Sauberes Fliegen Wer gewinnt das Rennen um den besten Wasserstoffflieger?

Wasserstoff-Flugzeug von H2Fly Quelle: PR

Die Luftfahrt sucht nach CO-freien Antrieben und investiert nun stark in Wasserstoffantriebe. Der deutsche Pionier H2Fly baut jetzt sogar einen Flieger mit bis zu 40 Sitzen. Doch nicht nur Jets müssen umgerüstet werden.

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Wer in der Gegend von Stuttgart lebt, kann mitunter ein besonderes Flugzeug am Himmel beobachten. Die HY4, Spannweite gut 21 Meter, hat einen Doppelrumpf mit zwei Passagierkabinen, das sieht man selten. Das Besondere aber steckt im Innern: Der Flieger ist der erste Viersitzer, der mit einem Brennstoffzellenantrieb abgehoben ist. Das Testflugzeug stammt von H2Fly, einem Stuttgarter Luftfahrt-Start-up, das lange Zeit ziemlich unter dem Radar geflogen ist. Dabei sind die Gründer mit ihrer Technologie vermutlich so weit wie kein anderes Luftfahrtunternehmen. Ein Flugzeug mit Wasserstoffantrieb – Branchengigant Airbus will erst Mitte des Jahrzehnts einen ersten Demonstrator fertig haben. „Wir fliegen schon seit 2008“, sagt Josef Kallo, Gründer und Geschäftsführer von H2Fly.

Damals hatte ein Team am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Universität Ulm ein Wasserstoffflugzeug entwickelt und mit Testflügen begonnen. 2015 wagten Kallo und andere Teammitglieder die Ausgründung, nahmen privates Geld in die Hand. 2016 machte HY4 seinen Jungfernflug. Die neueste Version, die 2020 für die Tests eine vorläufige Verkehrszulassung erhielt, ist schon mehr als hundert Mal geflogen. 62 Mitarbeiter hat H2Fly inzwischen - und vergangenes Jahr hat, wie erst kürzlich bekannt wurde, das US-Flugtaxiunternehmen Joby Aviation das Stuttgarter Start-up übernommen.

„Niemand wollte es damals machen“, sagt Kallo über die Pionierphase der Wasserstoffflieger. Heute ist die Wasserstofftechnologie so gefragt wie nie. Immer stärker gerät die Luftfahrtbranche unter Druck, eine klimafreundliche Alternative für ölbasiertes Kerosin zu finden. Biotreibstoffe aus Pflanzen brauchen zu viel Anbaufläche, Akkus reichen allenfalls für Flüge über ein paar hundert Kilometer, sind sich die meisten Experten einig.

Hundert mal mehr Energie als im Akku

Wasserstoff dagegen hat viele Vorzüge. Hergestellt per Elektrolyse etwa aus Solar- oder Windstrom, verursacht er im Flieger weder Kohlendioxid-Emissionen noch Stickoxide. Brennstoffzellen erzeugen mit ihm Strom, der einen Elektromotor antreibt. Übrig bleibt nur Wasser. Die Energiedichte von Wasserstoff ist enorm – gemessen am Gewicht drei mal höher als Kerosin, zehn mal höher als Batterien. 

Doch es gibt auch Nachteile: Wasserstoff hat ein hohes Volumen bei gemäßigten Temperaturen, das Gas muss unter hohem Druck oder eisgekühlt bei minus 253 Grad Celsius aufbewahrt werden – in massigen Tanks, die das Flugzeug schwerer machen und Platz brauchen. Und irgendwer muss den eisgekühlten Wasserstoff auch herstellen und liefern.

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Doch die größten Probleme seien nun gelöst, ist H2Fly-Gründer Kallo überzeugt. Zusammen mit dem deutschen Flugzeugbauer Deutsche Aircraft verfolgt H2Fly ein großes Ziel: Bis 2025 soll ein Brennstoffzellenflugzeug zum ersten Testflug fertig werden, das bis zu 40 Passagieren Platz bietet und für eine maximale Reichweite von 2000 Kilometern ausgelegt ist: ein klimafreundliches Regionalflugzeug. Damit kommt man nicht über den Atlantik. Aber die meisten Flüge seien gar nicht so lang, sagt Kallo: „Mit diesem Flieger können schon 40 bis 45 Prozent des Luftverkehrs in Europa betrieben werden.“

Start-ups und Konzerne leisten sich ein Rennen

Der Zeitplan klingt ambitioniert, eine inzwischen zwei Jahre alte Studie des von der EU-Kommission geförderten Projekts Clean Sky Joint Undertaking erwartet vergleichbare Regionalflieger etwas konservativer ab 2030 bis 2035. Ab 2040 seien dann Langstreckenflieger mit 10.000 Kilometer Reichweite machbar. Immerhin hat sich die Forschung an der Technik in den vergangenen Jahren beschleunigt. Neben H2Fly entwickelt auch das britisch-amerikanische Start-up ZeroAvia einen entsprechenden Regionalflieger, erst vor ein paar Tagen haben die Gründer noch einmal 30 Millionen Dollar eingesammelt. 

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Das US-Start-up Hypoint entwickelt Hochleistungsbrennstoffzellen, Konkurrenz Universal Hydrogen aus den USA baut ein Umrüstsystem, mit dem herkömmliche Flugzeuge einen Brennstoffzellenantrieb bekommen. Erst vor ein paar Tagen hat das Start-up einen Auftrag aus Kanada für 20 Turbopop-Maschinen bekommen.

Auch die etablierten Unternehmen steigen mittlerweile ein: Der britische Triebwerkshersteller RollyRoyce hat vor wenigen Tagen eine Kooperation mit der Fluglinie Easyjet zur Entwicklung eines wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotors gestartet. Auch der Münchener Triebwerksspezialist MTU investiert verstärkt in die Wasserstofftechnik. Der Großkonzern Airbus wiederum will noch dieses Jahr Tests im Labor beginnen und 2026 einen A380 mit einem zusätzlichen Wasserstofftriebwerk in der Luft testen. 2035 will Airbus den ersten Flieger auf den Markt bringen.

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