Easyjet-Deutschlandchef „Ein Cockpit mit nur einem Piloten ist möglich“

Stephan Erler ist seit 2019 Deutschlandchef der britischen Billigfluglinie Easyjet. Quelle: PR

Der Klimawandel zwingt die Flugindustrie zum Umbau ihrer Flotten. Auch Easyjet wird davon nicht verschont bleiben. Deutschlandchef Stephan Erler verrät, wie sich der Billigflieger darauf vorbereitet.

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Stephan Erler ist seit 2019 Deutschlandchef der britischen Billigfluglinie Easyjet. Zuvor hat er als Manager am Flughafen Hamburg und für Air New Zealand gearbeitet. 

WirtschaftsWoche: Herr Erler, Elektro- und Wasserstoffflugzeuge, mit klimaneutralem Sprit betriebene Jets und Propellermaschinen - in der Fliegerei wird derzeit viel ausprobiert. Easyjets Flotte aber besteht heute ausschließlich aus der Airbus A320-Serie. Wie passt das zusammen?
Stephan Erler: Easyjet hatte in der Vergangenheit ja auch schon Boeing-Flugzeuge im Portfolio, bevor wir voll auf Airbus geschwenkt sind. Es passt also schon in unsere Strategie, sich zu überlegen, wie sich in den nächsten Jahrzehnten die Flotte entwickeln sollte. Es ist aber noch zu früh, als dass wir die Technik benennen könnten, die sich durchsetzen wird. Am Ende wird es sicher nicht die eine Lösung für alle Strecken sein. Wir müssen daher schauen, wo künftig ein Jetanrieb, wo ein Propeller, wo grünes Flugbenzin, wo Wasserstoff, wo Elektro am meisten Sinn ergibt. Auf der Kurz- und Mittelstrecke werden sich wahrscheinlich andere Konzepte durchsetzen als auf der Langstrecke.

Wie geht Easyjet da vor?
Im Moment stellen wir uns erstmal bei den Forschungs- und Entwicklungskooperationen sehr breit auf und schauen, was der Markt am Ende her gibt. Im nächsten Jahrzehnt werden wir dann die Entscheidungen treffen.

von Thomas Stölzel, Rüdiger Kiani-Kreß

Das heißt, Sie planen etwa zehn Jahre voraus?
Schon heute haben wir ja langfristige Lieferverträge mit Airbus, die über fünf bis zehn Jahre laufen. Jetzt denken wir aber schon mal weit darüber hinaus, was in den 2030er und 2040er Jahren passieren muss. Wir fragen uns etwa, wann die hybrid-elektrischen und wasserstoffgetriebenen Flieger bereit stehen können.

Ihr amerikanischer Kooperationspartner Wright Electric entwickelt einen Elektroflieger für 180 Passagiere. So etwas halten die meisten in der Branche für Utopie. Anders ist das bei kleinen Maschinen. Könnte Easyjet künftig auch mit 19-sitzigen E-Flugzeugen starten?
Das hängt davon ab, ob es weiterhin eine so große Kundschaft für Verbindungen zu zentralen Flughäfen wie Berlin, München, Paris gibt, bei denen wir ohne Probleme 150 bis 200 Sitzplätze füllen können. Vielleicht aber entwickelt sich auch ein Markt für kleinere Flugzeuge, die zwischen kleineren Städten fliegen. Und natürlich kommt es darauf an, wie hoch die Anschaffungskosten und die Betriebskosten für solche Flugzeuge sein werden.

In Flugzeuge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb werden künftig wahrscheinlich etwas weniger Passagiere passen. Und die Treibstoffe werden teurer. Werden wir zu einem Ein-Piloten-Flugzeug kommen, um Kosten zu sparen?
Technisch ist ein Cockpit mit nur einem Piloten möglich. Wir müssten aber viel mehr schauen, ob das psychologisch zu verkaufen ist. Steigen die Leute wirklich ein, wenn sie wissen, dass im Zweifel kein zweiter Pilot eingreifen kann? Andererseits: U-Bahnstrecken kommen heute schon teilweise ganz ohne Zugführer aus.

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Klimaschützer, aber auch Politiker erhöhen den Druck auf die Flugbranche. Nervt Sie das nicht manchmal?
Wir sind durchaus der Meinung, dass wir als Luftfahrtbranche mehr für den Klimaschutz tun müssen. Es ist daher gut, dass Kunden darauf achten, welche Airlines moderne Flotten haben, welche das ausgestoßene Kohlendioxid bereits kompensieren. Das alles hilft uns. Die Regeln müssen aber transparent und für alle gleich sein. Eine Luftverkehrssteuer in Deutschland etwa muss aufgrund der Höhe der Emissionen pro Flugzeug erhoben werden, nicht pro Passagier. Weil das Airlines, die ihre Flieger besser auslasten und damit den Kohlendioxidausstoß pro Passagier senken, benachteiligen würden. Wenn über Steuern oder Abgaben Anreize gesetzt werden, sollte das eingenommene Geld zudem in Forschung und Entwicklung von nachhaltigen Treibstoffen und emissionsarmen Flugzeugen fließen, nicht einfach nur die Staatskasse auffüllen.

Auch die Kondensstreifen am Himmel erwärmen das Klima. Weil die aber unabhängig von der Menge des ausgestoßenen Kohlendioxids anfallen, gibt es bisher keine Anreize, sie zu senken. Braucht es die, damit die Airlines ihre Flugzeuge aus den kritischen Zonen navigieren? 
Wir überlegen ja heute schon, wie wir effizienter fliegen können. Allerdings können wir als Airline häufig nicht entscheiden, wie hoch wir fliegen. Das tun etwa die Deutsche Flugsicherung oder die europäische Eurocontrol. Auf kurzen Flügen erreichen wir gar nicht erst die Höhen von 10.000 Metern, ab der Kondensstreifen auftreten können.

Mehr zum Thema: Die Flugindustrie muss sich neu erfinden. Der Klimaschutz zwingt sie, heutige Technologien infrage zu stellen. Zugleich greifen Start-ups mit Ideen an, die lange ins Reich der Science-Fiction gehörten.

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