Quantencomputer Das Computer-Abo in der Provinz – für 11.500 Euro im Monat

IBM und die Fraunhofer-Gesellschaft haben in Ehningen den leistungsstärksten kommerziellen Quantencomputer außerhalb der USA in Betrieb genommen. Quelle: IBM

IBM und die Fraunhofer-Gesellschaft haben in Ehningen den leistungsstärksten kommerziellen Quantencomputer außerhalb der USA in Betrieb genommen. Doch damit diese Supercomputer ihr volles Potenzial ausspielen können, fehlt es noch an entscheidender Stelle.

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Als sich die Physikerin Angela Merkel und die Informatikerin Virginia Rometty im Januar 2019 am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos zum Gespräch trafen, überraschte das Ergebnis des Treffens nicht bloß die Entourage der deutschen Bundeskanzlerin und der damaligen Vorstandsvorsitzenden des IT-Konzerns IBM. Vor allem in der deutschen Forschungslandschaft und der Industrie sorgte eine Verabredung der beiden Frauen für gespannte Aufregung.

Denn was Rometty der Kanzlerin in den Schweizer Alpen zugesagt hatte, bedeutete nicht weniger als einen radikalen Schwenk in der Vertriebsstrategie des Computerkonzerns für seine wichtigste Zukunftstechnologie. Gerade erst hatte Rometty das IBM System Q One als ersten kommerziell verfügbaren Quantencomputer vorgestellt; verbunden mit der Ankündigung, dass das System in einem Rechenzentrum nördlich von New York installiert werden solle.

Nach dem Treffen mit Merkel aber sagte die IBM-Chefin zu, dass ein weiteres Exemplar des neuen Supercomputers in Deutschland installiert werde, am Sitz der deutschen IBM-Tochter in Ehningen nahe Stuttgart. Technisch betrieben von IBM, aber verwaltet und wissenschaftlich genutzt von der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft und bezahlt vom deutschen Staat. Rund 650 Millionen Euro sollen an Fördermitteln des Bundes in das Projekt geflossen sein, heißt es. Weitere 40 Millionen steuerte das Land Baden-Württemberg dazu bei.

Knapp zweieinhalb Jahre nach dem Treffen in den Alpen ist der Quantenrechner, das erste kommerzielle IBM-System außerhalb der USA, an diesem Dienstag offiziell eingeweiht worden. Die Maschine soll nicht nur den Fraunhofer-Instituten zur wissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung stehen. Auch Unternehmen können sich für eigene Studien oder für Tests selbstentwickelter Quantenalgorithmen Rechenkapazitäten auf dem Superrechner kaufen. Das Monatsticket kostet 11.500 Euro im Abo.

Wie wichtig die Forschung an den neuen Superrechnern gerade für die Industrie ist, zeigt sich daran, dass sich – nur wenige Tage vor der Eröffnung in Ehningen – am vergangenen Freitag zehn führende deutsche Konzerne zum sogenannten Quantum Technology and Application Consortium (Qutac) zusammengeschlossen haben. Beteiligt sind Unternehmen wie BASF, BMW, Boehringer Ingelheim, Bosch, Infineon, Merck, Munich Re, SAP, Siemens und VW. Sie sollen Grundlagen schaffen für „eine erfolgreiche Industrialisierung“ des Quantencomputings und Anwendungen für die Branchen Technologie, Chemie und Pharma, Versicherung und Mobilität erforschen und zur Marktreife bringen.

Zuerst einmal aber wird es darum gehen, Quantencomputer selbst und die Arbeit mit ihnen besser zu verstehen. „Die wichtigste Herausforderung, um die neuen Rechner für Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu erschließen, ist nicht mehr die Verfügbarkeit der Rechner selbst“, sagt Darío Gil, globaler Forschungschef bei IBM, im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Schließlich gebe es erste Maschinen bereits in Forschungseinrichtungen. „Die größere Hürde ist, dass es den potenziellen Anwendern noch an Ideen für mögliche Anwendungsszenarien und – mehr noch – an Verständnis für die Technologie selbst fehlt.“

Denn die Rechner arbeiten so radikal anders als alle bisher etablierten Computersysteme. Statt wie klassische Computer nur eindeutig in binären Logiken von „0“ oder „1“ zu rechnen, können Quantencomputer bei komplexen Kalkulationen eine Vielzahl weiterer Rechenzustände annehmen und so bei aufwendigen Berechnungen zahlreiche Optionen gleichzeitig überprüfen. Dieser revolutionäre Ansatz könnte es dereinst erlauben, aufwendige Simulationen, die die Rechenleistung heutiger Computer übersteigen, auf Quantencomputern in kürzester Zeit abzuarbeiten.

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So ließen sich, hoffen die Forscher, neuartige Werkstoffe entwickeln, Medikamente testen, Investitionsrisiken kalkulieren oder auch Staus vermeiden. Zumindest langfristig. Denn bevor Fachleute in Unternehmen oder Forschungseinrichtungen so weit sind, müssen sie erst einmal lernen, die Ergebnisse der Quantenkalkulationen zu interpretieren. Darum wird es ab sofort in Ehningen gehen.

Mehr zum Thema: Bislang lässt sich mit Quantencomputern wenig anfangen. Systeme, die sich wie Lego zusammensetzen lassen, könnten das nun ändern – und sogar Kinder in Entwicklungsländern mit der neuen Technologie in Berührung bringen.

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