Kultiviertes Fleisch Dieses Hackfleisch war 4000 Jahre ausgestorben

Das weltweit erste Fleischbällchen aus Mammutprotein. Credit: Aico Lind / www.studioaico.nl

Mammuts gelten seit 4000 Jahren als ausgestorben. Nun hat ein australisches Unternehmen Hackbällchen aus ihrem Fleisch hergestellt. Ist das der Beginn neuer Genüsse – ohne Stall, Schlachter und Umweltschäden?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Auf der Wrangelinsel in Nordsibirien sollen sie zuletzt durch den Schnee gestapft sein. Doch seit 4000 Jahren sind Mammuts, eine Gattung der Elefanten, ausgestorben. Nun erleben sie gewissermaßen ein Comeback – jedenfalls in kulinarischer Hinsicht.

Denn am Dienstagabend wird im Nemo Science Museum in Amsterdam das weltweit erste Fleischbällchen aus Mammutprotein präsentiert. Entwickelt hat es das australische Start-up Vow, das seit vier Jahren an der Entwicklung von kultiviertem Fleisch arbeitet. „Das Mammut war lange ein monumentales Symbol für Verlust“, sagt Tim Noakesmith, Co-Gründer von Vow. „Wir wollen es zum Symbol für eine aufregende Zukunft machen.“

In der soll, geht es nach Noakesmith, kultiviertes Fleisch die Ernährung revolutionieren. Dazu züchten Forscher aus tierischen Zellen in Tanks ganze Hackbällchen und Steaks heran. Mehr als 100 Start-ups weltweit arbeiten an der Technologie und wollen so von Hühnchennuggets bis zu Lachs-Sushi zahlreiche tierische Lebensmittel industriell herstellen. Investoren haben im Jahr 2021 rund 1,4 Milliarden Dollar in den jungen Sektor gesteckt.

Vow geht mit seinem Mammut-Hack nun noch einen Schritt weiter. Das Team hat sich von Forschern die DNA-Sequenzen besorgt, die man in den Überresten gestorbener Mammuts gefunden hat. „Die Lücken, die es in der DNA gibt, haben wir mit Erbgut des afrikanischen Elefanten gefüllt“, berichtet Noakesmith.

Tausende Jahre altes Protein zurückgeholt

Die Mammut-DNA schleusten die Gründer in Zellen heutiger Nutztierarten ein, die sie vermehrten. In den Zellen sorgt das Erbgut dafür, dass ein Protein produziert wird, das seit mehr als 4000 Jahre nicht mehr auf der Erde vorkommt, seit die wolligen Eiszeittiere ausgestorben sind.

Wie Mammut schmeckt, kann Noakesmith nicht verraten – probieren darf das Mammutfleischbällchen derzeit noch niemand. „Wir haben noch nicht untersucht, wie der menschliche Körper auf das 4000 Jahre alte Protein reagiert“, sagt Noakesmith.

Ohnehin gelten bei kultiviertem Fleisch aktuell noch strenge Vorschriften. Bisher haben nur wenige Produkte eine Zulassung erhalten. Als erstes gab Singapur den Chicken-Nuggets des US-Anbieters Eat Just im Dezember 2020 grünes Licht, die Behörde für Lebens- und Arzneimittel der USA (FDA) gab dann auch vergangene Woche die Zulassung, auf die nun noch eine Prüfung des Landwirtschaftsministerium folgt. Schon vor wenigen Monaten war kultiviertes Hühnerfleisch von Upside Foods von der FDA erlaubt worden.

Lesen Sie auch: Pizza, Nudeln, Steak – Diese Lebensmittel gibt es bereits aus dem 3D-Drucker

Vow-Gründer Noakesmith plant, noch dieses Jahr in Singapur ein erstes Produkt auf den Markt zu bringen, ein kultiviertes Wachtelfleisch mit Umami, das schneller eine Zulassung erhalten dürfte als Hack aus Mammut-DNA. „Es ist eines von einer ganzen Reihe kreativer Dinge, an denen wir arbeiten“, sagt der Gründer. Im Labor habe sein Team schon zahlreiche mehr oder weniger exotische Fleischsorten entwickelt, darunter auch Alpaka und Wasserbüffel.

Das erste Produkt kommt dieses Jahr

Damit setzt sich das australische Start-up deutlich ab von seinen Konkurrenten, die meist bekannte Fleischprodukte im Bioreaktor ersetzen wollen. „Wir wollen Produkte herstellen, die besser sind als das, was heute aus Tieren hergestellt wird“, sagt Noakesmith. Besonders köstlich sollen die Fleischinnovationen aus dem Labor sein – auch gegenüber Fleisch aus pflanzlichen Proteinen, das nicht die gleichen Aromen entwickle wie tierisches Fleisch.

Bisher galt kultiviertes Fleisch als extrem teuer. Der erste Burger, im Jahr 2013 an der Universität Maastricht präsentiert, kostete 300.000 Dollar. „Ich bin zuversichtlich, dass wir bis Ende des Jahres zu Kosten von weniger als 100 Dollar pro Kilogramm produzieren können“, sagt Noakesmith. Mittelfristig könne kultiviertes Fleisch sogar so preiswert wie das Original aus dem Supermarkt werden. Das Forschungsinstitut CE Delft rechnet mit Kosten von 6,43 Dollar pro Kilogramm im Jahr 2030.

Möglich machen sollen dies eine automatisierte Produktion und Software, die die perfekte, preiswerte Mischung an Ressourcen für das Zellwachstum berechnet. Aktuell kann Vow mehrere Tonnen pro Jahr in Australien produzieren, doch eine größere Fabrik ist in Bau, die 100 Mal mehr Kapazität haben soll. Die erste Linie soll dieses Jahr den Betrieb aufnehmen. Ende vergangenen Jahres hat Vow rund 49 Millionen Dollar Wagniskapital eingesammelt.

Ob Konsumenten sich an die neuen Produkte trauen? Noakesmith will sie vom Geschmack überzeugen – und Fleisch künftig so ähnlich vermarkten wie Lebensmittelunternehmen heute Cerealien. Da komme es auch darauf an, wie gut das Produkt schmecke, und nicht, woraus es bestehe.

Großaktionär des Brokers Flatex „Ich habe möglicherweise zu lange zugesehen“

Der Unternehmer Bernd Förtsch ist Großaktionär von Deutschlands wichtigstem Broker Flatexdegiro: In beispielloser Offenheit seziert er jetzt die Fehler des Konzerns. Und kündigt Konsequenzen für den Vorstandschef an.

Edelmetall Bekommt das Finanzamt von meinem Goldverkauf etwas mit?

Ein Anleger fragt sich, ob er Gold auch steuerfrei verkaufen kann, wenn er keinen Nachweis zum Kauf hat. Würde das Finanzamt überhaupt etwas mitbekommen, wenn er einen Verkauf nicht meldet?

Geldanlage Wie lege ich 100.000 Euro renditestark an?

Eine Anlegerin will eine sechsstellige Summe investieren. Soll sie alles auf Aktien setzen oder besser eine Wohnung zur Vermietung kaufen? Und was ist mit Gold?

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Für die Umwelt soll kultiviertes Fleisch ohnehin besser sein als das Original. Einer Studie des Forschungsinstituts CE Delft zufolge könne kultiviertes Schweinefleisch 44 Prozent weniger Kohlendioxid erzeugen als das Original, Rindfleisch sogar 92 Prozent. Das Mammut sei wegen des Klimawandels ausgestorben, sagt Vow-Gründer Noakesmith. Mit kultiviertem Fleisch könne die Menschheit sich quasi essend vor der eigenen Ausrottung retten. 

Lesen Sie auch: Start-ups und Lebensmittelhersteller entwickeln Produkte, die dem Original immer näher kommen – sogar mithilfe von Textilmaschinen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%