Twitter vs. Thread: Wird Zuckerbergs Threads mehr als nur eine neue Hetz-Maschine?


Die Facebook-Mutter Meta will dem trudelnden Kurznachrichtendienst Twitter mit der eigenen Chat-Plattform Thread weitere Nutzer abjagen.
Das hätte sich wohl mancher Twitter-Fan kaum vorstellen mögen, dass ausgerechnet ein Konkurrenzprodukt aus dem Meta-Konzern den Ton angibt. Gelingt Meta das bessere Twitter? Der schier ungebremste Niedergang des angeschlagenen Kurznachrichtendienst, der seit Elon Musks 44-Milliarden-Dollar-Übernahme ungebremst Richtung Schwurbelplattform trudelt, macht's (zumindest theoretisch) möglich.
Twitters Absturz weckt bei manchen im Netz sogar Sehnsüchte, dass der neue Text-Messenger „Threads“ von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg für textlastige Gruppenchats eine Option zum Wechsel bieten könnte. Ausgerechnet! Schließlich gelten auch die Algorithmen der diversen Meta-Plattformen wegen ihrer Tendenz, extreme Positionen in digitalen Echo-Kammern ins Unendliche zu verstärken, als chronisch demokratiegefährdend und extremismusverschärfend.
Aber Twitters Talfahrt lässt inzwischen tatsächlich reichlich Potenzial nach oben – sogar für Meta. Thread könnte die Chance bieten, wenigstens etwas von der einst faszinierenden Einfachheit der Kurznachrichten in die Zukunft zu retten. Die hatte dem Twittervogel über Jahre eine treue Fangemeinde beschert.
Dass Thread, das nach Medienberichten möglicherweise ab Donnerstag, 6. Juli, als eine Art Instagram-Erweiterung an den Start gehen soll und von dem erste Screenshots bereits in Googles Play Store sowie im Apple Store zu sehen sind, die Hoffnung erfüllen kann, muss sich allerdings erst noch zeigen. Viel wird davon abhängen, ob der Meta-Konzern technische und inhaltliche Vorkehrungen trifft, um wirksam zu verhindern, dass auch Thread in Windeseile zu einer weiteren Distributionsplattform für Hetze, Lügen und Propaganda verkommt. Einem Dienst, dessen Algorithmen in erster Linie darauf gepolt sind, Nutzer durch bewusst selektive Botschaften aus der eigenen Meinungsblase zum Verbleib auf der Plattform zu stimulieren.
Bisher ist – abgesehen von ein paar Screenshots und Leaks aus internen Präsentationen – wenig über die Mechanik der Algorithmen hinter Thread bekannt. Nutzer werden sich wohl mit ihren bestehenden Zugangsdaten von Instagram anmelden können. Die Oberfläche erinnert an bestehende textorientierte Apps wie Twitter oder Mastodon beziehungsweise diverse Drittanbieter-Apps, die auf dem Dienst aufsetzen. Zudem sollen Nutzer andere Posts mit Herzen liken können, es gibt eine Kommentarfunktion und den Teilen-Button. Alles wie gehabt also.
Ob Threads lawinenartige Massenbotschaften, wie Hassprediger und Propagandisten sie wohl auch dort zu versenden hoffen, durch eine Limitation der Adressaten begrenzt, ist unklar. Ob generell Sendelimits vorgesehen sind, die einen Missbrauch zumindest bremsten, ebenso. Eine verpflichtende Identifikation der Nutzer ist durch die Koppelung an Instagram-Accounts hingegen ganz sicher nicht geplant, was es Betreibern von Troll-Farmen mit ihren Massen von Fake-Accounts leichter macht, ihre Netz-Gülle auch via Thread zu verbreiten.
Nicht ausgeschlossen also, dass die Konkurrenz zwischen Twitter und Threads daher am Ende auch nur auf die Wahl zwischen Pest und Cholera hinausläuft.
Es ist davon auszugehen, dass der immense Netzwerkeffekt durch die Erreichbarkeit via Instagram zum raschen Zustrom von Nutzern bei Thread führt. Dass Twitter vor wenigen Tagen erst ein Leselimit für nicht zahlende Nutzer angekündigt hat, mit dessen Hilfe sich der Dienst laut Musk einem „extremen Ausmaß der Datenauslese und Systemmanipulation“ erwehren will, hat die Absetzbewegung von Twitter noch beschleunigt. Berichten aus Großbritannien zufolge hatten sich etwa Suchabfragen zu „Wie lösche ich Twitter“ nach Musks Ankündigungen schlagartig verzehnfacht. Und die jüngste Ankündigung, die beliebte App Tweetdeck kostenpflichtig zu machen, könnte die Absetzbewegung noch verstärken.
Netzdominanz allein ist kein Garant für Erfolg, das zeigt das Beispiel des längst wieder abgeschalteten Sozialen Netzwerks Google+. Trotz der enormen Reichweite anderer Google-Dienste, kam der Netzwerkdienst nie über ein Nischendasein hinaus. Gut möglich also, dass es Mark Zuckerbergs neuem Angebot nicht anders gehen wird.
Bluesky: Threads ist nicht der einzige Twitter-Konkurrent
Umso mehr, als Threads beileibe nicht der einzige Dienst ist, der sich anschickt, aus Twitters Trümmern Neues aufzubauen. Die neue Plattform „Bluesky“ etwa wird laut Meldungen aus dem Netz gegenwärtig mit Anmeldungen geradezu überrannt. Und das, obwohl der Beitritt zum Dienst, der optisch wie eine fast 100-prozentige Twitter-Kopie aussieht, bislang nur auf Einladung durch bestehende Nutzer möglich ist.
Ob das reicht, und ob der Run auf Bluesky mehr als ein Strohfeuer ist, auch das muss sich zeigen. Mehr von Twitters einstigen Genen in einer neuen Plattform dürfte kaum möglich sein. Und immerhin: Einer der Macher hinter dem neuen Dienst ist ausgerechnet Jack Dorsey. Der hatte bekanntermaßen 2006 auch Twitter schon mitbegründet.
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