Matthias Maurer „Wir verwenden den Mond als Tankstelle“

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Wassereis in tiefen Kratern

Wie leicht ist es denn, an das Eis auf dem Mond zu kommen?
Das Wassereis liegt unten in tiefen Kratern, wo nie die Sonne hineinscheint. Dort herrschen die tiefsten Temperaturen im Sonnensystem. Wird mein Raumanzug dann überhaupt noch elastisch sein? Kann ich wirklich dort in die Dunkelheit herunterkrabbeln und arbeiten? Das alles wollen wir bald in einer simulierten Mondlandschaft am Europäischen Astronautenzentrum in Köln herausfinden.

Wie kann man sich das vorstellen?
Wir bauen eine Halle, in der wir 1000 Quadratmeter mit mondähnlichem Gestein füllen - die größte Mondsimulation in Europa. Draußen koppeln wir eine Mondstation an und ein Brennstoffzellenkraftwerk, das aus Wasserstoff Strom erzeugt. Auf dem Mond dauert die Nacht zwei Wochen, darum müssen wir Wege finden, Sonnenenergie langfristig zu speichern - etwa in Form von Wasserstoff.

Und im Inneren der Halle?
Drinnen können wir die Lichtverhältnisse ändern, mal steht die künstliche Sonne steil von oben, mal flach vom Horizont. Wir können damit etwa erproben, wie ein Mondrover unter verschiedenen Lichtbedignungen navigieren kann, ohne versehentlich in dunkle Mulden zu rasen. Und wir können in der Halle sogar die Gravitation verringern, zumindest gefühlt.

Wie das?
Wir werden eine Installation aus Seilen bauen, an die wir uns hängen. Ähnlich wie Helene Fischer, wenn sie auf Konzerten über die Bühne schwebt. Statt 75 Kilo wiege ich dann nur noch 12,5 - wie auf dem Mond.

Wie würde das Ihre Vorbereitungen für einen Mondflug erleichtern?
Damit können wir erproben, wie Astronauten über den Mond hüpfen und Gesteinsproben nehmen oder sich in steile Mondkrater abseilen - im Raumanzug ist das eine Herausforderung. Oder wie man ein Mondhaus bauen kann, in dem man sich nicht andauernd den Kopf stößt.

Matthias Maurer Quelle: ESA

Ein Haus auf dem Mond?
Ja, wir können aus Mondsand, so genanntem Regolith, Mondlegosteine backen und daraus ein Haus bauen. Unsere Kollegen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt haben schon mit Sonnenenergie Sand auf der Größe einer Eineuromünze geschmolzen. Alternativ können wir den Mondsand mit Mikrowellen erhitzen. So ließen sich auch befestigte Landeplätze für Raketen bauen, damit sie nicht bei der Ankunft Staub aufwirbeln und sämtliche Geräte in der Umgebung sandstrahlen.

Teeren, mauern, Steine schmelzen - das klingt nach einem anstrengenden Job für die Astronauten.
Anders als bei den Apollo-Missionen werden wir nicht nur Menschen über den Mond hüpfen lassen, sondern hoffentlich auch Roboter, die sie unterstützen. Und die Astronauten werden Augmented-Reality-Helme tragen, die ihnen wichtige Informationen einblenden. Auch das wollen wir in Köln testen.

Die erste bemannte Mondlandung wurde weltweit im Fernsehen übertragen. Wie muss man sich die nächste Mondreise im Zeitalter des Internets vorstellen?
Meine Vision ist, dass die Astronauten viele Kameras auf ihren Expeditionen mitnehmen, die Livebilder zur Erde senden. Auf der Erde könnten sich die Menschen dann über Virtual-Reality-Brillen mit uns über den Mond bewegen. Wissenschaftler könnten die Astronauten auf geologische Formationen hinweisen, die sie näher untersuchen sollten. Und Millionen Menschen wären hautnah dabei. Stellen Sie sich die Faszination vor!

Sollten Sie selbst eines Tages zum Mond fliegen - was würden Sie in ihren Koffer packen, um es auf den Mond zu bringen?
Ein Foto meiner Familie wäre auf jeden Fall dabei. Vielleicht würde ich auch eine Kopie der Himmelsscheibe von Nebra mitnehmen. Sie zeigt die älteste von Menschen gefertigte Darstellung des Kosmos - unter anderem auch den Mond. Wenn ich sie auf dem Mond ablegen würde, wäre das ein schönes Symbol, das zeigt, wie weit wir Menschen im All inzwischen gekommen sind.

Forschungsstätte und Tankstelle im All: Warum der Mensch wieder zum Mond aufbricht, lesen Sie in der großen Analyse der WirtschaftsWoche.

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