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Start-ups in KonzernstrukturenWarum Fresenius mit seiner Digitaltochter Curalie fremdelt

Der Gesundheitskonzern Fresenius will offenbar sein Digital-Start-up Curalie verkaufen. Er wäre nicht das erste Großunternehmen, bei dem sich Konzern- und Gründerstrukturen als unvereinbar erweisen.Thomas Kuhn 20.09.2023 - 17:08 Uhr

Am Firmensitz des Gesundheitskonzerns Fresenius in Bad Homburg treibt CEO Michael Sen knapp ein Jahr nach Amtsantritt den Umbau des Unternehmens voran. Nun steht wohl das interne Start-up Curalie zur Disposition.

Foto: dpa

Jetzt also Fresenius. Offiziell gibt man sich bei dem Gesundheitskonzern noch zugeknöpft, doch viel spricht dafür, dass sich das Unternehmen von seiner Digitaltochter Curalie trennen will. Noch ist der Verkauf nicht in trockenen Tüchern, Szenekenner bestätigen aber, dass der Frankfurter Konzern auf der Suche nach Interessenten sei, die das Start-Up übernehmen möchten. Laut „Handelsblatt“, das als erstes über die Verkaufsabsichten berichtet hatte, will Fresenius-Chef Michael Sen den Fokus des Unternehmens schärfen und Randbereiche des Geschäfts verkaufen.

Gemessen am Milliardenumsatz des Mutterhauses ist Curalie, das als Start-up in den Konzernstrukturen neue digitale Geschäftsfelder erschließen sollte und unter anderem Gesundheits-Apps und -Software für Online-Arzttermine entwickelt, nur ein ökonomischer Winzling. Und zwar einer, der noch jährlich Defizite in siebenstelliger Höhe produziert. Doch das allein dürfte nicht Grund für die Verkaufspläne sein.

Punks versus Orchester

Viel spricht dafür, dass sich bei Fresenius ein Phänomen zeigt, an dem viele Versuche von Konzernen kranken, neben dem eigentlichen Kerngeschäft intern Start-up-Strukturen zu betreiben. Ziel solcher Gründungen ist fast immer, etablierte Prozesse und Strukturen aufzubrechen und den meist schwerfälligen Unternehmen mehr Dynamik und Innovationsfähigkeit einzuimpfen. Genau das geht in der Regel schief. „Konzerne sind Orchester, Startups sind Punks“, bringt es der Experte für Beziehungsmangement und Unternehmensberater Reinhold Rapp auf den Punkt. Und das hat Folgen: Nach Schätzungen aus Beraterkreisen scheitern zwei Drittel bis drei Viertel aller konzerninternen Start-up-Projekte.

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Ein Großteil der sogenannten Corporate-Start-ups erreicht gar nicht erst den Markteintritt, weil die Gründer- und Konzernstrukturen bereits zuvor kollidieren. Was Start-ups dynamisch und innovativ macht, flache Strukturen, kurze Entscheidungswege, hohe Risikobereitschaft – all das erweist allzu oft als dauerhaft inkompatibel mit den schwerfälligen Denk- und Arbeitsweisen etablierter Unternehmen. 

Zu viel Fokus auf Randthemen

Dazu kommt, dass die neuen Geschäftsfelder, gemessen am Gesamtgeschäft, vielfach überproportional viel Aufmerksamkeit des obersten Managements erfordern, ohne kurzfristig einen nennenswerten Beitrag zu den Erlösen liefern zu können. Das gilt für Fresenius und Curalie ebenso wie etwa für den Öl-Multi Shell, der das erst vor vier Jahren zugekaufte Energie-Start-up Sonnen ebenfalls wieder loswerden will, wie das „Handelsblatt“ vor wenigen Tagen berichtete

Das Sonnen-Investment zeigt nebenbei, wie lukrativ Start-ups für Konzerne trotz allem sein können: Ein Verkauf dürfte sich für Shell lohnen. Gerüchteweise könnte der bayrische Spezialist für Energiespeichersysteme bei einem Verkauf mit mehr als dem Dreifachen des Kaufpreises von rund 500 Millionen Euro bewertet werden, den Shell 2019 für das Start-up bezahlt hat. Was aber nichts daran ändert, dass die speziell in Deutschland und in Teilen Europas relevante Sparte Erneuerbare Energien, verglichen mit dem globalen Geschäft, noch immer eine Randaktivität bei Shell ist. Auch wenn diese immerhin ein knappes Zehntel des Konzerngewinns liefert.

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Für Shell, das neben Sonnen seit 2019 auch die deutschen Greentech-Start-ups Next Kraftwerke und den Ladespezialisten Ubricity übernommen hat, liegt der Fokus künftig wieder darauf, das traditionelle Geschäft mit fossilen Brennstoffen zu stärken. Zwar will offiziell auch bei dem Öl-Multi niemand davon sprechen, dass sich Konzern- und Start-up-Strukturen nicht vertragen hätten. Unter der Hand aber berichten Beteiligte, es habe an Reibungspunkten zwischen der traditionellen Welt des globalen Unternehmens und der teils noch immer hemdsärmeligen Start-up-Struktur nicht gemangelt.

Unterstützung in der Konzernführung fällt weg

Wie schwierig das Miteinander der Gründercrew bei Curalie und bei Fresenius war, darüber gibt es unterschiedliche Darstellungen. Klar aber ist, dass das einstige digitale Prestigeprojekt, das der langjährige Vorstandschef der Fresenius-Tochter Helios, Francesco De Meo, vorangetrieben hatte, nicht mehr in die neuen, von Fresenius-CEO Sen deutlich fokussierten Konzernstrukturen von Fresenius passt. Umso weniger, als De Meo selbst vor wenigen Tagen den Gesundheitskonzern verlassen hat.

Bleibt die Frage, welcher Investor sich angesichts des weiterhin hohen Finanzbedarfs durch die Anlaufkosten für eine Übernahme von Curalie begeistern könnte? Immerhin gilt die Digitalisierung von Gesundheitsdienstleistungen grundsätzlich ebenso als Wachstumsmarkt wie etwa das Angebot von virtuellen Ärztesprechstunden oder Online-Terminmanagement im Netz, das die Fresenius-Tochter ermöglicht. 

Als zumindest potenzielle Käufer werden allerdings, neben Finanzinvestoren, auch große Krankenkassen gehandelt, die ebenfalls aktuell ihre Digitalangebote stark ausbauen und für die zumindest ein Teil der Curalie-Dienste attraktiv sein könnte. Bisher aber hat sich noch kein Interessent aus der Deckung gewagt.

Lesen Sie auch: Für viele Gründer beginnt nach dem Exit eine große Suche. Was tun, wenn man finanziell ausgesorgt hat? Antworten von Menschen, die sich auf eine besondere Reise begeben haben.

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