Queen Elizabeth II. hatte eine große Leidenschaft für Autos – das hat der deutsche Auto-Manager Wolfgang Dürheimer erleben dürfen. Als Chef der Automarke Bentley, die zum VW-Konzern gehört, war Dürheimer bis 2018 Hoflieferant von Königin Elizabeth. Er lieferte mehrere Autos persönlich an sie aus.
WirtschaftsWoche: Herr Dürheimer, wie sind Sie zum Hoflieferanten der Queen geworden?
Wolfgang Dürheimer: Bentley Motors war schon lange vor meiner Zeit als Bentley-Chairman Hoflieferant des britischen Königshauses. Der Titel königlicher Hoflieferant wird direkt an den Leiter des Unternehmens verliehen. Als ich Vorstandschef von Bentley wurde, wurde ich akkreditiert. Dafür bekam ich eine große, edle Urkunde und durfte auf meiner Visitenkarte das königliche Wappen führen.
Sind denn alle Royals Bentley gefahren?
Nein, nicht alle aber viele. Ich hatte Zutritt zum königlichen Fuhrpark. Da standen Autos von vielen Herstellern, auch einige historische Rolls-Royce-Fahrzeuge. Aber die Queen hat sich in den Jahren, in denen ich dabei sein durfte, auf Bentley konzentriert. Ihr offizielles Auto – das Queen’s Car – ist eine Sonderanfertigung von Bentley Motors. Mit etwas erhöhtem Dach, rot-schwarz gehalten, mit dem königlichen Wappen und den Standarten versehen. Davon gibt es zwei Versionen – eine fuhr immer sie, die andere fuhren ausgewählte Staatsgäste.
Welche Sonderausstattung hat diese Limousine?
Basis des Fahrzeuges ist das Modell Arnage. Die Karosserie wurde höher gebaut, sodass die Queen mit Hut einsteigen und aufrecht sitzen konnte, ohne damit oben anzustoßen. Die Fensterflächen wurden vergrößert, so dass sie bei repräsentativen Fahrten gut gesehen werden konnte. Der erste Gang wurde so angepasst, dass der Fahrer langsam fahren kann, ohne fortwährend die Kupplung schleifen lassen zu müssen. Die Sitze der Rückbank sind mit Stoff gepolstert. Auch für die Sicherheit der Königin wurde gesorgt, es gab einige Knöpfe und Funktionen, die nicht jedermann kannte. Zu Details möchte ich nichts sagen.
Können Sie denn etwas zum Wert des Fahrzeugs sagen? Angeblich liegt der bei 11 Millionen Euro.
Das Queen’s Car war ein Geschenk von Bentley Motors und der englischen Zulieferindustrie an Her Majesty the Queen. Der Wert ist unschätzbar, denn nur sie und ihr Prinzgemahl wurden darin gefahren.
Und wie war die Königin privat unterwegs?
Auch im Bentley. Ich durfte ihr persönlich zwei Fahrzeuge des Modells Mulsanne in gedecktem Dunkelgrün und hellbeiger Innenausstattung ausliefern. Den ersten hat sie sich selbst zum 60. Thronjubiläum im Jahr 2012 geschenkt. Den zweiten hat sie 2016 erworben. Ich kann mich an die Übergaben sehr gut erinnern.
Sehr gut. Wie war es denn?
Zuerst mal musste ich mich als Deutscher mit den Gepflogenheiten des Protokolls vertraut machen. Dazu gehört bei der Begrüßung ein ordentlicher Diener. Der Diener kommt ausschließlich aus dem Nacken, bei gestrecktem Rücken. Meine Mitarbeiter haben mir gezeigt, wie ein königlicher Diener geht. Sie haben mit mir im Büro geübt. Ich wollte ja die Marke Bentley ordentlich und fehlerfrei repräsentieren.
Wie liefen die Übergaben dann ab?
Ihre Majestät hat die Autos immer persönlich entgegengenommen und sie hat sie sich genau erklären lassen. Die erste Übergabe fand im Winter 2012 statt, auf Schloss Sandringham House in der Grafschaft Norfolk. Das Auto war ein weitestgehend serienmäßiges Fahrzeug, mit dem sie gerne privat fuhr, wenn sie zum Einkaufen wollte und sich möglichst unerkannt im Verkehr bewegen wollte.
Wie wurde die Übergabe geplant?
Minutiös. Wir hatten die erste Übergabe mittags um zwölf Uhr und sind, um alles perfekt vorbereiten zu können, bereits am Abend zuvor angereist. Der persönliche Fahrer der Queen, zu dem wir ein gutes, persönliches Verhältnis pflegten, hat uns bereits etwas vorher auf das Schlossgelände einfahren lassen. Zehn Minuten vor der Übergabe sind wir vors Eingangsportal gerollt. Dann wurden wir angewiesen, wer auf welcher Treppenstufe zu stehen hat – der Chef weiter oben als die Mitarbeiter. Dann haben wir gespannt gewartet. Einer Königin übergibt man nicht jeden Tag ein Auto. Dann schlug die Turm-Glocke zwölf Uhr Mittag, das Portal öffnete sich – und sie stand da.
Und dann?
Sie strahlte, freute sich. Ich habe ihr zunächst nicht gleich die Schlüssel übergeben, sondern erst einmal zum Thronjubiläum gratuliert – und dann zum neuen Auto. Damit war das Eis gebrochen. Dann haben wir uns das Fahrzeug aus der Nähe angeschaut, das hat eine knappe Stunde gedauert. Sie war sehr warmherzig, freundlich und fahrzeugtechnisch interessiert. Sie hat sich auf die Beifahrerseite gesetzt und alle Knöpfe und Bedienelemente erklären lassen. Sie hat geprüft, ob das Leder der Sitze genauso geworden ist, wie sie es sich gewünscht hat. Das königliche Wappen war die Kopfstützen eingestickt, in die Holzverkleidungen der Türen und der Instrumententafel wurde das königliche Wappen aus Edelmetall eingearbeitet.
Hat sie die Autos denn selbst bestellt?
Ja. Die Queen hatte ja im Zweiten Weltkrieg eine Lehre zur Kraftfahrzeugmechanikerin gemacht. Sie verstand viel von Autos. Sie hat sich das Auto selbst ausgesucht und spezifiziert. Sie hat persönlich entschieden, welche Außen- und Innenfarbe zum Einsatz kommen soll. Als ich ihr den ersten Bentley Mulsanne brachte, wollte sie wissen, welche Leistung und was für einen Hubraum das Auto hat. Ich habe den Motordeckel geöffnet und ihr erklärt, dass jeder Motor von einem Mechaniker verantwortet wird, der dann auch namentlich auf einer Plakette im Motorraum verewigt ist. Ich habe ihr die Plakette gezeigt, das fand sie sehr interessant. Dann haben wir noch die Turbolader im Motorraum verortet und besprochen.
Wie war die zweite Auto-Übergabe?
Die fand im Hof des Buckingham Palace statt, ich wurde an den Hintereingang bestellt, wo ich ganz in Ruhe das Auto erklären konnte. Bei der zweiten Übergabe waren wir schon etwas vertrauter. Her Majesty wusste, dass das Modell eine Radstandsverlängerung hatte und deshalb circa 25 cm länger war. Das führt auf der Rückbank zu mehr Beinfreiheit. Sie hat sich sofort nach hinten ins Auto gesetzt und wie ein verspieltes Kind ihre Beine angehoben und versucht, mit den Absätzen an die Rückenlehne des Vordersitzes zu kommen, was ihr wegen der vergrößerten Beinfreiheit nicht gelungen ist. Damit war dann auch die Frage beantwortet, ob das tatsächlich ein neues Auto ist. Ich fand diese Begebenheit köstlich.
Was kostet denn so ein Auto?
Zur damaligen Zeit war so ein Auto in der Basisausstattung ab 300.000 Euro zu haben.
Gab es denn mal Reklamationen aus dem Königshaus?
Wir hatten bei Bentley einen VIP-Verkäufer, der den Kontakt zum Fuhrpark und zum Fahrer der Queen gehalten hat. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, wo jemand ein Auto beanstandet oder zurückgegeben hätte. In meiner Amtszeit habe ich jedes Auto, das ans königliche Haus ging, vor der Auslieferung persönlich Probe gefahren.
War es eigentlich ein Problem für die britische Konkurrenz, dass auf einmal ein Deutscher Autos an die Königin liefert – und dass sein Autobauer Bentley mit VW eine deutsche Konzernmutter hat?
Nein, überhaupt nicht. Bentley Motors wird im Vereinigten Königreich als hundert Prozent britisch empfunden. Dass da mal ein Deutscher an der Spitze ist? Ich habe darüber nachgedacht, bevor ich das erste Auto an die Queen ausgeliefert habe, und sie hat bestimmt bei meinen ersten fünf Sätzen mitbekommen, dass ich nicht gebürtig aus England komme. Das war nicht das geringste Problem. Dennoch habe ich mir vorher sehr gut überlegt, was ich sagen möchte – und ich meine, es kam sehr gut bei Ihr an.
Haben Sie Andenken an die Begegnungen mit der Queen?
In meinem Büro hängen zwei Bilder, die bei den Übergaben gemacht wurden. Leider darf ich Ihnen das Foto nicht zeigen – sämtliche Fotos wurden mir vom Königshaus nur für den privaten Gebrauch und für das Archiv von Bentley Motors freigegeben. Bei der ersten Übergabe trug Her Majesty einen Loden-Überwurf in der Farbe des neuen Autos. Möglicherweise wurde ihre Garderobe an diesem Tag auf das neue Auto abgestimmt.
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