Microsoft macht sich neue Hoffnungen, die Dominanz von Google bei der Web-Suche zu brechen. Mit Hilfe von Technologie hinter dem Text-Automaten ChatGPT sollen Nutzer Unterhaltungen mit Microsofts Suchmaschine Bing führen können. Allerdings entwickelt sich auch Google in diese Richtung - die Weichen für den Wettkampf der Tech-Riesen bei künstlicher Intelligenz sind gestellt.
Nutzer von Microsofts Suchmaschine Bing sollen bis zu 1000 Zeichen lange Anfragen in Textform eingeben und Antworten in ganzen Sätzen in einem Chat zurückbekommen können. Das gilt auch für komplexere Aufgaben: Eines der Beispiele bei Microsofts Präsentation am Dienstag war, Bing zu bitten, eine mehrtägige Reise zu planen. Danach kann man die Suchmaschine etwa auch fragen, wie viel die Reise kosten würde und ob man die Route anpassen könne. Google macht im Gegenzug ähnlich funktionierende Chat-Software zum Einsatz in seiner Suchmaschine startklar.
Texte in Sekundenschnelle
Die im November vergangenen Jahres veröffentlichte Software ChatGPT der Entwicklerfirma OpenAI kann sekundenschnell Texte formulieren, die auch von einem Menschen geschrieben worden sein könnten. Das Programm wurde mit gewaltigen Mengen an Texten trainiert und liefert dadurch von der Grammatik her makellose, aber zumindest in der aktuellen Version inhaltlich nicht immer verlässliche Antworten. Beim frühen Test von Unterhaltungen mit Bing durch einen Reporter der „Washington Post” verrannte sich die Suchmaschine in eine Verschwörungstheorie über Schauspieler Tom Hanks und den Watergate-Skandal.
Bei Bing kommt eine Weiterentwicklung des öffentlich verfügbaren ChatGPT-Programms zum Einsatz. Während beim aktuell nutzbaren ChatGPT die Wissensbasis auf dem Stand des Jahres 2021 steckengeblieben ist, soll die Chat-Software von Bing auch über frische Ereignisse oder Fahrpläne bescheidwissen.
Microsoft investierte mehrere Milliarden Dollar in OpenAI und bindet Software der Firma auch in seine Office-Büroprogramme ein - wie eine Art „Co-Piloten” für die Anwendungen. Er glaube, dass die Technologie so ziemlich jede Software-Kategorie verändern werde, betonte Microsoft-Chef Satya Nadella. OpenAI-Chef Sam Altman sprach vom „Beginn einer neuen Ära”.
ChatGPT: Wie die KI funktioniert und welche Einsatzgebiete es gibt
OpenAI wurde 2015 als gemeinnützige Forschungs- und Entwicklungsorganisation vom Tesla- und Twitter-Chef Elon Musk sowie dem Technologie-Investor Sam Altman gegründet. Zu den Investoren zählt außerdem der PayPal-Mitgründer Peter Thiel. Im Jahr 2019 wurde ein gewinnorientierter Ableger gegründet, um externe Investitionen einzusammeln. Auch der Software-Konzern Microsoft sicherte sich Anteile an dem Unternehmen, dass bei der jüngsten Finanzierungsrunde Insidern zufolge mit 20 Milliarden Dollar bewertet wurde.
Musk verließ den Verwaltungsrat von OpenAI 2018, lobte ChatGPT auf Twitter allerdings als "erschreckend gut". Allerdings kündigte er später an, den Zugriff von OpenAI auf die Datenbank des Kurznachrichtendienstes vorerst zu sperren. Er habe gerade erst erfahren, dass OpenAI die Daten nutze, um die KI zu trainieren.
Mögliche Anwendungsbereiche für das Programm sind Digital-Marketing oder die Beantwortung von Kunden-Anfragen. Einige Nutzer habe ChatGPT sogar dafür genutzt, Software-Code auf Fehler zu prüfen.
OpenAI zufolge kann ChatGPT einen menschlichen Dialog simulieren, Nachfragen beantworten, Fehler eingestehen, falsche Annahmen revidieren und unangemessene Anfragen zurückweisen. Trainiert werde die Künstliche Intelligenz nach der Methode "Reinforcement Learning from Human Feedback (RLHF)". Dabei bewerten Menschen Schlussfolgerungen, die die Software zieht, um künftige Ergebnisse zu verbessern.
ChatGPT versucht Fragen von Nutzern zu verstehen und in einer schriftlichen Konversation so zu beantworten, wie es ein Mensch täte.
OpenAI hat eingeräumt, dass ChatGPT die Tendenz hat, „plausibel klingende, aber falsche oder sinnlose Antworten" zu liefern. Die Behebung dieses Problems sei schwierig. Außerdem können durch KI Vorurteile zu ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder Kultur weiterverbreitet werden. Auch Google und Amazon hatten mit ethisch fragwürdigen Entscheidungen ihrer jeweiligen KI-Projekte zu kämpfen. Bei anderen Unternehmen mussten Menschen eingreifen, um ein durch die Software verursachtes Chaos einzudämmen.
Fragen aller Art willkommen
In Microsofts Beispiel wurde die Suchmaschine etwa auch nach Ersatz für Eier in einem Rezept oder Veranstaltungen in der Nähe gefragt und antwortete in vollständigen Sätzen. Auch kann man zum Beispiel fragen, ob eine Ikea-Couch zum Transport in ein bestimmtes Automodell passt. Ein wichtiger Unterschied zu ChatGP soll auch sein, dass die Bing-Version Links zu Quellen wird anzeigen können. Dadurch sollen sich Nutzer selbst ein Bild von der Verlässlichkeit der Antworten machen können.
Google wurde durch die Auswahl der richtigen Links zu einem bestimmten Thema zur dominierenden Suchmaschine mit einem Marktanteil von rund 90 Prozent. Seit einigen Jahren bietet Google auch konkrete Antworten auf bestimmten Fragen an. Am Montag stellte Google den Plan vor, seine seit Jahren entwickelte Software, die sich mit Menschen unterhalten kann, schrittweise für eine breitere Öffentlichkeit verfügbar zu machen, auch in der Web-Suche. Der Internet-Konzern zögerte bisher damit, seine Sprachsoftware zu veröffentlichen.
Sowohl Google als auch Microsoft machen ihre Chat-Suche zunächst nur für einen kleinen Nutzerkreis verfügbar. Bei Microsoft ist die Funktion vorerst nur für Nutzer des Web-Browsers Edge zugänglich.
Lesen Sie auch: Kollege Bot: Will der wirklich nur helfen?