatte, finanzierte er sein Budgetdefizit durch Kredite von der Reichsbank. Die Inflation war schon 1922 sehr hoch, aber mit dem „Ruhrkampf“ stieg sie in die Stratosphäre.

Wie damals kommt es heute auch zu Unterbrechungen der wirtschaftlichen Aktivität und staatlicher Überbrückungshilfe, die durch Zentralbankkredite finanziert werden müssen. Solange die Unterbrechung (heute durch „Social Distancing“, damals durch den Generalstreik) anhält, wird sich die monetäre Finanzierung von Steuerausfällen und Ausgabensteigerungen wohl nur begrenzt auf die Konsumentenpreise niederschlagen (noch scheinen sogar die Preise für Toilettenpapier stabil).

Aber wenn die Unterbrechung vorüber ist, dürfte sich das ändern. Die neu geschaffene Liquidität dürfte nicht nur wie nach der Finanzkrise in den Kauf von Vermögenswerten, sondern auch in den Kauf von Konsumgütern zur Nachholung unterlassenen Konsums fließen. Dieser monetären Nachfrage dürfte keine höhere Produktionskapazität gegenüberstehen. Im Gegenteil, ein Teil der Kapazitäten wird vernichtet sein und die strukturelle Arbeitslosigkeit ansteigen. Wenn die monetäre Nachfrage die Kapazitätsgrenzen erreicht, wird zwar keine Hyperinflation folgen, aber die Konsumentenpreisinflation dürfte deutlicher steigen als dies nach der Finanzkrise der Fall war.

Am Ende der deutschen Hyperinflation stand die Währungsreform. Für historisch tief verwurzelte Währungen wie den US-Dollar, das britische Pfund oder den Schweizer Franken ist dies nicht zu erwarten. Diese Währungen haben schon turbulentere Zeiten überstanden. Aber wie damals die Reichsmark ist der Euro eine relativ junge Währung mit schwachen Wurzeln. Zudem werden einige Eurostaaten nach der Krise sehr hoch verschuldet sein. Eine Reform des Euro sollte folglich nicht ausgeschlossen werden. Ob sie geordnet oder chaotisch erfolgen wird, wird von der Weitsicht der verantwortlichen Politiker abhängen.

Mehr zum Thema: Die wirtschaftlichen Kosten der pauschalen sozialen Distanzierung steigen mit ihrer Dauer exponentiell auf schwindelerregende Höhen. Warum Deutschland das kaum noch lange durchhalten kann, lesen Sie hier in einem Gastbeitrag von Thomas Mayer.

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