Europäische Cloud-Initiative: Nextcloud-Chef Frank Karlitschek: „Gaia-X ist tot“

Nextcloud verlässt das europäische Cloud-Project GaiaX
Nextcloud, Anbieter einer Kommunikations- und Kollaborationssoftware aus Stuttgart, will das europäische Cloudkonsortium Gaia-X verlassen. „Vom ursprünglichen Ziel, eine europäische Cloudalternative zu den amerikanischen Hyperscalern wie Amazon oder Microsoft auf die Beine zu stellen, ist heute nicht mehr die Rede“, sagt Frank Karlitschek, Chef und Gründer von Nextcloud, im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. „Darum haben wir uns entschieden, aus dem Projekt auszusteigen.“
Der Schritt hat einige Brisanz, denn Nextcloud wurde im Jahr 2021 als zentrale Kooperationsplattform für Gaia-X ausgewählt: Zum einen wurde die Software der Stuttgarter intern in dem Konsortium zur Kommunikation genutzt, zum anderen war sie eine der ersten externen Referenzlösungen für Gaia-X im Marketing nach außen. „Wir haben Gaia-X lange Zeit mitgetragen und waren schon in dem Projekt involviert, als es noch nicht einmal den Namen gab“, sagt Karlitschek.
Start auf dem Digital-Gipfel 2019
Gaia-X wurde im Oktober 2019 auf dem damaligen Digital-Gipfel mit dem Ziel in Leben gerufen, eine Art virtuellen europäischen Cloud-Anbieter als Verbund vieler existierender IT-Firmen zu schaffen, unter anderem maßgeblich vorangetrieben vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Im Jahr 2020 wurde die Gaia-X-Betreibergesellschaft als Verein nach belgischem Recht in Brüssel gegründet. „Das ursprüngliche Konzept war gut“, sagt Karlitschek, „es wurde über die Jahre aber immer weiter verwässert.“
Schon im Frühjahr 2021 kamen erste Zweifel am Erfolg von Gaia-X auf, weil viele Unternehmen und selbst deutsche Behörden lieber auf etablierte Cloudanbieter setzen – trotz aller Bedenken über digitale Souveränität und einen möglichen Datenabfluss bei den amerikanischen IT-Riesen. Bereits im November 2021 erklärte schließlich das französische Konsotiumsgründungsmitglied Scaleway als erster Anbieter seinen Austritt – und zwar ausgerechnet beim mit viel Marketinggetöse veranstalteten Gaia-X-Gipfel in Mailand. Schon damals klagten Mitglieder über zu viel „Bullshit-Bingo“ und Bürokratie.
Mit Nextcloud verlässt nun das erste namhafte deutsche Unternehmen das Konsortium, zu dem unter anderem auch SAP, die Deutsche Telekom und Siemens gehören. Für Frank Karlitschek begann der Niedergang mit der Gründung des Vereins in Belgien: „Damals hat sich die Politik aus dem Projekt herausgezogen – und Gaia-X war fortan nur noch ein Industriekonsortium ohne Mission“, sagt der Nextcloud-Chef.
Nur noch Datenspezifikationen übrig
Seitdem hätten sich auch die Ziele von Gaia-X verändert. Ursprünglich sollte die Gesellschaft eine europäische Cloudplattform mit eigenen Diensten auf Basis von Gaia-X bereitstellen, die dann von europäischen Firmen und Behörden genutzt werden können – so wie eben Nextcloud als Referenzanwendung für Kollaboration.
Dazu wurden früher auf der Gaia-X-Webseite viele solcher Dienste aufgeführt. „Heute gibt es keinen Marktplatz und keine Referenzimplementierungen mehr, sondern nur noch irgendwelche Datenspezifikationen“, sagt Karlitschek, „diese interessieren aber niemanden mehr.“
Für den heutigen Zustand des Konsortiums findet Karlitschek deutliche Worte: „Gaia-X ist tot, denn es bleibt schlicht nicht mehr viel von dem Projekt“, sagt der Nextcloud-Chef. „Es hat letztlich der politische Wille gefehlt, hier eine echte europäische Cloudalternative zu etablieren.“
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