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Seltene ErdenBeim Metallrecycling gibt es viele Probleme

Seltene Erden sind im technischen Fortschritt heiß begehrt. Damit wächst die Abhängigkeit von Importen aus China. Recycling könnte Europa helfen, unabhängiger zu werden. 08.05.2018 - 14:22 Uhr

Seltene Erden sind im technischen Fortschritt heiß begehrt. Recycling könnte ein Weg sein, sich zumindest etwas unabhängiger von China zu machen.

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Vorsichtig gibt Sabrina Schwarz Magnetpulver in ein Glas Salzsäure. Eine Stunde reagieren die Stoffe bei 80 Grad miteinander. „Wir könnten auch ganze Magnete nehmen, dann würde der Prozess aber länger dauern“, sagt die Mitarbeiterin des Projekts „Seltenerd-Magnet-Recycling“ an der Technischen Universität Clausthal. Am Ende gewinnt sie ein pulvriges Seltenerd-Mischoxid, ein Gemisch in Verbindung mit Sauerstoff.

Das Forschungsvorhaben der Hochschule ist eines der wenigen Projekte, das sich mit der Wiedergewinnung von Seltenen Erden wie Neodym aus Abfällen beschäftigt. Aus einer Tonne Neodym-Eisen-Bor-Magnetschrott gewinnt Schwarz rund 330 Kilogramm Seltenerd-Mischoxide. „Die Mischoxide können anschließend beispielsweise für die Herstellung neuer Magnete verwendet werden“, sagt sie. Ziel sei es, die Industrie etwas unabhängiger von Importen zu machen.
Die 17 Seltenen Erden, zu denen Neodym, Lanthan und Cer gehören, werden wegen ihrer chemischen und physikalischen Ähnlichkeit oft als Stofffamilie betrachtet - und sind sehr gefragt. Genutzt werden sie etwa für LCD-Bildschirme, Windkraftanlagen oder Magnete.

Rohstoffe

Retten die Schätze unter dem Erzgebirge das deutsche E-Auto?

Doch seit 2011 stehen Seltene Erden auf der Liste kritischer Rohstoffe für die EU. Die Europäische Kommission spricht von einer hundertprozentigen Importquote - der Staatenverbund ist also komplett auf Quellen von außerhalb angewiesen. Rund 8.350 Tonnen der Stoffe verbrauche die EU jährlich, heißt es auf Anfrage.

Die Abhängigkeit von Importen könnte laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover noch weiter wachsen. Studien zeigen, dass der Bedarf an Neodym und Terbium wegen des Trends zu Elektro-Autos und des Ausbau erneuerbarer Energien steigen wird - beide Branchen brauchen Seltenerd-Magnete. Bis 2018 könnte die Nachfrage gemessen am Jahr 2014 weltweit um 6,5 Prozent auf gut 142.000 Tonnen geklettert sein, kalkulieren Forscher. In Europa nehme der Bedarf um fünf bis zehn Prozent pro Jahr zu.

Droht also ein Versorgungsengpass? Nicht unmittelbar, sagt ein BGR-Sprecher. Doch Deutschland sei vor allem vom Großanbieter China abhängig. „Das gilt beispielsweise für die chemische Industrie, Automobilhersteller und Hersteller von Windkraftanlagen“, heißt es. Die EU-Kommission schätzt, dass 95 Prozent des weltweiten Volumens in der Volksrepublik gewonnen werden. Damit ist China quasi Monopolist auf dem Weltmarkt. „Im Falle von Importunterbrechungen wären mehrere Branchen in der EU betroffen“, erklärt die Kommission.

Dabei kommen die Stoffe auch hierzulande vor. „Wir Europäer sind von chinesischen Importen abhängig, weil in den westlichen Industriestaaten Seltene Erden aus Kosten- und Umweltgründen kaum abgebaut werden“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Metallhändler (VDM), Ralf Schmitz.

Recycling könnte ein Weg sein, sich zumindest etwas unabhängiger von China zu machen - auch für die Umwelt. Nach Angaben des Öko-Instituts fallen beim Abbau Seltener Erden „sehr große Mengen an Rückständen an, die giftige Abfälle enthalten“. Die Lagerstätten enthielten zudem radioaktive Materialien. Ganz zu schweigen von den Abgas-Emissionen, die beim Transport der jährlich rund 130.000 weltweit geförderten Tonnen Seltener Erden entstehen.

Ohne sie muss die Revolution auf der Straße, in der Energiewelt und bei der digitalen Kommunikation ausfallen: Lithium, Kobalt, Coltan und die Metalle der Seltenen Erden sind der Grundstein für Elektroauto-Batterien, Windkraftanalgen und Smartphone-Akkus. Auch in vielen anderen Produkten kommen die kostbaren Rohstoffe vor.

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Vor allem bei Lithium zeichnet sich jedoch eine wachsende Knappheit ab – mit möglichen Folgen für die Versorgung von Herstellern und Kunden auch in Deutschland. Zumal der Wirtschaftsgigant China versucht, weltweit Zugriff auf immer größere Vorkommen zu erhalten, um die eigene Industrie besser gegen Preiskapriolen abzusichern. Mehr über die mögliche Rohstoff-Knappheit bei Batterie-Rohstoffen lesen Sie hier.

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Batterien von E-Autos, aber auch viele weitere Elektronikprodukte sind auf Lithium angewiesen. Zwar sind andere Technologien in der Planung, der klassische Lithium-Ionen-Akku dürfte aber noch längere Zeit tonangebend sein. Das „weiße Gold“ kommt in der Zellproduktion zum Einsatz, auch deutsche Autokonzerne buhlen um neue Partner und gute Kontrakte zum Einkauf der zentralen Verbindung Lithiumkarbonat.

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Als entscheidender Faktor für die oft noch unzureichende Reichweite, Ladegeschwindigkeit und Kosten von Elektroautos steuert die Batterie den Wandel der Autobranche maßgeblich mit. Volkswagen etwa plant eine eigene Zellforschung, Daimler unterhält schon eine Batteriefertigung (im Bild die Fabrik der Deutschen Accumotive in Kamenz).

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Das Dreiländereck Chile/Argentinien/Bolivien wird bereits als das „Saudi-Arabien Südamerikas“ bezeichnet. Am Salzsee von Uyuni im bolivianischen Hochland gibt es die wohl größten Lithium-Reserven der Welt. „Wir werden eine große Lithium-Industrie aufbauen, über 800 Millionen Dollar stehen dafür bereit“, sagte Boliviens Präsident Evo Morales der Deutschen Presse-Agentur vor einigen Monaten. Nach Tests mit einem Pilotsystem soll bald eine große Förderanlage errichtet werden, die das deutsche Unternehmen K-UTEC aus Thüringen geplant hat. Der Abbaukomplex umfasst rund 40 Quadratkilometer.

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Um den Bau der Lithium-Fabrik haben sich 26 Firmen beworben – von China über Russland, Finnland, Deutschland und Spanien bis Mexiko. In der Nähe soll eine große Batteriefabrik entstehen, die Bolivien als Gemeinschaftsunternehmen mit ausländischen Unternehmen betreiben will. Besonders chinesische Firmen hoffen auf den Zuschlag. Bolivien hat mit geschätzt neun Millionen Tonnen die größten Lithium-Reserven.

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Chile wird bis auf weiteres aber Weltmarktführer bleiben – bis 2030 soll der Export von Lithiumkarbonat auf 180.000 Tonnen pro Jahr mehr als verdoppelt werden. Lithium-Fonds legen steile Gewinnkurven hin.

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China ist einer der aktivsten Spieler bei Lithium. Die Nachfrage nach dem Rohstoff als strategische Ressource kommt nicht von ungefähr: Mit mehr als 500.000 verkauften Elektro- und Hybridwagen hat sich die Volksrepublik 2017 zum größten Absatzmarkt für E-Autos entwickelt. Peking will aber nicht nur Weltmarktführer in der E-Mobilität sein, sondern auch die vorgelagerte Produktion von Batterien dominieren.

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Schon heute verbraucht China über 40 Prozent des weltweiten Lithiums. Es streckt daher seine Fühler nach Südamerika aus – und auch nach Australien, wo Lithium ebenfalls in großem Stil gewonnen wird. Der chinesische Autohersteller Great Wall Motors kaufte sich kürzlich beim australischen Konzern Pilbara Minerals ein, der über große Lithium-Minen verfügt. Die Pekinger Investmentfirma GSR Capital will sich laut Berichten am Lithium-Produzenten SQM aus Chile beteiligen. (Im Bild eine Lithium-Mine von SQM in der Atacama-Wüste)

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Ist das Metall wirklich so knapp wie oft behauptet? Es kommt auch auf den Zeithorizont an. Nach Schätzungen der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) wird sich der globale Bedarf an Lithium von derzeit etwa 33.000 Tonnen bis zu Jahr 2025 mindestens verdoppeln. Einige Experten wie Jaime Alée, Direktor des Lithium-Programms an der Universidad de Chile, warnten zuletzt jedoch auch vor einer Blase: „Die Reserven liegen weltweit geschätzt bei 40 Millionen Tonnen.“ Ein akuter Mangel sei daher unwahrscheinlich. Auch aus der Dera hieß es, zumindest bis 2025 müsse man nicht um eine ausreichende Versorgung bangen – jedenfalls bei Annahme optimistischer Szenarien: „Es wird langfristig genug Lithium für den Ausbau der E-Mobilität geben.“

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Unabhängig von der prinzipiell verfügbaren Lithium-Menge: Ob eine kontinuierliche Belieferung selbst bei hohen Preisen immer gesichert ist, gilt als fraglich. Die Dera räumt ein, dass Situationen möglich seien, in denen zu wenig Lithium auf den Markt kommt - etwa wenn die E-Mobilität „besonders dynamisch“ anlaufen und Förderkapazitäten weniger als erwartet ausgebaut werden sollten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie schaut sich die Entwicklung mit Argusaugen an. „Die Gefahr von Engpässen bei der Rohstoffversorgung steigt“, sagte ein Experte des Verbands der „Welt am Sonntag“ Ende November.

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Die Metalle Kobalt, Nickel und Platin sowie Graphit und Seltene Erden spielen ebenso eine zentrale Rolle für die Hightech-Wirtschaft. Die Kobalt-Nachfrage wuchs von 2010 bis 2015 von 65.000 auf über 90.000 Tonnen pro Jahr. Derzeit wird die Hälfte in Batterien verbaut, wo das Metall es möglich macht, die Energiedichte kleiner Akkus zu erhöhen. Mehr über die Bedeutung von Kobalt im Batteriebau lesen Sie hier.

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Auch für Magneten in Windturbinen, Bauteile von Gasturbinen oder Energiespeicher braucht man Kobalt. Das Öko-Institut in Freiburg erklärte kürzlich, es könne jedenfalls vorübergehend zu einer Verknappung kommen. Daher sei mehr Rohstoff-Recycling nötig.

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Mehr als die Hälfte des weltweit geförderten Kobalts kommt aus dem Kongo – dem unruhigen zentralafrikanischen Riesenreich von der Größe Westeuropas, das den Begriff Konfliktmineralien geprägt hat.

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Auch die Hälfte aller Reserven von rund sieben Millionen Tonnen liegt dort. Laut Schätzungen stammen 10 bis 20 Prozent des Kobalts aus kaum überwachten, improvisierten Minen und Kleinbergbau im Kongo. Amnesty International beklagt Kinderarbeit, Unfälle und Gesundheitsrisiken.

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Doch trotz dieser Anreize ist das Recycling Seltener Erden in Deutschland und Europa noch eine Nische. Eine vorgeschriebene Wiederverwertungsquote gibt es nicht. „Noch gibt es in Europa kein Recycling von Seltenerdmetallen, weil die Mengen zu klein sind und Recyclinganlagen fehlen“, sagt Doris Schüler, stellvertretende Bereichsleiterin Ressourcen & Mobilität beim Öko-Institut. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission ergab, dass die Recyclingquote für Lanthan und Cer bei alten Batterien unter einem Prozent liegt.

Angesichts der derzeit niedrigen Preise ist es für Firmen lukrativer, Seltenerdmetalle neu zu kaufen. „Die Preise für Seltene Erden müssten deutlich steigen, damit sich ein Recycling lohnt“, betont das BGR. Dass sich die Rohstoffrückgewinnung kaum rechne, weiß auch Schmitz vom Verband der Metallhändler: „Es ist wahnsinnig teuer, Recyclingtechnologie für Seltene Erden zu entwickeln.“ Firmen scheuten die Investitionen, weil sie nicht wüssten, ob die Technologie in fünf Jahren nicht schon überholt sei.

Im Oktober läuft die Förderung für das Projekt der TU Clausthal aus. Derzeit könne nur ein Teil der Seltenen Erden wiedergewonnen werden. 100 Prozent Recyclingquote wäre wünschenswert, sagt Schwarz. „Aber vermutlich sind je nach Altprodukt und Aufbereitungsverfahren 70 bis 80 Prozent bezogen auf die Ausgangsmasse realistischer.“

dpa
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