Meta kritisiert EU: Big Tech hält Innovationen zurück, um die EU unter Druck zu setzen

Gefährdet die EU mit ihren neuen Gesetzen für digitale Märkte, Dienste und den Einsatz von KI durch Unternehmen tatsächlich die Innovations- und Wachstumsfähigkeit Europas? Das zumindest ist der Vorwurf von Chris Cox, dem Produktchef des Internetkonzerns Meta. „Ich mache mir Sorgen, dass sich diese Blockadehaltung Europas mit der Zeit verschlimmert. Niemand möchte in einem Markt aktiv sein, in dem die beste Technologie nicht verfügbar ist“, beklagt Cox im Interview mit dem Handelsblatt.
Die Haltung der EU, so Cox, verhindere, dass Konzerne wie Meta innovative Technologien wie etwa KI-Assistenten auch in Europa einführen, ohne auf rechtliche Probleme zu stoßen und, dass Europa die besten Talente für die Zukunftsthemen gewinne: „Jeder möchte in einem Land leben, das versteht, wie moderne Technologie aussieht. Dass das in Europa nicht der Fall ist, bereitet mir Sorgen für die Zukunft.“
Mit der Klage steht der Meta-Konzern nicht allein. Gerade erst hatte Apple bei der Vorstellung der neuen iPhone-Generation angekündigt, man werde die neuen, „Apple Intelligence“ genannten, KI-Funktionen vorerst nicht in der EU veröffentlichen. Der iPhone-Konzern verwies auf Unsicherheiten bezüglich des EU-Digitalgesetzes DMA. Microsoft verschob die Integration seines KI-Assistenten Copilot in die EU-Versionen seines Windows-11-Betriebssystems, ebenfalls unter Verweis auf das DMA-Gesetz.
Wörtlich allerdings sollte man diese Kritik nicht nehmen: Die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist im Kern ein plumper Versuch, Druck auf die EU auszuüben und eine unternehmensfreundlichere Regulierung des eigenen Geschäfts durchzudrücken.
Gejammer über ein lästiges Ärgernis
Die neuen EU-Gesetze zu digitalen Märkten (DMA), digitalen Diensten (DSA) und zum Einsatz von KI (AI-Act) sind den großen Digitalkonzernen ein lästiges Ärgernis. Sie waren es seit Jahren gewohnt, quasi unreguliert Schalten und Walten zu können, Kundendaten nach Belieben zu erfassen und auszuwerten, KI-Plattformen mit fremden Inhalten zu trainieren und kleinere Wettbewerber zu behindern. Damit ist nun Schluss, und das gefällt den Konzernen nicht.
Dabei setzt die EU hier genau jene Kritik um, für die sie jahrelang von Wissenschaftlern, Start-ups und kleineren Wettbewerbern gescholten worden war: Sie setzt in einem digitalen Markt Regeln, die Wettbewerb ermöglichen – bevor einzelne Großkonzerne ihnen das mit der Macht des Stärkeren bereits abgenommen haben.
Darüber zu jammern, ist freie Unternehmensentscheidung. Doch der eigenen Kundschaft deshalb potenziell attraktive neue Funktionen vorzuenthalten, um deren Unmut anzustacheln und so Druck auf die EU auszuüben? Das geht zu weit.
Und es ist sicher kein Zufall, dass die Ankündigungen verschobener Markteinführungen in Europa zeitlich ausgerechnet mit Forderungen von Tech-Konzernen und Lobbyverbände nach einer „ausgewogeneren Regulierung“ zusammenfallen. Derzeit erarbeitet die EU einen Verhaltenskodex, der Ende 2025 zusammen mit dem AI Act in Kraft treten und den Unternehmen als Leitlinie für die rechtskonforme Nutzung von KI-Anwendungen dienen soll.
„Wenn die Regeln zu restriktiv oder zu spezifisch werden, wird es schwierig“, warnte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters gerade erst der Politikchef der Computer and Communications Industry Association (CCIA), die Unternehmen wie Amazon, Google und Meta vertritt.
Big Tech instrumentalisiert seine Kunden
Da passt nun auch Metas jüngste Klage genau ins Bild. Die Warnung vor der drohenden digitalen Rückständigkeit Europas ist vor allem Druckmittel und der Versuch, Metas Kunden gegen EU-Regularien in Stellung zu bringen, durch die sich Big Tech gegängelt fühlt.
Dabei könnten die Konzerne vor allem das europäische KI-Regelwerk sogar als Chance begreifen. Schließlich hat einer der größten globalen Wirtschaftsräume damit ein Rahmenwerk geschaffen, an dem sich Unternehmen bei der Entwicklung und Nutzung einer neuen Technologie orientieren können, bevor diese auf breiter Front im Markt etabliert ist. Statt die Angebote an im Nachhinein erlassene Gesetze anpassen zu müssen, können sie ihre Produkte gleich rechtssicher entwickeln.
All das hätten Meta, Apple oder Microsoft längst tun können, und ihre KI-Assistenten oder Chat-Dienste zum Marktstart direkt EU-konform anbieten können. Dass sie das nicht getan haben, ist nicht EU-Gesetzen anzulasten, sondern eine unternehmerische Entscheidung, die eigene Kundschaft zu gängeln.
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