Jörg Elsner, Verkehrsrechtsanwalt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltsvereins, hegt dagegen große Zweifel am Erfolg dieses Geschäftsmodells. Denn nicht immer lasse sich die Fehlerhaftigkeit eines Bußgeldbescheides aus dem Foto oder aus der Akte umgehend erschließen. „Bei technischen Fragen zu Messgeräten müssen die Anwälte einen Sachverständigen hinzuziehen“, sagt Elsner. Und das verursache zusätzliche Kosten. Bei einer Pleite von Coduka bleiben die Anwälte im schlimmsten Fall auf den Kosten sitzen.
Auch die Erstattung durch die Bußgeldstelle sei keinesfalls selbstverständlich, sondern erfolge nur bei wirklich eindeutig fehlerhaften Bescheiden, erklärt Elsner. „Der Staat verteidigt jeden Euro mit Zähnen und Klauen.“ Juristische Auseinandersetzungen um Bußgeldbescheide sind in der Realität oft ein zähes Ringen. „Man darf nicht glauben, dass es reicht, einen Brief zu schreiben, damit die Bußgeldstelle ihre Fehler einsieht.“
Bei der Kanzlei Schuhmacher&Partner ist man dagegen überzeugt von der System der Coduka. Die Düsseldorfer Anwälte nutzen die Software seit einem Jahr. Zwei Anwälte beschäftigen sich allein mit den eingehenden Fällen, die über Geblitzt.com einlaufen. Wenn ein Fall auf ihrem Schreibtisch in Düsseldorf landet, sind viele Arbeitsabläufe, die sonst in der Kanzlei erledigt werden mussten, bereits in das System eingepflegt. Namen und Adressen der Klienten, und sämtliche relevante Unterlagen sind elektronisch erfasst. Die Anwälte können so Standardschreiben wie die Übernahme des Mandats mit einem Klick erledigen. Nur die Prüfung der Akte und weitere Schriftsätze, die individuell verfasst werden müssen, sind weiter Aufgabe des Anwalts. „Durch die hohe Zahl an Fällen haben unsere Anwälte eine gewisse Erfahrung“, sagt Ginhold
Als Fürsprecher hat Geblitzt.com auch einen prominenten Juristen gewinnen können - Hans-Peter Schwintowski. Der emeritierte Professor der Humboldt-Universität in Berlin ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats im Bund der Versicherten und machte im Jahr 2007 mit einer Plagiatsaffäre negative Schlagzeilen. Geblitzt.com ist für Schwintowski eine „zukunftsweisende Technologie“. „Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Projekt mit seiner Software-Lösung das Rechtssystem in Deutschland oder sogar Europa verändern kann“. Ganz uneigennützig ist das Lob des Professors allerdings nicht: Er ist selbst finanziell an der Coduka beteiligt, hält Anteile an dem Start-Up.
Ohnehin gibt es einige Auffälligkeiten, die zumindest Zweifel am Geschäftsmodell von Geblitzt.com wecken. Als Unternehmergesellschaft (UG) ist Plattformbetreibers Coduka haftungsbeschränkt. Das Handelsregister weist ein Kapital von 384 Euro aus. In Wirklichkeit sei das Kapital, das in der Gesellschaft steckt größer, betont Ginhold auf Nachfrage. Über einen Investorenpool habe man 250.000 Euro eingesammelt, darum sei schon längst geplant, die Coduka in eine GmbH umzuwandeln.
Allerdings lässt auch ein weiteres Detail Zweifel an der Seriosität zu: An der eingetragenen Adresse der Coduka ist auch die Akud & Co. Verlagsgesellschaft mbH beheimatet. Hier heißt der Geschäftsführer ebenfalls Jan Ginhold. Allerdings sind einige Seiten, die von Akud betrieben werden, weniger seriös als die der Schwesterfirma Coduka. Neben einigen Fortbildungsseiten sind auf ihren Namen unter anderem die Webseiten Schlampenhimmel.de und Personalluder.de registriert. „Wir liefern nur die technische Basis für diese Seiten“, verteidigt sich Geschäftsführer Jan Ginhold. Er selbst produziere keine erotischen Inhalte.
Dass die eingehenden Bußgeldbescheide an die gleiche Adresse verschickt werden, an der auch die Akud registriert ist, ist nach Ansicht von Ginhold kein Problem. „Zwischen den beiden Firmen gibt es keinerlei personelle oder technische Überschneidungen“.
Doch insbesondere die Datenerfassung von „Geblitzt.com“ hält Verkehrsrechtsanwalt Elsner für fragwürdig. In einer Anwaltskanzlei seien die Angestellten zur Verschwiegenheit verpflichtet. „Ich kann mein Vorzimmer deswegen auch nicht einfach an einen Dienstleister auslagern“, sagt Elsner. Der Datenschutz sei auch bei Coduka voll garantiert, versichert dagegen Ginhold.
Im Internet ist die Resonanz auf Geblitzt.com überwiegend positiv. Rund 35.000 Nutzer folgen der Facebook-Seite von Geblitzt.com. „Bußgeldverfahren eingestellt. Nur einmal Porto bezahlt und dafür Bußgeld und 1 Punkt erspart. Coole Seite“, schreibt ein Nutzer. Und auch Taxifahrer Herwarth ist zufrieden. Innerhalb weniger Wochen wurde sein Fall von den Anwälten von Geblitzt.com übernommen. Ein kleines Detail rettete am Ende seinen Führerschein: Der Blitzer war falsch geeicht. Sein Bußgeldbescheid ist unwirksam.