Fast scheint es so, als sei er das neue Lebenselixier der deutschen Industrie: Grüner Wasserstoff. Stahlhersteller, Chemiekonzerne, Reedereien brauchen ihn als klimafreundlichen Grund- und Treibstoff. Doch bislang ist er noch Mangelware.
Toralf Haag, Chef des Maschinenbauers Voith aus Heidenheim, will nun in das Geschäft einsteigen. „Wir wollen hier auch unseren Beitrag leisten, indem wir grünen Wasserstoff im Ausland mit Wasserkraft produzieren“, sagt Haag im WirtschaftsWoche-Chefgespräch mit Chefredakteur Beat Balzli.
Weltweit rüstet Voith seit mehr als hundert Jahren Wasserkraftwerke mit Turbinen, Pumpen und Steuertechnik aus, von den Niagara-Fällen bis zur Drei-Schluchten-Talsperre in China. Nun arbeitet der Maschinenbauer an einem neuen Geschäftsfeld: An die Wasserkraftwerke sollen Elektrolyseure angeschlossen werden.
Voith plant Wasserkraft-Projekte in Afrika
„Es laufen schon Gespräche für Projekte, zum Beispiel in Afrika und Südamerika“, sagt Haag. „Größtenteils sind das bestehende Kraftwerke, die erweitert werden sollen, und wo ein Teil des Stroms genutzt werden soll, um grünen Wasserstoff herzustellen.“
Es gebe auch einige neue geplante Wasserkraftwerke, bei denen Elektrolyseure gleich mit eingeplant würden. „Die dauern allerdings länger, weil die Bauzeiten mindestens vier bis fünf Jahre sind.“
Wo genau die ersten Wasserstoff-Fabriken geplant sind, will Haag noch nicht verraten. Klar ist aber: Gedacht ist auch, den Wasserstoff zu exportieren, unter anderem nach Deutschland. „Es gibt ja keine Diskussionen, dass wir grünen Wasserstoff importieren müssen“, sagt Haag.
Im internationalen Vergleich sieht der Manager das Land nicht unbedingt als führend bei dem Megatrend. „Wir sind da kein Vorreiter“, sagt er. „Es wird viel geredet, es wurden auch ein paar Programme aufgesetzt. Aber ich glaube, dass wir hier hinterherhinken. Es muss strukturierter angegangen werden.“
Massiver Preisverfall bei grünem Wasserstoff
Die neue Bundesregierung hat den Import von Wasserstoff in ihrem Koalitionsvertrag als eines ihrer Ziele auserkoren. Im Dezember hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck 900 Millionen Euro für erste Importprojekte freigegeben. Und erst am Montag hatte der Leverkusener Kunststoffproduzent Covestro ein Wasserstoff-Lieferabkommen mit dem australischen Anbieter Fortescue Future Industries abgeschlossen.
Länder wie Australien oder afrikanische Staaten sind vor allem wegen ihrer großen Solar- und Windressourcen attraktive Standorte für die Produktion von möglichst preiswertem grünen Wasserstoff.
Wasserkraftwerke wiederum bieten sich gleich aus zwei Gründen an: Zum einen haben auch sie häufig extrem geringe Stromerzeugungskosten. Zum anderen fließt das Wasser aus Staudämmen meist zuverlässig das ganze Jahr über in die Stromturbinen. Elektrolyseure können so bei einer hohen Zahl an Volllaststunden laufen – wodurch die Kosten für das Kilogramm Wasserstoff deutlich sinken.
Erst am Dienstag hatten die Marktforscher von Rethink Energy mit einer neuen Studie Aufsehen erregt: Grüner Wasserstoff werde schneller wettbewerbsfähig mit grauem Wasserstoff aus Erdgas, als bislang die meisten Beobachter annehmen – nämlich schon in zwei Jahren. Der absehbare Preisverfall bei Elektrolyseuren und bei erneuerbaren Energien werde es möglich machen. Auch die Wasserkraft dürfte wohl dazu gehören.
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