50 Ideen für eine bessere Welt: Unternehmen sagen dem Raubbau den Kampf an

Maisstärke eignet sich als Ersatzquelle für Kohlenwasserstoffe, aus denen Kunststoffe bestehen: erste Verfahren zur Gewinnung haben nun Marktreife erlangt
Pflanzenflaschen
Weil der Rohstoff Erdöl für die Kunststoffherstellung zur Neige geht, suchen Chemiekonzerne in aller Welt intensiv nach gleichwertigen Alternativen auf Basis nachwachsender Rohstoffe – etwa Maisstärke oder Zuckerrohr. Ihr Vorteil: Die Pflanzen bestehen aus den Grundbausteinen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Sie eignen sich damit gut als mögliche Ersatzquelle für die verschiedenen Kohlenwasserstoffe, die im fossilen Rohöl stecken und die bisher die Basis für Kunststoffe sind. Doch es vergehen oft mehrere Jahre, bis es gelingt, aus pflanzlichen Rohstoffen wirklich brauchbare Kunststoffe herzustellen.
Inzwischen aber haben erste Verfahren zur Biokunststoffherstellung das Experimentierstadium verlassen und die Marktreife erlangt. Sie werden sogar schon in Mengen produziert, die sich mit klassischen Kunststoffwerken vergleichen lassen.
So hat NatureWorks, ein gemeinsames Unternehmen der US-Chemiekonzerne Cargill und Dow, die Jahreskapazität in seinem Werk in den Niederlanden seit 2002 auf heute 140.000 Tonnen erweitert. Ein zweites gleich großes Werk soll in Thailand ab 2015 die Ingeo genannte Polymilchsäure (PLA) aus dem Grundrohstoff Maisstärke herstellen. Damit ist das Unternehmen der größte Hersteller von Bioplastik weltweit. „Wir sehen mehr und mehr Markenartikler, die Produkte aus unserem Material herstellen oder sie darin verpacken“, sagt Mark Vergauwen, der kaufmännische Direktor von NatureWorks in Europa. So füllt der französische Lebensmittelriese Danone in einem deutschen Pilotprojekt seinen probiotischen Activia-Joghurt in Ingeo-Becher.
Danones probiotischer Trinkjoghurt Actimel wiederum steckt in Fläschchen aus Polyethylen (PE), das aus Zuckerrohr-Ethanol gewonnenen wird. Diesen Biokunststoff stellt der brasilianische Chemiekonzern Braskem her. Mit Coca-Cola hat Braskem einen weiteren potenten Kunden an der Angel. Der füllt seit 2009 Coke, Sprite und andere Getränke in sogenannte PlantBottles. Durch und durch grün sind diese PET-Flaschen aber noch nicht: Zurzeit werden sie aus 35 Prozent recyceltem Kunststoff und 14 Prozent pflanzlichem PE-Material hergestellt.
Auch der US-Lebensmittelkonzern Heinz ist auf die Pflanzenflasche ungestiegen und will bald 120 Millionen Halbliterflaschen pro Jahr mit seinem Ketchup befüllen. Das wäre laut Heinz ein Fünftel der weltweit verkauften Ketchupflaschen. Insgesamt hat das Marktforschungsunternehmen Ceresana Research aus Konstanz neben NatureWorks und Braskem weltweit 85 weitere Produzenten ausgemacht, die den globalen Biokunststoffmarkt beliefern. Nach Einschätzung von Ceresana wird dieser bis zum Jahr 2018 auf einen Umsatz von mehr als 2,8 Milliarden Dollar anwachsen – das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 17,8 Prozent.
Ganz optimal sind die heute verfügbaren Biokunststoffe aber noch nicht. Sie machen beim Recyceln allerlei Probleme und müssen getrennt gesammelt werden. Noch weniger akzeptabel finden europäische Kunden allerdings, dass zum Beispiel der Kunststoff Ingeo aus gentechnisch verändertem Mais hergestellt wird.
Und nahezu allen heutigen Biokunststoffen haftet der Makel an, dass sie aus potenziell essbaren Rohstoffen wie Maisstärke oder Zuckerrohr hergestellt werden. Deshalb arbeiten die Bioplastikforscher daran, künftig auch nicht essbare Pflanzenteile zu nutzen – wie zum Beispiel Maisstroh, Holz oder ausgepresstes Zuckerrohr.
Noch eleganter wäre es allerdings, als Kohlenstoffquelle das klimaschädliche CO2 zu nutzen. Ein solches Verfahren erproben im Pilotmaßstab seit 2011 Forscher des Chemiekonzerns Bayer in Leverkusen. Sie bekommen CO2 aus den Abgasen des nahe gelegenen RWE-Kraftwerks Niederaußem bei Köln geliefert. Mithilfe eines Katalysators können sie das sonst sehr reaktionsträge CO2 an eine andere chemische Substanz binden und daraus Polyurethan machen. Davon werden jährlich etwa 13 Millionen Tonnen verarbeitet – zu Bauschaum, Dämmplatten oder Matratzen.

Blick aus der Röhre
Viele Bergfans wollen am liebsten im Einklang mit der Natur wandern. Wenn es aber im Hochgebirge abends kalt wird, benötigen sie nicht nur Schutz, sondern sie verbrauchen oft auch Kerosin, Gas oder Batterien für ihre Kocher. Eine überlebenssichernde und umweltfreundliche Übernachtungsmöglichkeit bietet jetzt die italienische Designfirma Leap-Factory. Ihre röhrenartige, schnee- und sturmsichere Mini-Lodge ist im Schnitt 3,5 Meter breit, acht Meter lang und 2,80 Meter hoch. In ihr sind Tische, Stühle, Toiletten und Waschbecken installiert. Nach Bedarf gibt es Kojenplatz für zwei bis zwölf Personen. Dafür dass es bei traumhafter Aussicht auf Himmel und Berge warm bleibt, sorgt die Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Das Handicap: Mindestens 200 000 Euro kostet die 2500 Kilogramm schwere und mehrmodulige Schlafkapsel. Damit sich der Aufwand rechnet, bleibt das Biwak mehrere Wochen auf dem Berg und kann von verschiedenen Wanderern benutzt werden.

Sonnengrill statt Feuerstelle
Studenten des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA wollen den ultimativen Traum aller grünen Barbecue-Fans Realität werden lassen: Sie entwickeln einen Grill, der Hitze mithilfe von Sonnenenergie erzeugt, Wärme speichern kann und dadurch sogar nachts funktioniert. Ihr Prototyp baut auf einer Technologie von MIT-Professor David Wilson auf: eine spezielle, besonders leichte Linse bündelt das Sonnenlicht, das in Lithiumnitrat-Zellen gespeichert wird. Mit der Hitze der Wärmespeicher lassen sich dann Steak und Wurst grillen. Vor allem aber ist der „Cooker“ laut Wilson als umweltfreundliche und energiesparende Alternative zu den offenen Holzfeuern gedacht, die die Menschen in Entwicklungsländern als Kochstelle nutzen. Jeden Tag verbrennen weltweit mehr als drei Millionen Tonnen Feuerholz unter Töpfen und Pfannen. Vor allem in afrikanischen Regionen wird das Holz knapp. Wilsons Grill speichert Sonnenenergie für 25 Stunden und heizt auf über 230 Grad hoch. Solargrills mit derartiger Kapazität gab es zuvor nicht.

Wirbel-Säule
Frischer Wind aus Bayern: Das Unternehmen MRT Wind hat eine neues Minikraftwerk für den Zuhause-Gebrauch entwickelt. Das Besondere: Das 2,50 Meter hohe Windrad dreht sich nicht wie die üblichen Propeller-Systeme um die Horizontalachse, sondern um die Vertikalachse. „Dadurch kann man unabhängig von der Windrichtung Strom erzeugen“, erklärt Geschäftsführer Neil Cook. Ab einer Windgeschwindigkeit von 1,5 Metern pro Sekunde gewinne die Anlage Energie. Die Miniwindräder sind nach Herstellerangaben lautlos und lassen sich genehmigungsfrei installieren. Die ersten Testgeräte sind in Betrieb. Preis: ab 7000 Euro pro Stück.

Leselicht in Hülle und Fülle
Der US-Hersteller SolarFocus bringt Licht ins Dunkle des E-Readers von Amazon: Mit einer leuchtenden Hülle namens Solar Kindle Lighted Cover. Sie schützt das Gerät nicht nur vor Kratzern, sondern bietet dem E-Reader auch eine netzunabhängige Notstromversorgung sowie eine LED-Leselampe. Damit lässt sich der Kindle nun auch in absoluter Dunkelheit nutzen. Gespeist wird das Licht aus einem eingebauten Akku, der über die Solarzellen auf der Außenseite der Hülle geladen wird. Auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, eine der weltweit größten Messen für Unterhaltungselektronik, ist die Hülle als eine der besten Innovationen 2012 in der Kategorie nachhaltige Technologien ausgezeichnet worden. Schon nach acht Stunden Sonnenlicht, so verspricht der Hersteller, habe die Batterie genug Saft, um dem Kindle drei Tage Strom zu liefern. Kosten: rund 80 Dollar.

Insel-Lösung in der Südsee
Es könnte ein Entwurf des US-Verpackungskünstlers Christo sein. Tatsächlich haben sich japanische Architekten der Shimizu Corporation diese überdimensionale Seerosenstadt ausgedacht – mit kompletter Infrastruktur und üppiger Vegetation. In der Südsee auf der Höhe des Äquators soll die klimafreundliche, selbstversorgende Trauminsel schwimmen. Dort gibt es viel Sonne und kaum Taifune. Das Fundament soll aus wabenförmigen, mit Wasser und Luft gefüllten Betonröhren bestehen, um so der Insel Auftrieb und Stabilität zu verschaffen. Die Technik haben die Japaner bereits bei schwimmenden Bohrinseln erprobt. Jede ihrer sogenannten grünen Flossen hat einen Durchmesser von drei Kilometern und einen Hauptwohnbezirk mit einem kelchartigen, 1000 Meter hohen Wohn- und Arbeitsturm, in und um den herum 40.000 Menschen wohnen sollen. 350 Hektar Nutzfläche bleiben den Bewohner, um ihre Lebensmittel zu produzieren. Baubeginn soll 2050 sein.

Stadt-Tomaten
Weil es Kosten und Energie spart, erobert die Landwirtschaft die Innenstädte. In Deutschland soll nun „inFarming“ beginnen, ein Erntesystem fürs Büro, in dem Pflanzen vom gereinigten Abwasser und der Abwärme der Gebäude gedeihen. „Wir wollen Dächer für den Anbau von Gemüse nutzen“, sagt Volkmar Keuter, der verantwortliche Leiter am Oberhausener Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheit- und Energietechnik. Die Idee: Nach dem Job erntet der Angestellte noch im Gewächshaus auf dem Bürodach sein Gemüse. Auf einem Viertel der 1200 Millionen Quadratmeter deutschen Büroflachdächer könnten die Pflanzen gedeihen, rechnet Keuter vor. Sie würden in Städten jährlich rund 28 Millionen Tonnen CO2 binden. Das entspreche 80 Prozent der CO2-Emissionen von industriellen Betrieben in Deutschland. Erste Versuche laufen derzeit im Fraunhofer-Testhaus für neue Gebäudesysteme in Duisburg.

Superunkräuter und Powerwanzen
Gentechnisch veränderte Pflanzen schaden Bauern mehr als sie nutzen. Das ist das Fazit einer Studie von 20 führenden Umwelt- und Verbraucherschutzvereinigungen aus aller Welt, die auch Regierungen beraten. Dabei waren die Verheißungen groß: schmackhaftere Erdbeeren, weniger Unkrautvernichtungsmittel und höhere Erträge für Raps, Mais, Soja und Baumwolle. Sogar Welthunger, Klima- wandel und Bodenerosion sollten die Pflanzen zurückdrängen, deren Erbgut Biologen im Labor gezielt verändert haben. „Doch keines der Versprechen, das die Hersteller vor 20 Jahren zur Einführung der vermeintlichen Wunderpflanzen gaben, haben sie erfüllt“, heißt es in der Studie.
Stattdessen leiden Bauern unter negativen Auswirkungen: In Brasilien und Argentinien setzen sie auf ihren Feldern heute doppelt so viel Unkrautvernichtungsmittel ein wie auf konventionellen Feldern; auf Indiens Baumwollfeldern ist der Einsatz von Pestiziden sogar um das 13-Fache gestiegen. In China hat sich durch den Anbau von gentechnisch veränderter Baumwolle eine an sich harmlose Population von Wanzen verzwölffacht und bedroht jetzt die Pflanzen. In den USA, wo die meisten genmanipulierten Pflanzen wachsen, fördert ihr Anbau die Ausbreitung von Superun-kräutern, die Unkrautvernichtungsmitteln widerstehen.
Die drei großen Saatgutunternehmen Monsanto, Dupont und Syngenta kontrollieren heute mehr als zwei Drittel der weltweiten Saatgutverkäufe. Monsanto hat zudem 95 Prozent des indischen Saatgutmarktes für Baumwolle im Griff. Die Folge: Die Preise steigen stetig.

Erneuerbare Energien
11 Milliarden Euro haben die Deutschen beim Import von Brennstoffen wie Öl und Gas durch erneuerbare Energien 2011 eingespart. Ihr Anteil an der Stromversorgung lag im Jahr 2011 bei rund 20 Prozent. Das ergab eine Studie des Bundesverbandes Erneuerbare Energie.

Unzählige Variationen an Lampentechnik tun sich dem Verbraucher nach dem Abschied von der klassischen Glühbirne auf. Dieses Exemplar dürfte jedoch für den Hausgebrauch (noch) etwas teuer sein: Die überdimensionale Lampe in Form einer Pusteblume leuchtet mit OLED-Technik. Bis sich die Preise auf ein auch für Privatkunden erträgliches Niveau gesenkt haben, bieten sich die Alternativen in unserer Bildergalerie an: Licht für verschiedene Wohnräume und Geldbeutel finden Sie auf den folgenden Seiten

Für Fotos und Kunstwerke: Osram Halopar 16
- Halogen (40 Watt, 3 Euro)
- sehr hohe Farbtreue

Für die Dekoleuchte: Philips MyAmbiance
- LED-Spot (4 Watt, 15 Euro)
- hohe Farbtreue, dimmbar

Für das Wohnzimmer: Philips MyAmbiance
- LED (12 Watt, 40 Euro)
- sparsam, schickes Design

Für den Dauereinsatz: Osram Parathom A80
- LED (12 Watt, 45 Euro)
- sehr sparsam, langlebig

Für die Küche: Ikea Sparsam
- Sparlampe (9 Watt, 6 Euro)
- geringer Kaufpreis

Für das Schlafzimmer: Osram Duluxstar
- Sparlampe (13 Watt, 7 Euro)
- warmes Licht
Sonnen-Sender
Das künftige Wachstum im Mobilfunkmarkt kommt aus den Entwicklungs- und Schwellenländern. Dort sind Handys mangels flächendeckender Festnetze oft die einzige Chance, global zu kommunizieren. Weil viele Sendemasten abseits der Stromversorgung stehen, werden sie meist von Dieselgeneratoren mit Energie versorgt. Um Spritbedarf und Umweltbelastung zu mindern, hat der Technologieriese Ericsson vor drei Jahren Basisstationen vorgestellt, die sich aus Solar- und Windstrom speisen. Heute bieten auch andere Hersteller ähnliche Technik an. Bis Ende 2012 will der Mobilfunkverband GSMA weltweit 118.000 Basisstationen mit erneuerbaren Energien betreiben.
Klima-Karte
Mit der Climate Credit Card können Kunden des Schweizer Klimaschutzunternehmens South Pole Carbon (SPC) Emissionen, die sie mit Einkäufen aller Art verursachen, automatisch ausgleichen. Ob Transatlantikflug, 50 Liter Superbenzin oder Milch im Supermarkt: In Kooperation mit dem Zahlungsdienstleister Cornèrcard berechnet SPC bei jedem Einsatz der Karte, wie viel klimaschädliche Emissionen mit dem Einkauf einhergehen – und kompensiert sie durch Investitionen in Klimaschutzprojekte, die mit dem weltweit anerkannten Gold Standard zertifiziert wurden. Darunter zwei moderne Windfarmen, die vor der australischen Nordostküste liegen. Diese ersetzen schmutzigen Kohlestrom und sparen massiv CO2-Emissionen ein. Außerdem schafft das Windprojekt Arbeitsplätze für die indigene Bevölkerung. Der Clou: Die Klima-Karte kostet den Kunden nichts extra. Die Kompensation wird mithilfe der anfallenden Kreditkartengebühr finanziert.
Doch das ist nur eins der neuesten Projekte der SPC.Das 2006 gegründete Unternehmen gehört zu den führenden Emissionsreduktionsspezialisten. Mit Vertretungen rund um den Globus entwickelt SPC in 20 Ländern Projekte, mit denen Unternehmen und Privatleute Treibhausgase kompensieren können.
Strom aus Müll
Das britische Startup Advanced Plasma Power (APP) erzeugt Strom aus Abfällen – indem es Müll gasifiziert: Die Anlage sortiert Glas, Metall und harte Kunststoffe zum Recycling aus, den Rest schreddert sie und transportiert ihn in den Ofen. Bei 6000 Grad wandelt sich der Müll zu Synthesegas. Damit erzeugt das Kraftwerk Wärme und Strom. Übrig bleibt ein steinartiges Material, sogenanntes Plasmarok, das sich zum Beispiel für den Straßenbau eignet. Deutschlands jährliche 37 Millionen Tonnen Privatmüll könnte diese Technik in Strom für 3,5 Millionen Haushalte und Wärme für 150.000 Haushalte verwandeln.
SAP für Ökos
Noch beraten die Brüsseler Experten. Doch es ist nur noch eine Frage von Monaten, bis die EU größeren Unternehmen die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsreports vorschreibt. Damit würde Pflicht, was mancher Konzern schon jetzt tut – teils aus eigener Einsicht, teils auf Druck der Investoren. Oft nutzen sie dafür eine Software, die die IT-Spezialisten Manfred Heil, Andre Borngräber und Michael Corty mit ihrem Startup WeSustain entwickelt haben.
Enterprise Sustainability Management, kurz ESM, heißt ihre Idee, per Software zu messen, wie nachhaltig Firmen auf verschiedenen Feldern arbeiten. Dazu werten sie 180 Indikatoren aus – vom CO2-Ausstoß bis zur Frauenquote in den Führungsetagen. Mit dieser Analyse können die Verantwortlichen kontrollieren, wie nachhaltig ihr Unternehmen operiert: „Was die SAP für die finanzielle Unternehmenssteuerung ist, wollen wir für Bewertung und Optimierung der Nachhaltigkeit werden“, sagt Heil. Er weiß, wovon er spricht: Bevor der heute 48-Jährige WeSustain gründete, verantwortete er viele Jahre große Softwareprojekte mit Geschäftskunden – bei SAP.
Grün bilanzieren
Für den Chef des japanischen Drucker- und Kamerakonzerns Ricoh, Shiro Kondo, steht fest: Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das nicht mehr Ressourcen verbraucht, als die Erde ersetzen kann. Dass die Menschheit die Naturschätze jährlich um 30 Prozent überstrapaziert, hält er für „selbstzerstörerisch“.
Seinem Unternehmen hat Kondo aus dieser Einsicht heraus ein höchst anspruchsvolles Ziel gesetzt: Bis 2050 sollen Herstellung, Nutzung und Ausrangieren der Ricoh-Produkte die Umwelt nur noch rund ein Zehntel so stark belasten wie 2005 – und zwar nachrechenbar. Damit wurde sein Unternehmen industrieweit zu einem Vorbild. Um die notwendige Transparenz herzustellen, erfassen die Japaner sämtliche Material- und Energieströme und analysieren sie systematisch nach Einsparpotenzialen und ökologischen Alternativen.
So ersetzten Bauteile auf Basis von Biokunststoffen solche aus Erdöl. In der Produktion wiederum reinigen die Japaner Walzen und Papierfächer mit Nanobläschen aus Ozon statt wie früher mit Wasser. Überdies haben sie eine spezielle Tinte entwickelt, die den typischen Strombedarf eines Druckers auf eine Kilowattstunde (kWh) in der Woche senkt. Laserdrucksysteme zum Beispiel verbrauchen zwei bis vier kWh. Zudem beraten die Ricoh-Experten Kunden, wie sie im Büroalltag mit weniger Papier und Toner auskommen. Ihre Lieferanten verpflichten sie, ebenfalls möglichst wenig schädliche Chemikalien einzusetzen. Die Münchner Nachhaltigkeits-Ratingagentur Oekom Research wertet Ricohs Maßnahmenkatalog wegen seiner Breite als weltweit vorbildlich. „Das ist der Maßstab für den Aufbau grüner Produktionskreisläufe“, lobt Oekom-Experte Philipp Rühle.
Einmalig ist dabei das Rücknahmesystem der Japaner. In Recyclingzentren zerlegen sie Altgeräte, reinigen sie, tauschen verschlissene Teile aus und verkaufen die aufgemöbelten Multifunktionsdrucker unter dem Label Greenline wieder. Sie sind praktisch wie neu, kosten aber gegenüber einem Neugerät rund die Hälfte. Und ihre Ökobilanz ist unschlagbar. Gerade einmal neun Kilogramm CO2-Ausstoß verursacht die Herstellung des Recyclingdruckers – gegenüber 88 Kilogramm bei einem Neugerät.
Sparen im Schwarm
In einem Konzern laufen Hunderttausende Computer, Drucker, Telefone, Faxgeräte und Kopierapparate. Was wäre, wenn sie sich alle zentral steuern und abschalten ließen? Genau das ermöglicht Josef Brunner mit seinem Münchner Startup Joulex: Der IT-Experte hat eine Software entwickelt, die Geräte über das firmeneigene Netzwerk abschaltet, wenn sie nicht in Gebrauch sind. Die Joulex-Software läuft heute weltweit in über 100 Großunternehmen.
Bei Cisco beispielsweise hat Brunner eine halbe Million Bürogeräte vernetzt. Der Effekt: Die Firmen reduzieren ihren Stromverbrauch um bis zu 60 Prozent. Würden alle Unternehmenscomputer in den USA auf diese Weise gesteuert, ließen sich laut PC Energy Report rund 2,8 Milliarden Dollar sparen.
Schüttel-Strom
Mitunter werden Katastrophen zu Katalysatoren der Innovation. Wie im Falle jener Taschenlampe, die der japanische Technologiekonzern Brother 2011 nach Erdbeben, Tsunami und Reaktorkatastrophe auf den Markt gebracht hat: Die schlichte Leuchte besitzt weder Batterie noch Generatorkurbel – und liefert doch quasi unbegrenzt Licht. Zumindest solange ihr Benutzer sich oder die Lampe bewegt, denn sie wandelt diese kinetische Energie in Strom um. Zwei bis drei Minuten Bewegung erzeugen genug Strom für eine Viertelstunde Licht.
Energy Harvesting – zu Deutsch Energieernte – nennen Fachleute diese Idee. Und an solchen Projekten arbeiten gerade viele: Künftig soll der aus Bewegung, Wärme oder sogar Schallwellen gewonnene Strom – vom Handy bis zum Herzschrittmacher – weite Teile von Industrie und Alltag erobern.
Bereits erschienen:
Visionäre Mobile für Megacitys
So wir der Alltag grüner














