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Schöpfung 2.0Bis zum Designerbaby ist es nicht mehr weit

Ein neues Verfahren kann das Erbgut beliebig umschreiben. Es revolutioniert die Forschung, beschleunigt die Entwicklung von Medikamenten und lässt erste Forscher vom genoptimierten Menschen schwärmen.Susanne Kutter 21.04.2015 - 17:00 Uhr

Seit Jahren klingt das Wort "Designerbaby" in den Ohren einiger Menschen wie eine Dystopie.

Foto: dpa

Jeder kennt das: ständig Rückenschmerzen von den langen Stunden am Schreibtisch, ein paar Kilo zu viel auf den Hüften. So richtig können wir ja nichts dafür, meint George Church. „Wir sind schlecht angepasst an tagtägliches Sitzen und Berge von leckerem Essen“, verkündet der Biologe von der US-Eliteuniversität Harvard.

Der moderne Mensch ist ganz und gar nicht perfekt. Warum also nicht Schöpfung spielen und ihn mit ein paar heilsamen Genen tunen? Und wenn wir schon dabei sind, könnten wir gleich das perfekte Designerbaby erschaffen, mit den passenden Erbanlagen geschützt vor Krebs, Diabetes und Mundgeruch. Oder dem Wunderkind stabilere Knochen bescheren und es weniger unter Schmerz leiden lassen. Die verantwortlichen Gene seien bekannt, sagt Church – und wirft bei Vorträgen gerne eine entsprechende Liste an die Wand.

Malaria

Forscher warnen, dass der Klimawandel Einfluss auf die Verbreitung von Malaria haben könnte. Durch die Erderwärmung vermehren sich die als Malariaüberträger bekannten Mücken stärker als früher. Mehr als eine Million Menschen sterben laut Universität Washington weltweit jedes Jahr an Malaria.

Foto: dpa

Botulismus

Die klassische Lebensmittelvergiftung, der sogenannte Botulismus, wird meist durch verdorbenes Fleisch und nicht fachgerecht eingekochtes Gemüse hervorgerufen. Botulismus ist nicht ansteckend und zeigt sich meist durch Sehstörungen sowie Probleme beim Sprechen und Schlucken. In schweren Fällen lähmt der Erreger Clostridium botulinum die inneren Organe, Erbrechen und Durchfall stellen sich ein. Betroffene sterben ohne Behandlung meist an Ersticken.

Foto: dpa

Staublunge

Eine zu Zeiten des Kohleabbaus im Ruhrgebiet weit verbreitete Krankheit ist die Staublunge. Trotz spezieller Filter und Schutzmasken, die die Lungen der Bergarbeiter schützen sollen, gibt es immer noch Krankheits- und Todesfälle durch die hohe Feinstaubbelastung. Jüngere Bergarbeiter sollen laut National Public Radio stärker betroffen sein, da die Krankheit bei ihnen schneller voranschreitet.

Foto: AP

Cholera

Die Durchfallerkrankung Cholera fordert jedes Jahr unzählige Todesopfer. Schuld ist verunreinigtes Wasser, deshalb verbreitet sich die Krankheit vor allem in den Armenvierteln dieser Welt. Das Erdbeben von Haiti rief vor vier Jahren eine große Cholera-Epidemie hervor. Seitdem sind laut Statistiken rund 8400 Menschen an Cholera gestorben.

Foto: dapd

Tuberkulose

Trotz Impfmöglichkeiten und Antibiotika konnte die Tuberkulose bisher nicht besiegt werden. Ein Grund ist eine resistente Mutation des Erregers, die sich seit den Achtzigern verbreitet hat. Die Krankheit befällt meist die Atemwege, allerdings ist auch ein Befall des Nervensystems und der Organe möglich. Tuberkulose ist nach Aids der zweitgefährlichste Erreger, laut WHO starben 2010 1,4 Millionen Menschen an der Krankheit.

Foto: dpa

Polio/Kinderlähmung

Polio war bereits einmal beinahe ausgerottet – ein Mangel an Impfungen führte seit der Jahrtausendwende allerdings zu zahlreichen Neuerkrankungen. Vor allem in Afrika ist die Krankheit wieder auf dem Vormarsch, die WHO will mit Hilfe von Impfprogrammen dagegen vorgehen. Da sich der Erreger seit jeher kaum verändert hat, ist eine Ausrottung der Krankheit mittelfristig nicht unwahrscheinlich, die nötige Schluckimpfung ist kostengünstig und einfach umzusetzen.

Foto: dpa

Syphilis

Syphilis ist eine sexuell übertragbare Krankheit, die aktuell vor allem in Deutschland und Australien verbreitet ist. 2013 meldete das Robert-Koch-Institut 5017 Neuerkrankungen, das sind 600 mehr als im Jahr 2012. Syphilis ist durch die Gabe von Penicillin heilbar.

Foto: Gemeinfrei

Meningitis/Hirnhautentzündung

Die durch Meningokocken hervorgerufene Hirnhautentzündung zeigt sich meist durch starke Kopfschmerzen, ein weiteres Indiz ist das Erscheinen von flächenhaften Blutungen unter der Haut. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 385 Erkrankungen gemeldet. Gegen die durch Meningokocken hervorgerufene Meningitis kann man sich impfen lassen, die Frühbehandlung wird mit Hilfe von Penicillin G durchgeführt.

Foto: dpa

Pertussis/Keuchhusten

Bereits im Babyalter werden Kinder hierzulande gegen Keuchhusten geimpft, weltweit erkranken allerdings immer noch Tausende Menschen jedes Jahr an der Krankheit. Das Center for Disease Control and Prevention meldete im Jahr 2012 insgesamt 48.277 Fälle von Keuchhusten in den USA, vor allem für Kinder ist die Krankheit lebensgefährlich, da sie einen Atemstillstand hervorrufen kann.

Foto: dpa

Ebola

Ebola ist in Westafrika gerade wieder auf dem Vormarsch. Die WHO zählte fast 800 Infizierte während der letzten Ebola-Epidemie, aktuell breitet sich die Seuche stetig aus – ohne Aussicht auf Besserung. Der Ebolavirus ruft das Ebolafieber hervor, das in 50 bis 90 Prozent aller Fälle tödlich verläuft. Es gibt keine Gegenmittel, lediglich die Symptome können bekämpft werden.

Foto: dpa

Die Erbanlagen müssten nur vor der Befruchtung in Ei- oder Samenzelle eingebaut werden – und würden dann an alle Nachkommen weitergegeben. Doch so ein Eingriff in die menschliche Keimbahn ist verboten; der Versuch, die Menschheit nach eigenen Ideen zu optimieren, spätestens seit dem Nazi-Rassenwahn geächtet.

Manchmal will der Forscher Gott spielen

Trotzdem: Harvard-Forscher Church ist kein Spinner. Im Gegenteil. Er ist einer der einflussreichsten Vordenker der Biologenzunft, hat ein gutes Dutzend Biotechnikfirmen gegründet und hält über 60 Patente. Doch manchmal geht der Visionär mit ihm durch. Dann will er Gott spielen.

Früher hätten ihn seine Fachkollegen ausgelacht. Doch jetzt hören sie ihm zu, sehr genau sogar. Denn Church hat Ende 2013 das Start-up Editas Medicine mitgegründet, das Patente für die Anwendung genau der Technik besitzt, mit der sich das Versprechen vom neuen, genoptimierten Menschen einlösen lässt. Crispr-Cas9 heißt das Verfahren etwas umständlich, das gerade nicht weniger als ein neues Zeitalter der Biotechnik einleitet. Mit seiner Hilfe ist es so einfach wie nie zuvor, Gene hochpräzise ein- oder auszuschalten, zu reparieren oder umzuschreiben. Bei Affen, den engsten Verwandten des Menschen im Tierreich, klappt das schon.

Diese Start-ups arbeiten an Crispr-Cas9
Start-Ups
Caribou Biosciences
Editas Medicine
Crispr Therapeutics
Intellia Therapeutics

Dann sickerte in den vergangenen Wochen durch: Erste Forscher experimentieren bereits mit menschlichen Eizellen. Bis zum Designerbaby, aufgerüstet mit Genen, die klug, schön und gesund machen, scheint es nicht mehr weit zu sein.

Die Vorstellung schreckte die Wissenschaftlergemeinde gehörig auf. In parallelen Artikeln für die Top-Journale „Nature“ und Science“ forderten hochkarätige Forscher ein Moratorium, wenn es um Eingriffe in die menschliche Evolution geht. Auch Church gehörte zu den Unterzeichnern, wohl aus der Einsicht heraus, dass da gerade ein paar Dinge außer Kontrolle zu geraten drohen.

Eines hat der Harvard-Forscher auf jeden Fall erreicht: Schlagartig ist Crispr-Cas9 berühmt geworden. Das hätte die Methode aber auch ohne die aufgeregte Diskussion um die Schöpfung 2.0 verdient, denn die Anwendungsmöglichkeiten des Verfahrens sind enorm – und damit auch dessen wirtschaftliches Potenzial. Dabei ist die Methode so simpel wie elegant.

Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Crispr-Methode (zum Vergrößern bitte anklicken)

Foto: Wirtschaftswoche Print

Entdeckt hat den Molekülkomplex Crispr-Cas9 die französische Biologin Emmanuelle Charpentier, die heute in Braunschweig am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung arbeitet. Er kombiniert eine Genschere – ein Enzym namens Nuklease – mit einem hochpräzisen Navigationssystem fürs das Erbgut. Die Schere kann den Erbgutstrang, die DNA, an jeder beliebigen Stelle zertrennen. Und zwar exakt nur dort, wo sie das Navi hingelenkt hat.

Dem Navigationssystem ein Ziel einzuprogrammieren ist denkbar einfach und kostengünstig. Ein Forscher muss dafür nur einen kurzen Abschnitt Erbgut künstlich herstellen, der genau an die fragliche Stelle im Gen passt. „Solch eine Erkennungsregion ist innerhalb von Stunden zum Preis von wenigen Euro zusammengesetzt“, sagt Ümit Pul, der beim hessischen Biotech-Unternehmen Brain mit der Methode arbeitet.

Charpentier & Church - Die Eltern der Designerbabys
Emmanuelle Charpentier
George Church

Crispr-Cas9 „erleichtert die Arbeit von Forschern unglaublich und wird Forschung und Entwicklung enorm voranbringen“, sagt die Entdeckerin Charpentier in ihrem Labor in Braunschweig. Dabei hatte die 46-jährige Pariserin gar nicht nach einem solchen Werkzeug gesucht. Sie wollte vielmehr verstehen, wie sich ihre Forschungsobjekte – Bakterien – gegen Feinde zur Wehr setzen.

Die zierliche Forscherin erkannte schnell, dass diese Schere-Navi-Kombination auch außerhalb der Bakterienwelt enorme Bedeutung haben könnte. Um die exakte Funktionsweise von Crispr-Cas9 noch besser zu verstehen, bat sie die in Kalifornien arbeitende Jennifer Doudna um Hilfe bei der weiteren Analyse. Denn die aus Hawaii stammende, nur fünf Jahre ältere Doudna ist spezialisiert darauf, den räumlichen Aufbau von solchen Enzymen und deren Funktion zu ergründen.

Charpentier und Doudna sind nobelpreisverdächtig

Nachdem die beiden im August 2012 ihre Ergebnisse in „Science“ gemeinsam veröffentlichten, brach ein Sturm der Begeisterung los. Beide wurden in der Folge mit hochrangigen Forschungspreisen bedacht. So bekommt Charpentier dieser Tage in Genf den 700.000 Schweizer Franken schweren Louis-Jeantet-Preis für Biomedizin. Sie und Doudna gelten längst als Kandidatinnen für den Medizin-Nobelpreis.

Seit der ersten Publikation ist die Forscherwelt wie elektrisiert, jeder will mit dem neuen Gentech-Werkzeug arbeiten. So explodiert die Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen förmlich. Jede neue Arbeit unterstreicht: Das System ist universell einsetzbar, es funktioniert bei allen Organismen.

Platz 10 - Merck & Co - Forschungsausgaben: 7,5 Milliarden US-Dollar

Beim US-Pharmakonzern wurden die Forschungsausgaben im Vergleich zum Vorjahr zurückgefahren, machen aber immer noch 17 Prozent des Umsatzes aus.

Quellen: Bloomberg, Thomson Reuters

Foto: AP

Platz 9 - Google - Forschungsausgaben: 8 Milliarden US-Dollar

Die einstige Suchmaschine ist innerhalb von zehn Jahren zum Internetriesen aufgestiegen - und forscht nun auch in Bereichen, die eigentlich nicht zum Kerngeschäft gehören. Mit dem Google Car (Foto) haben die Kalifornier bereits einen Prototyp für ein selbstfahrendes Auto entwickelt.

Foto: WirtschaftsWoche

Platz 8 - Johnson & Johnson - Forschungsausgaben: 8,2 Milliarden US-Dollar

Der Pharma- und Konsumgüterkonzern verkauft auch in Deutschland seine Marken wie Penaten und Listerine. 11,5 Prozent des Umsatzes werden in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte gesteckt.

Foto: AP

Platz 7 - Toyota - Forschungsausgaben: 9,1 Milliarden US-Dollar

Als erster Hersteller wollen die Japaner schon 2015 ein Wasserstoff-Auto auf den Markt bringen. Obwohl der Konzern nur 3,5 Prozent seines Umsatzes in die Forschung und Entwicklung steckt und die Ausgaben in diesem Bereich gekürzt hat, reicht das locker für die Top Ten.

Foto: AP

Platz 6 - Novartis - Forschungsausgaben: 9,9 Milliarden US-Dollar

Der Pharmariese aus der Schweiz kann damit an Toyota vorbeiziehen. Denn hier wurde bei den Forschungsausgaben nachgelegt, obwohl diese heute schon 17 Prozent des Umsatzes ausmachen.

Foto: AP

Platz 5 - Roche - Forschungsausgaben: 10 Milliarden US-Dollar

Unter den großen Pharmariesen gibt keiner mehr für Forschung und Entwicklung aus als die Schweizer. Satte 19,8 Prozent des Umsatzes fließen in den Forschungsetat.

Foto: REUTERS

Platz 4 - Microsoft - Forschungsausgaben: 10,4 Milliarden US-Dollar

Oft gehasst, doch nie verschwunden - die Erben von Microsoft-Gründer Bill Gates haben den IT-Riesen bisher durch jede Krise gesteuert, auch weil das Unternehmen die Zukunft nicht vernachlässigt. 13,4 Prozent des Umsatzes fließen in die Forschung und Entwicklung.

Foto: REUTERS

Platz 3 - Intel - Forschungsausgaben: 10,6 Milliarden US-Dollar

Auf dem Chipmarkt sind die US-Amerikaner unangefochtener Marktführer. Sie haben es früh geschafft, sich auch bei mobilen Geräten zu etablieren - und stecken von den Forschungsriesen mit 20,1 Prozent den größten Umsatzanteil in die Forschung und Entwicklung.

Foto: REUTERS

Platz 2 - Samsung - Forschungsausgaben: 13,4 Milliarden US-Dollar

Die Koreaner fordern Apple heraus und haben ihre Forschungsausgaben im neuen Jahr um satte drei Milliarden Dollar aufgestockt. So entwickelt sich der Technologieriese schneller als die Konkurrenz - obwohl der Aktienkurs zuletzt darunter leiden musste.

Foto: WirtschaftsWoche

Platz 1 - Volkswagen - Forschungsausgaben: 13,5 Milliarden US-Dollar

Kein Konzern gibt weltweit mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus als der deutsche Autoriese aus Wolfsburg. Satte 5,2 Prozent fließen in die Entwicklung neuer Modelle und Antriebe. Damit sind die Deutschen Forschungsweltmeister.

Foto: WirtschaftsWoche

Entsprechend breit sind die Anwendungen – von der industriellen Biotechnik über Medizin und Pflanzenzucht bis zur Lebensmittelbranche.

Dort – bei Joghurtkulturen – wurde Crispr zum ersten Mal genutzt. Beim damals noch dänischen Enzymhersteller Danisco, der heute zum US-Chemieriesen DuPont gehört, untersuchte Bioingenieur Rodolphe Barrangou 2007, wie sich Bakterien, die Milch in Speisejoghurt umwandeln sollten, vor krankmachenden Viren schützen ließen. Denn wenn die Bakterien kränkeln, klappt das mit dem Joghurt nicht.

Barrangou entwickelte eine Art Impfung nach dem Crispr-Prinzip, ohne damals dessen genaue Funktionsweise zu kennen. Mittlerweile impfen viele Lebensmittelkonzerne ihre Kulturorganismen auf diese Weise. „Wenn Sie Joghurt oder Käse essen, sind die Chancen sehr groß, dass sie Crispr-isierte Zellen verspeisen“, sagt Barrangou, der inzwischen an der North Carolina State University forscht und bei den Crispr-Firmen Caribou und Intellia engagiert ist.

Gen-Therapie erobert Deutschland

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Auch Pharmariesen sind bereits eingestiegen. So gab der schwedisch-britische Konzern AstraZeneca im Januar bekannt, ganz offensiv in die neue Technik zu investieren und eng mit Spitzenforschungsinstituten in Großbritannien und den USA zu kooperieren. Lorenz Mayr, im Konzern für die weltweite Entwicklung von biologischen Testsystemen zuständig, will zunächst Versuchstiere, in der Regel Mäuse, gentechnisch so verändern, dass sie als Modell für menschliche Krankheiten dienen können – und das viel schneller als bisher.

Heute dauert es zehn bis zwölf Monate, bis solch ein Tiermodell steht. „Mit Crispr-Cas9 schaffen wir das in einem Fünftel der Zeit“, sagt der Molekularbiologe. Je eher er und seine Kollegen wüssten, ob eine neue Substanz wirke, desto schneller könnten sie sich ganz auf die besten, vielversprechendsten Moleküle konzentrieren. Das ist Geld wert. Denn wenn ein Medikament nach Patentanmeldung früher auf den Markt kommt, genießt es länger den wertvollen Patentschutz. Während der läuft, dürfen Wettbewerber kein Nachahmerprodukt anbieten.

Kleiner Pieks, große Wirkung

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Die neue Art der Genchirurgie wird aber nicht nur die Produktionszyklen in der Pharmaindustrie beschleunigen. „Sie ermöglicht langfristig auch neue Therapieoptionen“, sagt Kemal Malik, der im Bayer-Vorstand für Innovationen zuständig ist. Etwa wenn krankmachende Gene korrigiert würden, wie etwa bei Blutern oder manchen Augenleiden.

An solchen Gentherapien arbeiten weltweit schon 181 Unternehmen, die Zahl der weltweiten Versuche liegt bei 2142 registrierten Studien. Mit Crispr-Cas9 könnte das Ganze noch einfacher werden. Denn die klassischen Gentherapeuten haben ein Problem: Sie können ihr Reparaturset nur rein zufällig irgendwo im Genom abladen. Crispr-Cas9 aber fährt exakt die Stelle an, die aus- oder angeschaltet, entfernt oder umgebaut werden soll.

Eine Hürde muss das Wunderwerkzeug aber noch nehmen. Da der Enzymkomplex ausschließlich im Inneren von Zellen und dort im Zellkern arbeitet, muss er im menschlichen Patienten erst einmal dort hingelangen. Anders als im Laborschälchen braucht Crispr-Cas9 eine Art Taxi, das es zum Beispiel zum betroffenen Organ und dann in dessen Zellen und deren Zellkerne bringt. Erst dort, inmitten des Erbguts, funktioniert das eigene Navi und zeigt der Schere, wo sie ihre Schnitte im Erbgut setzen soll.

Bei bisheriger Gentherapie klappt dieser Transport aber schon recht gut, mit speziellen Fähren – etwa mit für Menschen harmlosen Viren und Nanopartikeln.

Streit ums Patent

Platz 10: MabThera

Der Wirkstoff nennt sich Rituximab. Das Medikament wird für die Behandlung von Lymphomen eingesetzt. In der EU vertreibt Roche es unter dem Handelsnamen MabThera, in den USA heißt es Rituxan. 2013 brachte es rund 6,26 Milliarden Dollar ein. Das waren 5,7 Prozent mehr als im Vorjahr.

Bild: Roche Pharma AG

Datenquelle: IMS Health

Foto: Presse

Platz 9: Cymbalta

Der Wirkstoff dieses Medikaments heißt Duloxetin. Dabei handelt es sich um ein Mittel, das bei Depressionen und Angststörungen eingesetzt wird. Vermarktet wird es von Eli Lilly; der Firma spülte es im Jahr 2013 6,46 Milliarden Dollar in die Kassen - eine Steigerung um 13,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Bild: Lilly Deutschland GmbH

Foto: Presse

Platz 8: Remicade

Remicade ist der Handelsname von Infliximab. Dabei handelt es sich um einen Antikörper, der das Immunsystem vielfach beeinflusst. Eingesetzt wird das Medikament vor allem gegen Rheuma-Erkrankungen. In Deutschland wird es von MSD vertrieben. 2013 erzielte es einen Umsatz von rund 7,68 Milliarden Dollar - 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr.

Bild: MSD Sharp & Dohme GmbH

Foto: Presse

Platz 7: Abilify

Otsuka Pharmaceuticals vertreibt das Arzneimittel Aripiprazol unter dem Namen Abilify. Es wird zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzt. Mit 7,83 Milliarden Dollar in 2013 landet es auf Rang sieben. Das entspricht einem um 14,6 Prozent höherer Umsatz als noch im Vorjahr.

Foto: "Abilify bottle" by Eric Gingras, via Wikipedia

Foto: Creative Commons

Platz 6: Nexium

Das Magenmittel von AstraZeneca mit dem Wirkstoff Esomeprazol liegt im Mittelfeld bei den Top-Ten-Präparaten. Der Umsatz 2013 lag bei 7,86 Milliarden Dollar - ein Plus von 7,0 Prozent.

Bild: AstraZeneca

Foto: Presse

Platz 5: Lantus

Lantus wird von Sanofi-Aventis hergestellt. Es enthält "Insulin glargin" und wird zur Behandlung von Diabetes eingesetzt. Mit einem Zuwachs von 23,3 Prozent legte es die stärkste Steigerung innerhalb der Top Ten hin. Umsatz 2013: 7,94 Milliarden Dollar.

Foto: dpa

Platz 4: Enbrel

7,95 Milliarden Dollar Umsatz (plus 8,7 Prozent) machte dieses Medikament von Pfizer. Der Wirkstoff Etanercept wird zur Behandlung von Rheuma und der entzündlichen Hautkrankheit Psoriasis eingesetzt.

Foto: AP

Platz 3: Crestor
Als Cholesterinsenker aus der Gruppe der Statine machte AstraZenecas Medikament Crestor im Jahr 2013 einen Umsatz von 8,15 Milliarden Dollar. Das entspricht einem Plus von 1,5 Prozent. Der Wirkstoff heißt Rosuvastatin.

Foto: Presse

Platz 2: Seretide

GlaxoSmithKline machte mit der Arznei Salmeterol unter dem Namen Seretide 2013 9,21 Milliarden Dollar Umsatz - ein Zuwachs von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es erweitert die Bronchien und wird zur Behandlung von Asthma eingesetzt.

Foto: REUTERS

Platz 1: Humira

Der Wirkstoff Adalimumab wird von AbbVie als "Humira" vertrieben. Dabei handelt es sich um einen sogenannten TNF-Blocker, der etwa zur Behandlung von rheumatoider Arthritis oder Morbus Crohn eingesetzt wird. Es gilt als eines der teuersten Medikamente in Deutschland. 2013 brachte es weltweit 9,85 Milliarden Dollar ein. Das entspricht einem Plus von 18,5 Prozent.

Foto: AP

Solange der Weg in die Patientenzellen noch nicht geklärt ist, scheint die Strategie des Schweizer Pharmakonzerns Novartis sehr pfiffig. Dessen Forscher holen die entscheidenden Zellen, in diesem Fall solche des Immunsystems, einfach aus dem Körper heraus und rüsten sie dann gentherapeutisch gegen Tumore auf. Zurück im Körper, sollen sie Krebszellen töten. Nun legt Novartis offenbar mit Crispr-Cas9 den Turbogang ein: Im November beteiligten sich die Schweizer an der Gründung von Intellia, der Firma von Barrangou.

Intellia hat, sobald diese erteilt sind, Zugriff auf einen Teil der Patentrechte an der Technik. Der andere Teil, ebenfalls noch nicht erteilt, liegt bei Charpentier und ihrem Baseler Start-up Crispr Therapeutics. Beide Unternehmen dürften künftig weiter an der Bekämpfung von Krankheiten arbeiten, die genetische Ursachen haben – von Herz-Kreislauf-Leiden über Krebs und Diabetes bis hin zu Parkinson.

George Church hat unterdessen einen veritablen Patentstreit angezettelt. Die von ihm und dem Forscher Feng Zhang mitgegründete Firma Editas trieb die Patentierung von Crispr-Cas9 voran – auf der Basis von Zhangs Arbeiten. Gegen diese schon erteilten Patente, auf die Editas zugreifen darf, hat Doudnas Universität jetzt Einspruch erhoben, weil sie ihre Anträge früher eingereicht hat.

Insidern zufolge wird es Jahre dauern, bis die Patentrechte geklärt sind. Das droht die kommerzielle Nutzung der Methode zu erschweren. Zumal Doudnas Ansprüche – und die von Charpentier – noch geprüft werden.

Was Church nicht hindert, sein Netzwerk in alle Richtungen auszubauen. So hat er auch noch das Unternehmen E-Genesis gegründet, das Crispr-Cas9 in der Tierzucht nutzen will. Die Firma kooperiert mit hochkarätigen Reproduktionsmedizinern in der Humanmedizin und Firmen wie dem Start-up OvaScience aus Cambridge. Sie soll eine Art von Eistammzellen vermarkten, die der Harvard-Forscher Jonathan Tilly gefunden haben will. Mit deren Hilfe will er erstmals befruchtungsfähige menschliche Eizellen im großen Stil nachzüchten können. Bisher lassen Ärzte Eizellen für die künstliche Befruchtung mithilfe einer brachialen Hormonkur im weiblichen Körper wachsen und reifen. Neben ethischen Bedenken behindert gerade dieser Mangel an menschlichen Eizellen das fröhliche Basteln am Embryo. Tillys Eistammzellen könnten das ändern.

Embryo-Design ist nur noch eine Frage der Zeit

Die meisten der mit Crispr befassten Forscher und Firmenchefs betonen, dass sie nicht an den Keimzellen – also Eizellen oder Spermien – von Menschen arbeiten wollen. Auch halten hochdekorierte Stammzellforscher wie der deutsche Harvard-Professor Rudolf Jaenisch Tillys Entdeckung für „wissenschaftlich absolut nicht nachvollziehbar“ und „totale Scharlatanerie“. Da aber auch andere Forscher daran arbeiten, die begehrten Eistammzellen aus Körperzellen zu gewinnen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand am Embryo-Design versucht.

Erste Manuskripte von Fachartikeln über genau solche Versuche kursieren gerade und warten auf ihre Veröffentlichung, bestätigt Jaenisch: „Wir müssen sehr genau darauf achten, was wir zur Publikation zulassen wollen.“ Vieles sei Effekthascherei. Christiane Woopen, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, sieht die Entwicklung mit Sorge. Zwar sei die Gesetzeslage in Deutschland und vielen europäischen Staaten klar: „Keimbahneingriffe am Embryo sind verboten.“ Doch sie weiß auch, dass mit den bereits vorhandenen Möglichkeiten, Embryonen vorgeburtlich zu testen und dann – etwa bei schweren Erkrankungen auch in Deutschland ganz legal – abzutreiben, eine Grenze überschritten sein könnte. Die Fragen zur Keimbahntherapie müssten heute global geregelt werden, sagt Woopen: „Sonst reisen Eltern, die das wünschen, eben in ein Land ohne Verbot.“ Sie will das Thema aufs Programm des nächsten weltweiten Treffens der nationalen Ethikräte setzen, dessen Gastgeberin sie im März 2016 in Berlin ist.

Das ist spät, vielleicht zu spät. Denn andere schaffen Tatsachen, die unser Selbstverständnis als Menschen grundsätzlich infrage stellen. So glaubt Church: „Wir behandeln genetische Erkrankungen immer früher, sicherer und effektiver, damit könnte die Therapie von Embryonen zur akzeptablen Randerscheinung werden.“ Solche Eingriffe würden uns eines Tages ganz normal vorkommen, so wie es heute normal sei, dass Ärzte sehr unruhige Kinder mit Ritalin behandeln oder solche mit einer Hasenscharte operieren: „Genauso werden die neuen Methoden es Eltern ermöglichen, über Verhalten und Aussehen ihrer Kinder zu entscheiden.“

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