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Austausch zwischen MessengernNachrichten weiterleiten von Whatsapp zu Threema und Co. ist bald kein Problem mehr

Ob Whatsapp, Instagram oder Signal – bislang schotten sich Messengerdienste im Internet strikt gegeneinander ab. Nachrichten von einem zum anderen Dienst zu schicken, ist nicht drin. Ein neuer Web-Standard soll das ändern. Kann das gelingen?Thomas Kuhn 18.07.2023 - 19:55 Uhr

Ab 2024 müssen große Anbieter wie WhatsApp den Nachrichtenaustausch mit Nutzern anderer Messengerdienste erlauben. Ein neuer Netzstandard soll das nun möglich machen.

Foto: imago images

WirtschaftsWoche: Herr Duric, Messaging-Apps wie Whatsapp aber auch Ihr Dienst Wire gehören zwar zu den beliebtesten Angeboten im Internet, dennoch wirken sie seltsam aus der Zeit gefallen.
Alan Duric: Wie meinen Sie das?

Weil das Internet den fast grenzenlosen Austausch von Wissen, Informationen und Nachrichten ermöglicht. Messenger hingegen arbeiten noch immer als strikt getrennte Silos, netzübergreifende Chats sind nicht möglich. 
Aber das ändert sich ja. Vergangenes Jahr hat die EU die Betreiber der dominierenden Plattformen verpflichtet, ab 2024 auch den Nachrichtenaustausch über Netzgrenzen hinweg zu ermöglichen. Das wird die Szene grundlegend verändern.

Wie groß sind die Chancen, dass das tatsächlich klappt?
Sehr gut. Wir haben gerade erst in der Internet Engineering Task Force, kurz IETF, die entscheidenden technologischen Grundlagen dafür geschaffen, dass diese grenzüberschreitende Kommunikation tatsächlich möglich wird. 

Foto: WirtschaftsWoche

Inwiefern?
Eine industrieweite Arbeitsgruppe, an der auch ich beteiligt war, hat in den vergangenen Jahren die Spezifikation für einen Kommunikationsstandard erarbeitet, den wir Messaging Layer Security nennen, MLS. In dieser Woche  veröffentlicht die IETF die finalen Details des Standards, sodass er in Kraft treten und praktisch eingesetzt werden kann.

Das schafft die technischen Voraussetzungen, dass Ende-zu-Ende-verschlüsselte Text-, Bild- sowie Videobotschaften und sogar Videokonferenzen mit tausenden Teilnehmern möglich werden, selbst wenn die bei unterschiedlichen Messaging-Anbietern angemeldet sind. Wenn ich mir den Vergleich erlauben darf: Wir haben so etwas entwickelt, wie den MP3-Standard für die Echtzeitkommunikation im Netz.

Versuche, Web-Standards zu etablieren, gab es schon viele. Und so mancher mit Tamtam verkündete Vorstoß ist ins Leere gelaufen. Warum sollte ausgerechnet MLS ein Erfolg werden?
Weil die IETF nicht irgendwer ist im Netz. Als branchenweites Gremium aus Fachleuten von Unternehmen und Forschungsinstituten hat sie die Grundlagen für die Standardisierung des E-Mail-Verkehrs gelegt, den Domain-Name-Service DNS, auf dem die heute gebräuchlichen Web-Adressen basieren, oder auch das Verschlüsselungssystem TLS, das den sicheren Aufruf von Internetseiten ermöglicht. Und nun also liefern wir das Werkzeug, die bestehenden Netzgrenzen im Messaging zu sprengen.

Einzelne Anbieter von Messagingdiensten, wie etwa Signal oder Threema, haben sich schon klar gegen eine Zusammenschaltung mit anderen Anbietern ausgesprochen, weil das, wie sie sagen, zulasten der Sicherheit der Kommunikation geht. Fürchten Sie das nicht?
Sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu ermöglichen, war eine der Grundanforderungen bei der Entwicklung von MLS: Weniger Sicherheit als bisher auf einer Plattform, darf es auch bei der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Diensten nicht geben. Natürlich bin ich nicht so vermessen zu behaupten, dass es absolute Sicherheit im Netz gibt. Das ist völlig unrealistisch. Aber ich bin überzeugt, dass wir ein sehr hohes Schutzniveau erreicht haben. Wir haben sogar schon Verschlüsselungskonzepte für den Fall entworfen, dass Quantencomputer heutige Kryptoverfahren knacken können. Und wenn doch irgendwo eine Schwachstelle auftaucht, können wir den kompletten Kryptomechanismus durch einen besseren ersetzen, ohne MLS neu erfinden zu müssen.

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Viele staatliche Stellen wollen Messenger-Nachrichten mitlesen, weil auch Kriminelle Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation intensiv nutzen. Telefonanbieter in Deutschland müssen daher auf Gerichtsbeschluss den Zugriff auf ihre Netze erlauben. Ermöglicht auch MLS solch einen, „legal intercept“ genannten, Zugriff?
Nein, selbst wenn sich manche Sicherheitsbehörde vielleicht die Option einer bequemen Massenüberwachung wünscht: Es gibt bei MLS keine irgendwie geartete Möglichkeit für staatliche Hintertüren. Und auch keinen Generalschlüssel für irgendwelche Überwacher, um sich in Einzel- oder Gruppenchats einzuschalten. Und den braucht es auch nicht. Wenn eine Strafverfolgungsbehörde wirklich mitbekommen will, was irgendwelche Verdächtigen zu besprechen haben, dann gibt es auf den Endgeräten andere Optionen als sich in den Datenstrom eines Messengers einzuklinken. 

Bisher haben dominierende Anbieter wie Meta mit Whatsapp, dem Facebook-Messenger und Instagram ihre Dienste gegen konkurrierende Angebote abgeschottet. Nun erzwingt die EU eine Öffnung. Glauben Sie, dass diese Interoperabilität funktioniert?
Da bin ich optimistisch. Denn IT-Größen wie Meta, Google, Cisco, Mozilla und viele andere haben seit Jahren aktiv an der Entwicklung der MLS-Vorgaben mitgearbeitet, daneben Fachleute von Hochschulen wie der Universität Oxford oder dem französischen Technologieforschungszentrum Inria. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum auch die Großen das Ergebnis dieser Bemühungen nun nicht nutzen sollten. Schon gar nicht angesichts der EU-Vorgaben. 

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Die Konzerne kommen nicht daran vorbei. Aber wo liegt der Anreiz für kleinere Anbieter wie Sie bei Wire, aber auch Signal, Threema, Line, die Matrix-Plattform? Fürchten Sie nicht, in einer standardisierten Messenger-Welt unter die Räder zu kommen?
Im Gegenteil, ich glaube, die Öffnung des Austauschs wird der digitalen Kommunikation nochmal einen ganz neuen Schub geben. Denn MLS ermöglicht beispielsweise auch die einfach digitale und dennoch verschlüsselte Kommunikation zwischen Staat und Bürgern, ohne dass die sich noch bei anderen Nischendiensten anmelden müssten, die deshalb auch kaum genutzt werden. Im Ernst, ich gewinne lieber eine kleine Ecke aus einem riesengroßen Kuchen, als alleiniger Besitzer eines Muffins zu sein, den ich zwar allein gebacken habe, der aber in seiner Größe limitiert ist.

Dennoch: Wie wollen Sie sich in einem Markt differenzieren, in dem alle die gleiche Kommunikationstechnik nutzen?
Da ist mir nicht bange. IT-Sicherheit richtig zu machen, lernt man nicht mal eben. Und es gibt auch heute noch zig erfolgreiche E-Mail-Dienste – selbst wenn die Transportverfahren und die Adressierung der Nachrichten lange normiert ist. 

Was heißt das für Sie konkret?
Wir können uns im Messaging beispielsweise durch die Qualität der Umsetzung, durch die Verfügbarkeit, durch Features und auch dadurch unterscheiden, ob und welche Metadaten der Kommunikation – also etwa Versandort und -zeit, Angaben zum Betriebssystem oder Endgerät oder ähnliches – wir protokollieren, oder eben auch nicht. Gerade im Kontakt mit sehr sensiblen Kunden wie wir sie haben, also etwa Behörden oder Unternehmen mit hohen Geheimhaltungsinteressen, ist sowas sehr wichtig

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