Wallbox-Boom „Das war die große Wette, ob die Immobilienbranche das mitmacht“

Zu Hause das Elektroauto laden: Die Förderung für Wallboxen ist ausgelaufen. Quelle: imago images

Mehr Elektroautos verlangen mehr Ladepunkte, gerade zu Hause. Junge Firmen wollen von diesem neuen Bedürfnis profitieren. Aber können sie sich gegen die Konkurrenz großer Unternehmen durchsetzen?

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Zwei Männer, zwei Start-ups, ein Problem: Sowohl Stephan Schwebe als auch Max Wojtynia kam die Idee zum eigenen Unternehmen, als sie sich ein Elektroauto anschafften. Das Fahrzeug war da – nur, es zu Hause zu laden, das war ein Problem. Und so machte sich Schwebe, ein ehemaliger Unternehmensberater, kurzerhand selbst daran, eine Wallbox mit passender Software zu entwerfen.

Wojtynia wiederum entwickelte ein Konzept, mit dem sich Mehrfamilienhäuser einfach mit mehreren Ladepunkten ausrüsten lassen. Auch die Namen ihrer beiden Firmen gleichen sich: Daheimladen hat Schwebe sein Start-up mit Sitz in Schwetzingen, direkt neben Heidelberg, getauft. Heimladen heißt das junge Unternehmen, das Wojtynia mitgegründet hat, mit Hauptsitz in Würzburg und einem Standort in Köln.

Immerhin 620.000 reine Elektroautos und 560.000 Plug-in-Hybride zählte das Kraftfahrtbundesamt zum Jahreswechsel. In den vergangenen Monaten hatte etwa jedes vierte neu zugelassene Fahrzeug einen dieser Antriebe. Das sorgt nicht nur für einen Boom und lange Lieferzeiten bei den Autoherstellern. Auch die Infrastruktur muss mitwachsen. Der logischste Ort, um das Auto aufzuladen, ist meist der heimische Stellplatz oder die Tiefgarage im Mietshaus. Die Nachfrage nach den sogenannten Wallboxen steigt: Anschlusspunkte, die an Wänden montiert werden, mit dem Stromnetz verbunden sind und via Kabel das Auto laden. Schwebe und Wojtynia, die beiden Gründer, wollen davon profitieren, dass Deutschland endlich die E-Mobilität entdeckt.

Ein Markt in Bewegung

Obwohl ein populäres KfW-Förderprogramm für die Installation von Wallboxen bereits im vergangenen Jahr ausgelaufen ist, gilt das Geschäft mit den Geräten sowie passender Software und Service als lukrativ. Und so herrscht auf diesem Markt viel Bewegung, oder anders gesagt: viel Konkurrenz für Schwebe und Wojtynia. Mittelständler wie die bayerische ABL oder LRT Automotive aus Heidelberg mischen da ebenso mit wie Konzerne wie ABB oder Heidelberger Druckmaschinen. Energieversorger wie Innogy oder Vattenfall bieten ebenfalls eigene oder zugekaufte Produkte.

Dazu kommen Start-ups, die sich rund um das Thema mit selbst entwickelter Hardware, dazugehöriger Software oder Servicepaketen positionieren. ChargeX aus München positioniert sein System als die „Mehrfachsteckdose für E-Autos“ und umwirbt damit Unternehmen und Wohnanlagen, in denen mehrere Ladepunkte verwaltet werden. Anbieter Elexon aus Aachen kooperiert seit diesem Frühjahr mit dem Start-up Coneva und will vor allem Firmenkunden eine Kombination aus Hard- und Software liefern.

Simple Hardware, komplexe Software

Ein Vorteil für Start-ups: Der grundsätzliche Eintritt in den Markt ist nicht so kompliziert, wie man vermuten könnte. „Was die Produktion angeht, ist eine Wallbox sicherlich keine Rocket-Science“, sagt Daheimladen-Gründer Schwebe. Er investierte früh in die Komponenten, lässt die Ladepunkte heute von einem Auftragsfertiger zusammensetzen. Auch anderswo stand keine jahrzehntelange Entwicklungsarbeit vor der Wallbox: Die Gründer des österreichische Anbieters Go-E, 

der im Frühjahr in einem ADAC-Vergleich zum Testsieger erklärt wurde, hatten zunächst elektrische Nachrüstmotoren für Fahrräder gebaut. Vor etwa fünf Jahren schalteten sie auf die Wallbox-Produktion um.

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von Anna-Maria Knaup

Ein bisschen mehr als eine Haushaltssteckdose muss eine  Wallbox aber doch können: „Die eigentliche Musik spielt in der Softwareentwicklung“, sagt Schwebe. Über eine App lassen sich Stromverbrauch und -kosten beobachten. Nutzer können einstellen, dass nur geladen wird, wenn die eigene Solaranlage überschüssigen Strom produziert. Auch Go-E achtete schon in der ersten Version der Anlage darauf, dass Updates automatisch an das Gerät übertragen werden konnten. Die Anlagen des österreichischen Unternehmens können zudem mit Stromanbietern wie Awattar verbunden werden – dann werden im Tagesverlauf schwankende Strompreise berücksichtigt.

Bei Heimladen aus Würzburg steht insbesondere das Lastmanagement im Fokus. Dahinter verbirgt sich die ausgeklügelte Steuerung, wie viel des verfügbaren Stroms auf welchen Ladepunkt verteilt wird. Die Hardware kauft das Start-up beim norwegischen Hersteller Easee ein – und schnürt drumherum ein Service-Paket. Damit richtet sich das Start-up im ersten Schritt an Immobilienentwickler, die ihre Häuser gleich mit mehreren elektrifizierten Stellplätzen ausrüsten wollen. Für den Vermieter übernimmt das Team die Planung und die Installation. Im zweiten Schritt offeriert es den Mietern eine Flatrate mit Grünstrom, die monatlich gekündigt werden kann. „Sonst wird vielleicht eine Wallbox gebaut, aber mit der Inbetriebnahme hört es gedanklich auf“, sagt Wojtynia. „Was Netflix oder 1&1 anbieten, wollen wir auf die Elektromobilität übertragen.“

Die naheliegendste Konkurrenz sind aus Sicht des Gründers die regionalen Stadtwerke, die ein großes Interesse daran haben, mehr Kunden mit Strom zu versorgen. Doch nach seiner Ansicht halten die sich auf diesem Markt noch häufig zurück. „Man findet wirklich nicht viele Anbieter, die sich auf die Immobilienseite fokussieren“, sagt Wojtynia. Investoren glauben an das Wachstumspotenzial: Im April machte Heimladen eine Finanzierungsrunde über einen hohen sechsstelligen Betrag öffentlich.

Installateure bringen neue Kundschaft

Der Mut, eine Nische zu besetzen, könnte sich auszahlen. Denn der Wettbewerb unter den Anbietern der Wallbox ist derzeit äußerst intensiv. Daheimladen will sich dagegen durch gute Beratung abheben, informiert über eine eigene Kundenhotline rund um das Thema Elektromobilität. Geht es etwa darum, eine eigene Solaranlage für den Autostrom zu nutzen, wird der Wallbox-Einbau komplex. Die ausführliche Hilfe soll zu einer möglichst hohen Weiterempfehlungsrate führen. In gut eineinhalb Jahren konnte Schwebe mehr als 10.000 Wallboxen verkaufen.

Weiteren Anschub könnten er und andere Anbieter durch Elektroinstallateure bekommen, die die Anschlusspunkte schlussendlich legen. Sie helfen Verbrauchern bei der Orientierung – und empfehlen dabei eben eher das eine oder das andere Produkt. Auf einer digitalen Karte von Go-E findet sich auch deshalb ein deutschlandweites Netz an Solarspezialisten oder Elektrotechnikbetrieben, die die Wallbox des österreichischen Herstellers im Angebot haben.

Akkus und Lager gefüllt

Solche Partnerschaften könnten für Start-ups an Bedeutung gewinnen, um schneller zu wachsen. Daheimladen ist seit Anfang dieses Jahres der offizielle Partner für Autohersteller Hyundai in Deutschland und verspricht sich dadurch einen Schub. Bislang hat sich das Start-up eher vorsichtig vorgearbeitet, um stets genüg Material auf Lager zu haben. „So haben wir keinen Kunden vergrault, weil wir ihn monatelang warten lassen mussten“, sagt Schwebe. Den eigenen Nachschub zu sichern, ist eine große Herausforderung. Go-E musste im vergangenen Jahr für einige Wochen Kurzarbeit für einen Teil der Belegschaft anordnen, weil die Auftragsbücher zwar voll waren – die Lager aber leer.

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Heimladen will dank der Finanzierung nun die nächsten Schritte gehen: „Aktuell haben wir mehr Anfragen, als wir bedienen können“, sagt Wojtynia. Für Tiefgaragen und Stellplätze von Bremen bis Landshut ist das Start-up bereits beauftragt. Die eigentliche Planung läuft dabei komplett digital anhand von Grundrissen und technischen Zeichnungen ab, vor Ort übernimmt dann ein Handwerksbetrieb als Partner. „Das war die große Wette, ob die Immobilienbranche das mitmacht“, sagt Wojtynia. Und berichtet, dass Immobilienentwickler gerade bei Neubauten das Thema Elektromobilität selbstverständlich mitdenken: „Bei Booking.com kann man heute schon danach filtern, ob ein Hotel eine Lademöglichkeit bietet“, sagt Wojtynia, „das wird in Zukunft auch bei den Immobilienportalen so sein.“

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