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30 bis 2030 | Susanne WiegandDas Gesicht der Zeitenwende

Susanne Wiegand hat Deutschlands Rüstungsbranche verändert. Auch wenn sie nun als Renk-Chefin aufhört, wird sie die Sicherheitspolitik weiter prägen.Rüdiger Kiani-Kreß, Melanie Bergermann 08.12.2024 - 13:47 Uhr

Susanne Wiegand

Foto: PR

Schon Minuten bevor Susanne Wiegand mit ihrem Vortrag beginnt, sind sämtliche Sitzplätze belegt im Saal „Mainstage“ des Steigenberger Hotels am Frankfurter Flughafen. Obwohl sich hier Ende November beim jährlichen Eigenkapitalforum der Deutschen Börse rund 170 Unternehmen vorstellen, darunter mit SAP, Deutscher Telekom oder DHL die erste Garde der Deutschen Wirtschaft, zieht die Chefin des Augsburger Getriebeherstellers Renk mit die meiste Aufmerksamkeit auf sich. Bereits als Wiegand die Bühne betritt – im blauen Kleid und dazu passenden blauen Pumps – applaudieren die sonst eher zurückhaltenden Analysten und Vertreter von Großanlegern. Und auch für viele ihrer Sätze bekommt sie Beifall.

Kein Wunder, denn die Managerin mit ihrer charakteristischen Pferdeschwanz-Frisur ist so etwas wie das Gesicht und eine treibende Kraft der deutschen Zeitenwende zu mehr Ausgaben für Landesverteidigung. Einerseits ist die für unverwüstliche Panzer- und Schiffsgetriebe bekannte Renk-Gruppe, die sie seit 2021 leitet, mit 926 Millionen Euro Umsatz „nur“ ein Mittelständler und gehört in Europas Waffenbranche zu den kleineren Anbietern.

Andererseits ist Wiegand neben Rheinmetall-Chef Armin Papperger die sichtbarste und aktivste Rüstungsmanagerin in Politik und Öffentlichkeit. Sie berät die Bundesregierung und die CDU, sitzt neben Dax-Chefs in Regierungsfliegern und leitet den Sicherheitsausschuss beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

„Wer steht, stirbt“

Für das gewaltige Interesse an ihr mag anfangs eine Rolle gespielt haben, dass Wiegand als einzige Frau im Chefsessel eines deutschen Rüstungsunternehmens sitzt und damit ein bisschen „Diversity“ in die notorisch männerlastige und patriarchalische Branche brachte. Aber spätestens seit Mitte 2022 wirkte sie rein durch ihre Kompetenz. Sie geißelte die zögerliche Umsetzung der Zeitenwende besonders durch die Bundeswehr-Beschaffungshörde früher, schärfer und pointierter als andere Rüstungsmanager. Und sie tat es nicht mit den üblichen technokratischen Ansagen, sondern mit griffigen Parolen wie „Einen Stillstand kann sich Deutschland nicht leisten!“ oder dem von der Panzertruppe übernommenen Spruch: „Wer steht, stirbt.“

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Die in Kassel geborene Managerin spricht bis heute auch der ganzen Zunft aus der Seele. Mit Sätzen wie „Unsere Industrie muss sich für nichts schämen“, brach sie mit dem schlechten Gewissen der Waffenbauer. Dazu zeigt sie wenig konfliktscheu im Umgang mit dem Rest der Deutschen Wirtschaft. Sie feuerte etwa auf Größen wie Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Dass dessen Haus sich bei Krediten für die Rüstungsbranche gefährlich zurückhalte, sei ein „Sicherheitsrisiko für das Land“ sagte Wiegand auf einer Podiumsdiskussion.

Aber die resolute Rüstungsmanagerin kritisiert nicht nur, sie zeigt in ihrem Job als Renkchefin auch, wie es besser geht. Sie machte aus dem vor ihrer Zeit fast unbekannten und etwas verschlafenen agierenden Getriebehersteller eines der bekanntesten und am schnellsten wachsenden deutschen Rüstungsunternehmen.

Zwar sind die Schwaben schon seit langem Weltmarktführer für Panzergetriebe, kein anderes Rüstungsgut aus Deutschland ist so weit verbreitet. „Unsere Technik steckt weltweit in 65.000 aktiven militärischen Fahrzeugen“, sagt Wiegand. Etwa im Leclerc-Panzer aus Frankreich, im amerikanischen Abrams, im britischen Challenger, in Israels Merkava und im K2 Black Panther aus Korea. Und auch in vielen Schiffen und Windkraftanlagen überträgt Renk-Technik die gewaltigen Kräfte. Doch der Mittelständler übertrug seine Kraft nur mäßig in wirtschaftlichen Erfolg.

Wiegand änderte das. In ihrem ersten Jahr 2021 machte Renk noch 700 Millionen Euro Umsatz. Dieses Jahr wird es wohl gut eine Milliarde Euro werden und spätestens 2028 sollen es sogar zwei Milliarden Euro Umsatz sein.

Endlich tun was Sinn ergibt

Sie tat das einerseits im Auftrag des deutsch-schwedischen Finanzinvestors Triton Partners. Der zuletzt wegen einer möglicherweise problematischen Unternehmenskultur ins Gerede gekommene Milliardenfonds konnte Renk dank des Wachstums wohl schneller an die Börse bringen als erhofft und holte so einen großen Teil der gut 700 Millionen Euro zurück, für die er VW den Getriebebauer im Jahr 2020 abgekauft hat.

Aber vor allem konnte Wiegand bei Renk endlich das tun, was sie nicht so recht durfte in ihren vorigen Jobs als Unternehmensberaterin, bei ThyssenKrupps Militärwerft Marine Systems oder als Chefin von Schiffbauers German Naval Yards sowie des Bereichs Electronic Solutions bei Rheinmetall: ein Unternehmen so führen wie sie es wollte und Strukturen nach ihrem Gusto umbauen, schnell und agil. „Jeden Tag. Immer in Bewegung. Einen Stillstand kann ich mir nicht leisten“, so Wiegands stakkatohaftes Konzept. „Dies treibt mich an und mit dieser Überzeugung führe ich mein Team.“

Dank der Kombination aus Worten und Taten gilt sie nun als ein Vorbild der Branche „Eine Naturgewalt. Klar und strategisch. Verantwortungsvoll und unprätentiös“, lobt Renk-Aufsichtsrätin Doreen Nowotne, zuvor Chefin bei Brenntag, Haniel und der Kühne-Holding. Auch ihren Umgang mit Rückschlägen, lobt die Aufseherin. „Als Sie nach der Absage des ersten Versuches des Börsenganges im Oktober letzten Jahres wirklich alle wortwörtlich am Boden lagen, rief sie direkt am nächsten Morgen beim Gesellschafter an und sagte: „Dann machen wir es eben nochmal. Off we go!“ Ein paar Wochen später klappte der Börsengang, nicht zuletzt weil nun der deutsch-französischen Panzerbauer KNDS im Boot war. 

Erstmal ausschlafen? Niemals

Und auch wenn Wiegand in ihrem Tatendrang gelegentlich an die Grenze geht (und etwa in drei Jahren drei Finanzchefs kündigten): Ehemalige und aktuelle Kollegen, auch viele Politiker sind wie ihr Betriebsratsvorsitzender Klaus Refle „pro Wiegand“.

Darum dürfte sie die Branche auch weiterhin antreiben – auch wenn sie im Januar bei Renk aufhört. Sie wolle keine neuen Chefposten, sagt sie. Auch die Frage, ob sie dank ihrer guten Kontakte in die Politik gehen will, verneint sie auf der Bühne des Frankfurter Eigenkapitalforums lachend. „Ich habe keine Ahnung von Politik und noch dazu bin ich der undiplomatischste Mensch aller Zeiten“. Damit sei sie wohl kaum geeignet. Was sie denn dann ab Februar mache? „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht erst mal ausschlafen“, sagt sie.

Doch das kann keiner glauben, der sie näher kennt glauben.  „Susanne Wiegand entspannt? Niemals“, so ein Vorstand eines anderen deutschen Rüstungsunternehmens.

Wer dann im kleinen Kreis etwas nachbohrt, erhält prompt auch eine weniger abweisende Antwort an den Berliner Regierungsbetrieb. „Wir stehen mit Putins Angriffskrieg in der Ukraine und Trumps Wahlsieg in den USA vor der größten geopolitischen Herausforderung der Bundesrepublik. Das Land braucht jetzt einen Richtungswechsel“, beginnt sie. Darum denke sie „darüber nach, wie ich mehr Impact insbesondere mit Blick auf Sicherheitspolitik für unser Land generieren kann als in meiner bisherigen Rolle“, sagt Wiegand.

Erstmals kürt die WirtschaftsWoche 30 Köpfe aus Deutschland, die unser Land bis Ende dieses Jahrzehnts prägen, verändern und nach vorn bringen werden. Denn es gibt viele Menschen und Projekte, die Mut machen. Eine Übersicht aller Preisträger finden Sie hier

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