1. Startseite
  2. Technologie
  3. Forschung
  4. Strategiechef von Space Cargo Unlimited: „Wir kratzen gerade erst am Weltall“

Ab 2026 schickt das europäische Start-up Space Cargo Unlimited seine Forschungsplattform "Bento Box" in die Erdumlaufbahn. Foto: Presse

Strategiechef von Space Cargo Unlimited„Wir kratzen gerade erst am Weltall“

Warum Jan Wörner, Ex-Chef der Weltraumorganisation Esa, jetzt Fabriken im Weltall vorantreibt – und von Flügen zum Mars abrät.Andreas Menn 31.12.2025 - 16:33 Uhr

WirtschaftsWoche: Herr Wörner, Sie haben Europas Weltraumorganisation geleitet – jetzt treiben Sie als Strategiechef beim Start-up Space Cargo Unlimited die Fertigung im All voran. Was genau haben Sie vor?
Jan Wörner: Wir entwickeln eine Mischung aus Labor und Fabrik im All: eine Weltraum-Plattform, mit der Forscher neue Dinge in der Schwerelosigkeit ausprobieren – und Unternehmen auch in kleinem Umfang eine Produktion im All aufbauen. Für mehrere Flüge haben wir schon Aufträge, der erste Start ist im Jahr 2026.

Wie wird das aussehen?
Kennen Sie Bento-Boxen – die Kästchen, in denen Japaner Sushi zum Essen reichen? So heißt auch unser Forschungsmodul: eine Box, die mit Strom versorgt wird, ihre Temperatur regelt und vieles mehr – und in der unsere Kunden Versuche im All durchführen. Die Box fliegt mit unterschiedlichen Raumtransportern ins All und kehrt dann nach kürzerer oder längerer Zeit wieder zurück.

Wofür wird das genutzt?
Die Schwerelosigkeit bietet ganz neue Möglichkeiten für Experimente, etwa in der Medizin, der Biologie oder den Materialwissenschaften. Im All können Sie plötzlich Wirkstoffe mischen, die sich auf der Erde immer wieder voneinander trennen. Sie können Legierungen von schweren und leichten Materialien erschaffen, die auf der Erde aufgrund unterschiedlicher Gewichte und Schmelzpunkte nicht machbar sind.

Johann-Dietrich „Jan“ Wörner Foto: picture alliance / SVEN SIMON
Zur Person
Johann-Dietrich „Jan“ Wörner

Und die Ergebnisse lassen sich auch auf der Erde gebrauchen?
Ja, es sind im All etwa schon Weinpflanzen gezüchtet worden, die sich als besonders resistent gegen Mehltau erwiesen haben – auch die nachfolgenden Generationen, die man auf der Erde davon gezogen hat. Pflanzen bauen im All Stress auf und entwickeln Mutationen, die wir nutzen können. In der Schwerelosigkeit lassen sich auch hochreine Werkstoffe produzieren: Es sind im All etwa schon Glasfaserkabel mit viel besserer Qualität hergestellt worden als unter Schwerkraft.

Kann man solche Dinge nicht auch auf der Internationalen Raumstation ISS entwickeln?
Die ISS ist in ein paar Jahren an ihrem Ende. Wir müssen auch danach Aktivitäten in der Schwerelosigkeit ermöglichen. Die Nachfrage ist da, von Hochschulen bis zu Pharmaunternehmen. Plattformen wie die BentoBox helfen, den Zugang zum All zu kommerzialisieren.

Die Kommerzialisierung der Raumfahrt war auch eines ihrer Ziele als Generaldirektor der ESA. Lange lag Europa da hinter den USA zurück. Wie ist die Lage heute?
Sicher, Elon Musk dominiert den amerikanischen Markt massiv mit seinen Aktivitäten. Tatsache ist aber, dass Europa diesen Kommerzialisierungskick jetzt auch verinnerlicht hat und auch umsetzt. Europäische Start-ups entwickeln Satelliten, die etwa Landwirte mit Informationen versorgen, oder KI, die Kollisionen im All vermeidet. Und kürzlich hat der Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, Josef Aschbacher, darauf hingewiesen, dass auch die ESA stärker den Weg der Kommerzialisierung unterstützt.

Auf der ESA-Ministerratskonferenz in Bremen Ende November wurde allerdings auch viel über Sicherheit und Verteidigung im Weltraum gesprochen. Das offizielle Motto lautete: „Europas Autonomie und Resilienz stärken.“
Autonomie ist ein Begriff, bei dem ich immer ein wenig zucke. Ich habe stattdessen immer für den Begriff der Souveränität geworben. Das soll heißen, dass man entscheiden kann, was man im All selbst tut und was man in Partnerschaft macht. Ich war immer für Kooperation, habe mich etwa für ein Moon Village eingesetzt, ein Monddorf mit vielen unterschiedlichen Partnern.

Derzeit nehmen allerdings die internationalen Spannungen zu, geplante Weltraumprojekte etwa der ESA mit Russland liegen auf Eis.
Als Alexander Gerst im Jahr 2014 seinen ersten Start hatte, hatte Russland gerade die Krim eingenommen und ich war zum Raumfahrtbahnhof Baikonur eingeladen. Und wunderte mich sehr, dass ich tatsächlich dorthin kam und mit russischen, amerikanischen, europäischen Kollegen eine entspannte Situation vorfand. Meine Hoffnung war: Wir sind wieder in einer stabilen neuen Phase. Das war eine Fehleinschätzung.

Im Jahr 2021 hat Russland dann demonstrativ einen ausgedienten Satelliten im All abgeschossen…
Das haben alle gemacht, muss man sagen – China, auch die USA. Nur Europa hat es bisher nicht getan. Und ich sage bisher, weil ich den deutschen Verteidigungsminister neulich gehört habe, und da klang auch so etwas heraus.

Fabriken im Weltall

Dieses deutsche Start-up startet Frachtflüge in den Weltraum

von Andreas Menn

Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach davon, dass wir uns auch im Weltraum verteidigen müssen – und aktive Fähigkeiten im All aufbauen müssten.
Wir sollten nicht Star Wars spielen. Schauen Sie auch einmal auf die Konsequenzen: Wenn wir anfangen, Satelliten zu zerstören, erzeugen wir Weltraumschrott, den wir dringend vermeiden sollten. Es gibt übrigens auch eine UN-Charta aus den 60er Jahren, die das untersagt. Überwachung aus dem Weltraum sehe ich dagegen relativ locker – je transparenter wir darstellen, was auf der Erde los ist, desto ungefährlicher wird die Situation. Und ich hoffe, dass die Aufklärung aus dem All künftig stark von kommerziellen Anbietern organisiert wird.

Auch die ESA sollte Weltraumdienste also noch stärker einkaufen als bisher?
Erdbeobachtung, Navigation, Telekommunikation – in diesem Tagesgeschäft muss die öffentliche Hand in erster Linie Kunde sein. Wenn ich heute noch ESA-Chef wäre, würde ich die Kommerzialisierung der Raumfahrt auf höchstem Niveau vorantreiben – auch mit ganz neuen Technologien, etwa der Quantensensorik. Zum anderen würde ich visionäre Projekte voranbringen – etwa zu spannenden Monden wie Europa oder Enceladus.

Gerade hat ESA-Chef Aschbacher angekündigt, dass der erste europäische Mensch, der zum Mond fliegt, aus Deutschland kommen soll.
Ich habe immer gesagt: Es gibt keine deutschen, englischen, französischen Astronauten. Es gibt nur europäische Astronauten mit unterschiedlichen Führerscheinen. Für mich ist die Raumfahrt ein ganz wichtiges Bindeglied für die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. Deshalb freue ich mich, wenn ein europäischer Astronaut jetzt frühzeitig mit zum Mond darf – und dass Europa, Amerika und andere Länder gemeinsam zum Mond fliegen.

Schon im Frühjahr 2026 soll die erste Crew zum Rundflug um den Mond aufbrechen. Was kann die Menschheit dort finden?
Der Mond ist eine Art Archiv des Sonnensystems, das wir erkunden können: Er ist vermutlich entstanden durch die Kollision der Erde mit einem anderen Planeten. Und hat sich seitdem wenig verändert, er hat keine Pflanzen- und Tierwelt, wenig Erdbeben. Und wenn wir auf die Rückseite des Mondes fliegen, könnten wir dort aus Mondmaterial Teleskope aufbauen, die sehr tief ins All schauen können. Spätestens seit Jules Verne weckt die Reise zum Mond auch Faszination. Und das inspiriert junge Leute, Visionen zu verfolgen, auch in ganz anderen Bereichen.

Manche wollen statt zum Mond lieber gleich zum Mars aufbrechen, etwa SpaceX-Gründer Elon Musk. Eine gute Idee?
Zum Mond und zurück können sie in einer Woche fliegen – wenn Ihnen nach zwei Tagen der Bauch grummelt, dann warten Sie ein paar Tage, bis Sie wieder zurück sind und eine anständige Untersuchung bekommen. Wenn Sie zum Mars unterwegs sind und nach einem Monat bekommen Sie heftige Schmerzen – dann müssen Sie vielleicht zwei Jahre durchhalten. Und das finde ich aus ethischen Gesichtspunkten nicht okay. Außerdem sind Sie auf der Reise extremer Strahlung ausgesetzt. Flüge zum Mars verbieten sich im Moment mit der heutigen Technologie.

Stehen wir beim Aufbruch ins All also noch ganz am Anfang?
Der Mond ist relativ nah, keine 400.000 Kilometer entfernt. Die kürzeste Entfernung zum Mars sind 60 Millionen Kilometer, der nächste Planet danach ist Jupiter, 600 Millionen Kilometer weit weg. Bis wir dahin mit Menschen aufbrechen können, brauchen wir ganz andere Antriebe. Als Spezies kratzen wir gerade erst am Weltall.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
Stellenmarkt
Die besten Jobs auf Handelsblatt.com
Anzeige
Homeday
Homeday ermittelt Ihren Immobilienwert
Anzeige
IT BOLTWISE
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Remind.me
Jedes Jahr mehrere hundert Euro Stromkosten sparen – so geht’s
Anzeige
Presseportal
Lesen Sie die News führender Unternehmen!
Anzeige
Bellevue Ferienhaus
Exklusive Urlaubsdomizile zu Top-Preisen
Anzeige
Übersicht
Ratgeber, Rechner, Empfehlungen, Angebotsvergleiche
Anzeige
Finanzvergleich
Die besten Produkte im Überblick
Anzeige
Gutscheine
Mit unseren Gutscheincodes bares Geld sparen
Anzeige
Weiterbildung
Jetzt informieren! Alles rund um das Thema Bildung auf einen Blick