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30 bis 2030 | Lilian Schwich„Wir brauchen diese Rohstoffe in Europa, weil sie zu 99 Prozent aus China kommen“

Lilian Schwich setzt mit ihrem Start-up CyLib am wunden Punkt der Energiewende an - und könnte so das Recycling von Altbatterien revolutionieren.Stefan Hajek 11.12.2024 - 09:10 Uhr

Lilian Schwich

Foto: PR

Lilian Schwich geht den Dingen gerne auf den Grund. Taktieren, Kompromisse, der Weg des geringeren Widerstands – das überlässt die Chefin und Co-Gründerin des Aachener Unternehmens CyLib gerne anderen. „Wenn sie von einer Idee überzeugt ist, zieht sie die durch“, sagt Danijel Visevic, Chef des Risikokapitalfonds World Funds, einem der frühesten Kapitalgeber CyLibs. „Gegen Widerstände, und auch, wenn sie dafür weite Umwege in Kauf nehmen muss.“

Leute mit solch klaren Prinzipien ecken in Unternehmen schon mal an. Aber: „Frau Schwich hätte nach ihrer Promotion so gut wie jeden Job in der Industrie haben können, der irgendwie mit Batterien zu tun hat“, weiß Visevic. Die aber entschied sich für den wirtschaftlich unsicheren und anstrengenderen Weg - und gründete ein eigenes Unternehmen. Das beschert ihr zwar derzeit Arbeitstage von 6 Uhr in der Früh bis 22 Uhr am Abend. „Aber ich wollte nicht, dass unsere Idee in einem Konzern verwässert wird“, sagt sie. 

Die 35-jährige Ingenieurin hat in den vergangenen sechs Jahren ein Verfahren entwickelt, das das Potenzial hat, eine der schwersten Nebenwirkungen der Energiewende zu überwinden: deren enormen Rohstoffhunger, vor allem nach seltenen Metallen. 

Noch als Studentin an der RWTH Aachen hat Schwich zusammen mit ihren Co-Gründern Paul Sabarny und Gideon Schwich eine Recyclingmethode geschaffen, mit der mehr als 90 Prozent der wertvollen Rohstoffe aus ausgedienten Lithium-Batterien zurückzuholen sind - und das „in einer Qualität, die sich nicht von neuem Material aus der Mine unterscheidet“, sagt Schwich. 

Chinas Dominanz langfristig brechen

Das versprechen auch andere. Zum Teil gelingt es ihnen auch. Nickel und Kobalt etwa, die beiden teuersten Metalle in einer wieder aufladbaren Batterie, landen schon seit einigen Jahren nicht mehr auf dem Schrott. Sie lassen sich im Schmelzofen relativ leicht vom restlichen Stoffbrei trennen, denn sie schmelzen erst bei sehr hohen Temperaturen von weit über 2000 Grad. Und weil sich damit gutes Geld verdienen lässt, gaben sich die meisten Rohstoffunternehmen damit lange Zeit zufrieden. 

Schwich, der Perfektionistin, reichte das nicht: „Das verbreitete Einschmelzen von Batterien scheitert am Recyceln von Lithium und Grafit, die im Schmelzofen für neue Batterien zu unbrauchbarerer Schlacke verbacken“, sagt die promovierte Werkstoffingenieurin.  

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Die meisten ihrer Wettbewerber übertünchen diesen Nachteil mit Hinweis auf den relativ erschwinglichen Weltmarktpreis dieser beiden Rohstoffe; der mache das Recyceln unattraktiv. Schwich lässt dieses Argument nicht gelten: „Wir brauchen auch diese Rohstoffe in Europa, weil sie zu 99 Prozent aus China kommen.“ Neben dem Umweltaspekt gehe es beim Recycling immer auch um Geostrategie: China hat an vielen Stellen der Wertschöpfungskette ein Quasimonopol. In Zeiten zunehmender internationaler Spannungen ein enormes Risiko für die europäische Batterieindustrie. 

Noch werden nur geringe Mengen Altakkus recycelt. Das liegt vor allem daran, dass die E-Autos, für die die Masse der Lithium-Akkus gebraucht wird, noch relativ jung sind. Erste Untersuchungen mit empirischen Daten liegen nun vor. Sie zeigen eine klare Richtung: Die Batterien in Elektroautos halten wahrscheinlich deutlich länger als gedacht, mehrere hunderttausend Kilometer. 

Nach etwa zehn bis zwölf Jahren aber, je nach Beanspruchung, schätzen Experten, werden viele Akkus zu schwach für den Alltag sein und aussortiert werden. Deswegen rechnen zum Beispiel das Fraunhofer-Institut oder die Internationale Energie-Agentur mit geradezu sprunghaft steigenden Altbatteriemengen: von heute weltweit weniger als 100.000 Tonnen pro Jahr auf 400.000 bis 2030 und gar 2,1 Millionen Tonnen bis 2040. 

Spätestens dann braucht die Welt effizientere Recyclingmethoden. Zwar sind neue Verfahren auf dem Vormarsch, in denen die Metalle aus den Altbatterien nicht mehr im Schmelzofen, sondern im Säurebad landen. Dort werden sie aufgelöst und können als Salze von Lithium, Kobalt oder Nickel mit Laugen wieder rausgefällt werden, wie Chemiker sagen. Diese Methoden haben aber auch einen Nachteil: Sie sind teuer, komplex und aufwendig. Ob sie sich durchsetzen, hängt davon ab, wie viel die Kundschaft bereit ist für besonders nachhaltige Batterien auszugeben.  

Einfaches Leitungswasser statt teurem Säurebad

Schwichs Methode, da sind Fachleute einig, kann der Gamechanger werden: Sie hat es geschafft, einige der teuren Prozesse mit Säuren und Laugen durch einfaches Leitungswasser zu ersetzen. Die Idee kam Schwich während ihrer Promotion: Sie drehte den etablierten Recyclingprozess, bei dem zunächst die teuersten und knappsten Bestandteile Kobalt und Nickel zurückgewonnen werden, einfach um. „Dadurch sind die harten Brocken Lithium und Grafit schon unbeschadet aus dem Stoffbrei raus, bevor wir aus dem Rest die anderen Metalle holen“, erläutert sie. 

Offenbar braucht es im entscheidenden Moment oft Leute wie Schwich, denen es nur um die Sache geht. Ein Konzern hätte wohl nach fünf Jahren scheinbar vergeblicher Forschung die Geduld verloren - und kurz vor dem überraschenden Durchbruch das Budget gekappt. 

Schwichs Coup blieb in der Branche nicht lange unentdeckt: Schon ein Jahr nach der Gründung von Cylib und noch während des Baus einer ersten Pilotfabrik stiegen Porsche und Bosch groß bei Schwichs Unternehmen ein. Das wächst nun rasant: Seit Monaten vergeht kaum ein Tag ohne Neueinstellungen. 86 Mitarbeiter sind es im Moment. Im Chemiepark Dormagen bauen Schwichs Leute gerade die erste kommerzielle Linie auf, die von 2026 an jährlich 30.000 Tonnen Altbatterien recyceln wird.

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