Grünen-Pläne zu Kurzstreckenflügen Ein Verbot, das dem Klima nicht hilft

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Mehrkosten lassen sich im Rahmen halten

Wissenschaftler der Technischen Universität Lappeenranta in Finnland kommen in einer Studie zu einem noch optimistischeren Ergebnis – zumindest in einem Best-Case-Szenario, in dem die Anlagen in Marokko stehen und durch Solar- und Windkraftwerke sowie Wärmepumpen billig gespeist werden. So könne die Technik, wie sie die Schweizer verwenden, das CO2 bereits 2030 für 84 Euro je Tonne, 2050 gar für 38 Euro je Tonne produzieren. Allerdings sei das nur erreichbar, wenn schnellstens begonnen werde, die Technik auszurollen, heißt es in der Studie. Nur so könnten rechtzeitig Lern- und Massenfertigungseffekte greifen, um die Kosten schnell zu reduzieren. Hier ist die Klimapolitik gefragt, die Weichen zu stellen.

Die Mehrkosten beim Sprit lassen sich wiederum zum Teil durch Ersparnisse im Verbrauch ausgleichen. So hat die Flugbranche hier mit neuen Flugzeug- und Triebwerksgenerationen zuletzt massive Fortschritte gemacht. Ein moderner Airbus A350 ist bis zu 25 Prozent sparsamer als eine Boeing 767. In der Branche gilt die Faustregel, dass Flugzeugflotten durch Modernisierung jedes Jahr im Schnitt um zwei Prozent sparsamer werden.

Und hier ist auch in Zukunft einiges drin. So lässt sich der Spritverbrauch recht einfach weiter reduzieren. Beim Flugzeug ist es wie beim Auto. Wenn ein Wagen mit 120 statt 200 Stundenkilometern auf der Autobahn unterwegs ist, verbraucht er weniger Kraftstoff. Dieser Effekt ließe sich nutzen. Zurzeit wird in der Luft nur selten langsamer geflogen. Das könnte die Politik etwa mit einer Art Tempolimit ändern. Für die Passagiere wäre das kaum spürbar. „Wir reden von zehn Minuten, die ein innerdeutscher Flug länger braucht“, sagt Atmosphärenforscher Sausen. Hier sind dem Wissenschaftler zufolge neuesten Erkenntnissen zufolge immerhin rund fünf Prozent Reduktion des Klimaeffekts drin.

Schleierwolken sind relativ leicht vermeidbar

Und auch bei den Kondensstreifen sind Lösungen in Sicht. So haben Sausens Kollegen beim DLR untersucht, wie viel klimaschonender Triebwerke sind, die etwa dank synthetischer Treibstoffe weniger Rußpartikel ausstoßen. Ihre Erkenntnis: Es reicht nicht, kleine Anteile von sauberem Grünstrom-Kerosin beizumischen. Ein Flugzeug, das 50 Prozent weniger Rußpartikel ausstößt, entlastet das Klima gegenüber einem konventionell betankten Flugzeug nur um 12 bis 15 Prozent. Bei höheren Anteilen nimmt der Effekt aber überproportional zu. Stoßen die Airliner am Ende 80 bis 90 Prozent weniger Ruß aus, reduziere das den Schaden für das Weltklima um immerhin 50 bis 60 Prozent.

Außerdem können die Fluglotsen der deutschen und der europäischen Flugsicherung helfen, das Klima zu schonen und die Bildung der schädlichen Kristalle zu minimieren. Sie können die Flugzeuge gezielt in Flughöhen lotsen, wo keine Kondensstreifen entstehen. Kondensstreifen bilden sich in einem ganz bestimmten Bereich der oberen Troposphäre, bei extrem kalten Temperaturen. In der darüber liegenden Stratosphäre ist es wieder wärmer. Durch Änderungen in der Flughöhe ließe sich also verhindern, dass sich die Streifen bilden. Mit einer Höhenveränderung von zwei Flugniveaus, also 600 Metern, ließen sich Experten zufolge Kondensstreifen verursachen oder vermeiden. Theoretisch können allein die Lotsen den gesamten Klimaeffekt des Fliegens um 50 Prozent reduzieren, mit ganz geringem Aufwand. Im Westen Deutschlands und über den Benelux-Ländern führt das DLR hierzu nun gerade Tests durch.

Hinzu kommt, dass der Zug in Deutschland, anders als in Frankreich, auch auf vielen wichtigen Verbindungen schlichtweg nicht konkurrenzfähig ist. Etwa auf Ost-West-Routen, die über die deutschen Mittelgebirge führen. Dauert die Zugfahrt von Düsseldorf, Stuttgart oder Köln nach Dresden schon mal sieben Stunden, ist es mit dem Flieger eine Stunde – im Energiesparmodus. Für Menschen, die regelmäßig zwischen beiden Städten reisen müssen, ist die Zeitersparnis enorm. Die Alternative, der Neubau vom Hochgeschwindigkeitstrassen, ist zudem keineswegs ein klimatechnischer Klax. Tunnel, Brücken und Trassen müssen betoniert werden, Schienen und Oberleitungskonstruktionen verbrauchen Unmengen Stahl. Die Herstellung von Stahl und Beton jedoch zählen zu den CO2-intensivsten Industrien überhaupt. 



Ohnehin rückt die Fokussierung auf Inlandsflüge einen Sektor in den Fokus, der für die Erderwärmung kaum eine Rolle spielt: Nur vier Prozent aller Inlandsreisenden stiegen vor der Krise ins Flugzeug und sorgten dabei für 0,3 Prozent der deutschen Klimabelastung. 

Mehr zum Thema: Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz fordern strengere Auflagen und höhere Preise für Flugreisen. Airlines und Unionspolitiker wehren sich. Ganz ehrlich ist keines der beiden Lager. Worum es in der Diskussion geht.

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