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Studie zu Offshore-PlänenWindkraft auf See droht ein Desaster

Unkontrolliert steigende Kosten, enttäuschte Investoren und fehlende Kabel: Um die Offshore-Windanlagen vor den deutschen Küsten ist es schlechter bestellt als gedacht. Eine Exklusiv-Studie zeigt, welche Meereskraftwerke überhaupt noch Chancen haben – und welche Technologien die Wende bringen können.Dieter Dürand, Florian Zerfaß 21.08.2012 - 06:00 Uhr

Um deutsche Offshore-Windanlagen ist es schlechter bestellt als gedacht - doch es gibt noch Hoffnung

Foto: dpa

Ein Mann will sein Glück erzwingen: Er heißt Willi Balz und ist Gründer, Chef und Alleinaktionär der Windreich AG in Wolfschlugen bei Stuttgart. Dort lebt er zwar weit weg von Deutschlands Küsten. Doch der knorrige, 52-jährige Unternehmer plant, gleich 22 Meereswindparks in der Nordsee zu errichten – mehr als die vier Stromriesen E.On, RWE, EnBW und Vattenfall zusammen. Dafür sucht Balz jede Menge zahlungskräftige Investoren. Immerhin kostet ein Windpark je nach Größe bis zu 1,8 Milliarden Euro. Doch die Geldgeber stellen immer kritischere Fragen: Sind die Ausbaupläne noch realistisch? Haben sich die Akteure nicht übernommen? Ist der Offshore-Traum in Deutschland nicht längst geplatzt?

Selbst Balz kann sich der Realität nicht entziehen. Seit Wochen muss er hilflos mitansehen, dass der pünktliche Anschluss seines dritten Windparks Deutsche Bucht an das Stromnetz immer noch nicht gesichert ist. Dabei hatte der zuständige Stromtransporteur Tennet die Netzanbindung schon im Oktober 2011 zugesagt.

Entwicklung der größten Windkraftanlagenbauer
Was hat Oliver Wyman untersucht?
Guodian - China
Mingyang - China
Goldwind - China
Sinovel - China
Suzlon - Indien
Siemens - Deutschland/Dänemark
Dongfang - China
Gamesa - Spanien
Enercon - Deutschland
Vestas - Dänemark
Nordex - Deutschland
GE Energy - USA
Acciona - Spanien

Jetzt will Balz Tennet zum Handeln zwingen. Weil das Unternehmen die Steckdose im Meer nicht rechtzeitig ausgeschrieben und bestellt hat, beantragte Balz nun ein Missbrauchsverfahren gegen den Netzbetreiber – ein bisher einmaliger Vorgang. Hat Balz Erfolg, droht Tennet ein saftiges Bußgeld. Seine Investoren wird das vielleicht kurzzeitig beruhigen. Die immer größeren Probleme aber löst es nicht.

Denn die Rückschläge für die Windstromerzeuger häufen sich: Der Ausbau der Meereswindparks auf See kommt nicht voran; die Anlagen sind teurer als gedacht; und die Gefahr einer Stromlücke in der deutschen Energieversorgung wächst.

Nordex

Nach zwei verlustreichen Jahren und vielen Einsparungen lief es 2013 für Nordex wieder besser. Der Windturbinenbauer kehrte in die Gewinnzone zurück. In der Vergangenheit trennte sich Nordex unter anderem verlustreichen Produktionsstätten in den USA und China und konzentrierte sich ganz auf den Bau von Onshore-Anlagen. Mit der Strategie konnte das Unternehmen in Deutschland Marktanteile gewinnen. 2012 kam Nordex auf 3,5 Prozent, 2013 waren es im On- und Offshore-Bereich zusammen bereits sieben Prozent. Auch die Aussichten sind gut: Für 2014 rechnet der Vorstand mit neue Aufträge im Umfang von 1,6 Milliarden Euro.

Foto: dpa

Siemens Windenergiesparte

Siemens ist Weltmarktführer bei Offshore-Windrädern und dominiert auch in Deutschland diesen Bereich. Hierzulande kommt das Unternehmen in dem Segment auf 52,1 Prozent Marktanteil. Im On- und Offshore-Bereichen zusammen hatte Siemens Wind Power 2013 einen Anteil von 9,8 Prozent und liegt damit auf Platz vier. Nach dem Verkauf der gefloppten Solarsparte will sich Siemens künftig noch mehr auf die Energie aus Wind und Wasser zu konzentrieren. Das Geschäft lief zuletzt insbesondere im Ausland gut. Im Dezember 2013 erhielt das Unternehmen mehrere Großaufträge in den USA. In Deutschland gibt es aber auch Probleme: Bei der Anbindung von vier Offshore-Windparks in der Nordsee liegt Siemens dem Zeitplan um mehr als ein Jahr hinterher. Die Verzögerungen sollen Siemens bereits mehr als 600 Millionen Euro gekostet haben.

Foto: dpa

Wiwo green

Foto: dpa

Vestas

Der weltgrößte Windturbinenhersteller Vestas hatte in Deutschland 2013 einen Marktanteil von 16,7 Prozent (Onshore 20 Prozent). Damit hat der Anlagenbauer zwar rund sechs Prozent an die kleineren Mitbewerber verloren, liegt aber weiterhin klar auf Platz zwei. Allein 2013 stellte das dänische Unternehmen Anlagen mit einer Leistung von 598,9 Megawatt in Deutschland auf. Wirtschaftlich ist Vestas offenbar auf einem guten Weg: Nach massiven Sparmaßnahmen in den Vorjahren hat das Unternehmen im letzten Quartal 2013 erstmals seit Mitte 2011 wieder einen Gewinn erwirtschaftet. Der Jahresverlust lag bei 82 Millionen Euro, nach 963 Millionen Euro 2012.

Foto: ZB

Enercon

Das vom Windpionier Aloys Wobben gegründete Unternehmen ist unangefochtener Marktführer in Deutschland bei Anlagen auf dem Festland (49,6 Prozent Marktanteil). Onshore-Anlagen mit einer Leistung von 1.484,6 Megawatt hat Enercon allein 2013 aufgestellt. Auf dem Gesamtmarkt musste der Windanlagenbauer allerdings Verluste hinnehmen. Lag der Markanteil 2012 bei 54,3 Prozent, betrug er zuletzt noch bei 41,4 Prozent. Weltweit hat das Unternehmen mittlerweile mehr als 20.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 28 Gigawatt installiert. Laut den Wirtschaftsforscher von Globaldata liegt Enercon im globalen Vergleich damit auf Platz. Geschlagen werden die Ostfriesen von der dänische Konkurrenz Vestas.

Foto: dpa

Die Folgen des Durcheinanders: Geldgeber ziehen sich zurück oder steigen erst gar nicht in die Finanzierung von Meereswindparks ein – wie etwa das Emissionshaus Voigt & Collegen aus Düsseldorf: „Die Risiken sind für Privatanleger unkalkulierbar“, sagt Geschäftsführer Hermann Klughardt, der mehr als 30 Solarkraftwerke in Spanien und Italien im Portfolio hat.

Als Hoffnung bleibt, dass sich die Branche schnell professionalisiert, vor allem aber, dass neue Technologien die Stromerzeugung auf See doch noch wirtschaftlich machen – und den Bau neuer Parks beschleunigen.

Infografik

Die wichtigsten Windparkprojekte vor Deutschlands Küsten

Offshore-Windkraft ist ein zentrales Element der Energiewende. Unsere Infografik zeigt die wichtigsten Windparkprojekte in Nord- und Ostsee und wie es um sie steht.

Der Check von WirtschaftsWoche und A.T. Kearney ist der erste seiner Art, der ab sofort jährlich den Fortschritt der Energiewende in Deutschland misst. Im Zentrum der Analyse steht die Frage, inwieweit die vier wichtigsten Ziele der Energiewende, die die Bundesregierung vorgegeben hat, erreicht werden. Diese vier Ziele sind die Wirtschaftlichkeit der Stromversorgung, die Versorgungssicherheit, die Umweltverträglichkeit und die Akzeptanz bei der Bevölkerung.

Erklärung der Fußnoten:

1 - Daten jeweils Ende des Vorjahres

2 - nicht genutzte Stromerzeugungskapazität

3 - Das Soll basiert auf den 24 von der Bundesregierung als bevorzugt auszubauenden Netzstrecken (in km²)

Quelle: Studie A.T. Kearney/ Wirtschaftswoche

Foto: WirtschaftsWoche

4 - gemessen an den Zwischenzielen in jedem Jahr

5 - Ziel 2020: 35 Prozent

6 - Ziel 2020: 18 Prozent

7 - Ziel 2020: 40 Prozent zum Basisjahr

8 - Ziel 2020: 10 Prozent zum Basisjahr

9 - Ziel 2020: 20 Prozent zum Basisjahr

10 - Ziel der Bundesregierung für 2020wurde in lineare Teilziele heruntergebrochen

11 - Reduktion CO2-Emissionen um mindestens 2,7 Prozent im Jahr

Quelle: Studie A.T. Kearney/ Wirtschaftswoche

Foto: WirtschaftsWoche

12 - Negativszenario

13 - Inflationsrate der vergangenen fünf Jahre

Quelle: Studie A.T. Kearney/ Wirtschaftswoche

Foto: WirtschaftsWoche

14 - Umfragen

Quelle: Studie A.T. Kearney/ Wirtschaftswoche

Foto: WirtschaftsWoche

Dabei hatte sich die schwarz-gelbe Koalition in Berlin in ihrem Energiekonzept alles so schön zurechtgelegt: 2020 sollten sich Windräder mit einer Leistung von 10.000 Megawatt (MW) in Nord- und Ostsee drehen – zehn Jahre danach sollten sie eine Leistung bringen wie 25 große Kohlekraftwerke. Offshore-Strom sollte dann eine der wichtigsten Säulen der Energieversorgung werden. Die Pläne sind Makulatur.

Ein Wunder müsste geschehen, um die Ziele noch zu erreichen. Mit den Testfeldern Alpha Ventus in der Nord- und Baltic Sea 1 in der Ostsee sowie den 24 von 80 bereits angeschlossenen Windrotoren des Nordsee-Parks Bard Offshore 1 sind nicht einmal 200 MW am Netz. Und laut einer Prognose des Bremer Beratungsunternehmens wind:research für die WirtschaftsWoche wird sich die Lücke sobald nicht schließen. Wahrscheinlich fehlen 2020 gut 3000 MW Offshore-Leistung. Bis 2030 verdoppelt sich die Lücke sogar auf fast 6000 MW.

Selbst bei den besten der 15 aussichtsreichsten Projekte unter den 29 in Nord- und Ostsee genehmigten Windparks lauern laut wind:research-Geschäftsführer Dirk Briese „nicht zu unterschätzende Restrisiken“.

Stromkunden müssen ran

Es könnte noch schlimmer kommen. Die wind:research-Experten sehen die Gefahr, dass nach 2020 überhaupt keine neuen Windparks mehr ans Netz gehen – wenn die Netzbetreiber vor den Investitionen kapitulieren, die nötig sind, um Meereswindparks ans Festland anzuschließen. Betroffen ist vor allem der niederländische Stromtransporteur Tennet, der fast alle deutschen Nordsee-Windparks verkabeln muss. 5,5 Milliarden Euro hat das Unternehmen für den Ausbau bislang eingeplant. Weitere rund 15 Milliarden braucht Tennet nach eigenen Angaben noch.

Damit jedoch sieht sich das Unternehmen überfordert und ruft nach Hilfe der Bundesregierung. Die zeigt sich offen – schon aus Sorge vor einer Bruchlandung. Und so wird in Berlin über einen Einstieg der staatlichen KfW-Bank ins Netzgeschäft spekuliert. Eine andere Variante wäre, dass der Versicherungskonzern Allianz und der Rückversicherer Munich Re das Tennet-Netz übernehmen.

Mitarbeiter des Windanlagenbauers Nordex in Rostock: 2020 sollten sich Windräder mit einer Leistung von 10.000 Megawatt (MW) in Nord- und Ostsee drehen – zehn Jahre danach sollten sie eine Leistung bringen wie 25 große Kohlekraftwerke.

Foto: dpa

Auch wenn die Unternehmen zu den Planspielen schweigen: Der Schritt wäre logisch. Immerhin garantiert der Staat den Netzbetreibern für ihre Investitionen eine Rendite von neun Prozent. Kaum eine andere Geldanlage bietet derzeit eine so hohe, zudem garantierte Rendite.

Auch in Haftungsfragen kommt die Regierung den Offshore-Akteuren entgegen – zulasten der Verbraucher: Kommt es zu Problemen beim Anschluss, sollen Stromkunden die Windparkbetreiber über eine sogenannte Haftungsumlage entschädigen, die auf den Strompreis umgelegt wird. So sieht es ein Referentenentwurf des Wirtschafts- und Umweltministeriums vor. Diese Kosten liegen pro Jahr schnell bei 300 Millionen Euro je Windpark, hat der Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Speciality (AGCS) ausgerechnet. Das Unternehmen hat weltweit mehr als 30 Offshore-Windprojekte mitversichert.

Wie sich die Stromerzeugungskosten erneuerbarer Energien entwickeln (in Cent je Kilowattstunde; Klicken Sie für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik)

Foto: Frauenhofer ISE, BMU

Sie sehen aus wie übliche Lenkdrachen, doch sollen sie zukünftig der Gewinnung von Windenergie dienen. Die Technische Universität Delft in den Niederlanden, deren Drache hier zu sehen ist, forscht seit Jahren im Kite Power Projekt an dieser Technologie und hat schon mehrere Prototypen getestet. 2015 könnten laut der Brandenburger Firma Enerkite die fliegenden Kraftwerke auch in Deutschland für Energie sorgen.

Die Drachen fliegen dafür in 300 bis 600 Metern Höhe und zapfen dort die konstanten Windströme für die Stromgewinnung ab. Über ein Seil ist der Drache mit einer mobilen Bodenstation gekoppelt. Die Flugsteuerung sowie der Generator laufen per Autopilot. Im Gegensatz zu großen Windanlagen sind die „Energiedrachen“ flexibel einsetzbar, leise und auch noch günstiger.

Foto: Twitter

Die USA setzt ebenfalls auf Fluggeräte zur Energiegewinnung, doch diese ähneln eher einem Flugzeug. Windturbinen aus Glasfasern und Karbon machen dabei die Stromgewinnung in der Luft möglich. Die Forschung des kalifornischen Unternehmens Makani Power an der Airborne Wind Turbine wird unter anderem von Google bezuschusst. Die Turbine, die bis zu 600 Meter hoch fliegt, wird von einem Hauptseil gehalten, während die Luftenergie über ein anderes Seil zum Boden gelangt. Dabei fliegt die Windturbine kreisförmig und quer zum Wind, wodurch sie sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht. Der Prototyp kann sogar teilweise selbstständig den Flugmodus wechseln. Das Unternehmen plant die Windturbinen auch auf der See einzusetzen.

Foto: Twitter

Zumindest auf den Plänen der Konstrukteure bringen diese Windgeneratoren mehr Leistung als konventionelle Windmühlen. Der vertikale "Aerogenerator" wird auf hoher See installiert. Die Stromausbeute liegt bei 10 Megawatt, rund drei Megawatt mehr als die bisher größte Windanlage produziert. Die Spannweite kann nach Angaben des britischen Herstellers Windpower bis zu 230 Meter betragen. Dagegen sehen die bisher üblichen Windmühlen eher schlapp aus - die neuesten Anlagen der konventionellen Bauart sollen nämlich einen Rotorendurchmesser von "nur" 180 Meter haben.

Foto: PR

Schaut wie eine Steinschleuder aus, ist aber ein Lenkdrache. Die Idee: der Kite-Segel der italienischen Firma Kite Gen ist an einem bewegbaren Arm an zwei Seilen befestig und wird dann auf eine Höhe von 800 bis 1000 Metern gebracht. Dort dreht der Winddrachen konstante Achten und treibt so die Turbine an. Der Vorteil: in mehr als 1000 Meter Höhe bläst der Wind konstanter als in Bodennähe. Bei einer Windgeschwindigkeit von 25 km/h läge die Energieausbeute laut Hersteller bei drei Megawatt.


300 Drachen brächten so die Leistung eines Atomkraftwerks - und da der Wind in der Höhe nahezu durchgehend bläst, gäbe es keine großen Ausfallzeiten. Der Haken: Flugzeuge müssten das Gebiet umfliegen. Das scheint bei der hohen Verkehrsdichte am europäischen Himmel und der Größe der Lenkdrachen-Parks nicht praktikabel. Das Modell ist derzeit noch in der Erprobungsphase.

Foto: PR

Auch die M.A.R.S.-Anlage produziert mit Hilfe von Höhenwinden Energie. Das Mageen Power Air Rotor System wird dazu mit Helium gefüllt und steigt nach oben. Bläst der Wind, dreht sich der Ballon um die eigene Achse und treibt den Rotor an. Bis zu ein Megawatt Strom soll so erzeugt werden, das über ein Kabel nach unten fließt.  

Foto: PR

Dieses Modell aus den USA sieht aus wie eine übergroßes Stück menschlicher DNA und heißt daher auch Helix Wind. Diese Turbine dreht sich um die eigene Achse und produziert so Strom. Allerdings nicht viel: nur 4,5 Kilowatt bei einer Windgeschwindigkeit von 18 km/h. Die Windhelix eignet sich also eher für das Eigenheim. Bei einer einzelnen Helix-Länge von sechs Metern sollte man eine enstprechend große Hütte haben.

Foto: PR

Dieses vertikale Modell soll leise sein und sich unauffälliger als die massigen, konventionellen Windmühlen in die Landschaft fügen. Die Anlage des britischen Unternehmens quietrevolution wird auf Dächern oder auf 18-Meter hohen Posten montiert und kann je nach Windgeschwindigkeit bis zu 16 Kilowatt Strom erzeugen. Die "vertical axis wind turbine (VAWT)" ist daher auch für das Eigenheim oder für kleinere Gebäude gedacht.

Foto: PR

Die menschliche Aktivität benötigt Strom, sie erzeugt aber auch Strom. Fahrzeuge oder Züge wirbeln beim Fahren Wind auf. Die Energie, die dabei entstehen könnte, bleibt oft ungenutzt. Grund genug, dass sich einige Konstrukteure Gedanken diesbezüglich gemacht und diese bisher namenlose Windanlage entworfen haben.

In Frankreich soll so bereits an der Autobahn zwischen Paris und Lyon Strom erzeugt werden. Die gewonnen Energie reicht für Straßenlichter, Radarkontrollen und das Betreiben kleinerer Rastplätze. Mehr dürfte nicht drin sein - die Energieausbeute liegt bei 1,5 Kilowatt. Der Hersteller hat zumindest das Potenzial zur Diversifizierung erkannt – Cite Production stellt Komponenten für Atomkraftwerke her. Das gleiche Prinzip machen sich….

Foto: PR

… die Industriedesigner Qian Jiang und Alessandro Leonetti Luparini zunutze. Die Idee der beiden: der von Zügen und U-Bahnen aufgewirbelte Wind strömt in eine sogenannte T-Box (siehe Bild), dreht die Turbinenblätter in der Box an und erzeugt Strom. 150 dieser Boxen könnten nach Angaben der Designer pro Kilometer Schienen gelegt werden. Doch Züge werfen auch Staub und Schmutz ab. Die Boxen müssten also regelmäßig gereinigt werden. Während der Wartungsarbeiten blieben die Strecken für den Zugverkehr geschlossen - das scheint wirtschaftlich kaum machbar.

Desginern ist bekanntermaßen das Aussehen oft wichtiger als die tatsächliche Funktionalität...

 

Foto: PR

... manchmal fällt aber beides zusammen. Zumindest auf dem Papier. Das hier ist kein alternativer Regenwald, sondern ein Wald aus Carbon-Stäben. Der Wind setzt die 55 Meter hohen Stäbe in Bewegung, diese sind an der Basis an Keramikplatten befestigt, die mit den Schwingungen der Stäbe Strom erzeugen. LED-Lämpchen, am Ende jedes Stabs befestigt, sollen bei entsprechender Windstärke leuchten.

Das Ganze sieht von oben so aus....

Foto: PR

Nach einem Entwurf des New Yorker Ateliers DNA hat die gesamte Anlage 1203 Stäbe. Der Besucher soll beim Begehen das Windrauschen hören können. Der Carbon-Wald soll soviel Energie liefern wie ein konventioneller Windpark derselben Größe.

Foto: PR

Kein Wunder, dass Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentralen, Schlimmes befürchtet: „Nach dem Solarboom droht den Verbrauchern beim Offshore-Wind die nächste Kostenwelle.“

Am Ende wird es vor allem Verlierer geben. Nicht einmal für die Windparkbetreiber selbst dürfte der vermeintliche Boom noch lohnenswert sein. Bard Offshore 1 etwa liegt drei Jahre hinter dem Zeitplan. Die Kosten für das Projekt haben sich von 1,5 auf etwa 3,0 Milliarden Euro verdoppelt. Selbst wenn der Park über eine Laufzeit von 20 Jahren rund 5,4 Milliarden Euro einbringt, bleibt laut wind:research nur ein Minigewinn übrig – wenn überhaupt.

Und überall türmen sich weitere Probleme. Besonders augenfällig wird das in Cuxhaven, wo sich Dutzende der tonnenschweren, über 20 Meter hohen Betonfundamente für Windräder stapeln. Andernorts liegen Türme, an denen später die Rotoren und Gondeln befestigt werden. Massenhaft totes Kapital. Eine ganze Industrie – deren Wertschöpfung in Deutschland wind:research bis 2020 auf 200 Milliarden Euro schätzt – droht auszutrocknen. Viele der Schwierigkeiten haben damit zu tun, dass Deutschland als einziges Land Windparks bis zu 100 Kilometer vor den Küsten baut, dazu noch in Wassertiefen von 50 Metern. So wollte die Politik Bürgerproteste von vornherein vermeiden.

Schwierige Löschung von Windrad-Bränden

Die schmalen, hohen Windmasten sind bei einem Brand kaum zu löschen. Deshalb lassen Feuerwehrleute sie meist kontrolliert ausbrennen – wie im April in Neukirchen bei Heiligenhafen (Schleswig-Holstein).

Foto: dpa

Tiefflughöhe steigt

Die Bundeswehr hat die Höhe bei nächtlichen Tiefflügen angepasst. Wegen Windradmasten kann die Tiefflughöhe bei Bedarf um 100 Meter angehoben werden. Der Bundesverband Windenergie (BWE) begrüßt, dass dadurch Bauhöhen von bis zu 220 Meter realisiert werden können. Die Höhe des derzeit höchsten Windradtyps liegt bei etwa 200 Metern.

Foto: dpa

Dieselverbrauch durch Windräder

Viele neue Windkraftanlagen entstehen – ohne ans Netz angeschlossen zu sein. Solange der Netzausbau hinterherhinkt, erzeugen die Windräder keine Energie, sondern verbrauchen welche. Um die sensible Technik am Laufen zu halten, müssen Windräder bis zu ihrem Netzanschluss mit Diesel betrieben werden. Das plant etwa RWE bei seinem im noch im Bau befindlichen Offshore-Windpark „Nordsee Ost“.

Foto: AP

Stromschläge für Feuerwehrleute

Solarzellen lassen sich meist nicht komplett ausschalten. Solange Licht auf sie fällt, produzieren sie auch Strom. Bei einem Brand droht Feuerwehrleuten ein Stromschlag, wenn sie ihren Wasserstrahl auf beschädigte Solarzellen oder Kabel halten. Diese Gefahr droht nicht, wenn die Feuerwehrleute aus sicherer Entfernung den Wasserstrahl auf ein Haus richten – aber, wenn sie dabei ins Haus oder aufs Dach gehen. Stromschlagsgefahr gibt es ebenso für Feuerwehrleute, wenn sie nach einem Straßenunfall Personen aus einem beschädigten Elektroauto bergen müssen.

Foto: AP

Störende Schatten

Windräder werfen Schatten – manche Anwohner sehen darin eine „unzumutbare optische Bedrängung“, wie es das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ausdrückte. Es gab einer Klage recht, die gegen ein Windrad in Bochum gerichtet war. Im Februar wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision des Investors ab. Das Windrad wird nun gesprengt.

Foto: dpa

Gestörte Navigation

Auf hoher See wird es voll. Windparks steigern nicht nur das Kollisionsrisiko mit Schiffen. Die Rotoren stören auch das Radarsystem. Der Deutsche Nautische Verein schlägt daher vor, dass Windparks nur genehmigt werden, wenn die Betreiber auch neue Radaranlagen an den Masten installieren.

Foto: dapd

Windrad-Lärm

Windräder drehen sich nicht nur, dabei machen sie auch Geräusche. Je stärker der Wind, desto lauter das Windrad – und das wollen viele Bürgerinitiativen nicht hinnehmen. Ein Beschwerdeführer aus dem westfälischen Warendorf erreichte im September 2011 vorm Verwaltungsgericht Münster zumindest, dass eine Windkraftanlage nachts zwischen 22 und 6 Uhr abgeschaltet wird.

Foto: dpa

Doch die Vorgabe macht die Anlagen zu den teuersten der Welt: Lange Kabeltrassen und Transportwege treiben die Kosten ebenso wie der aufwendige Bau von Spezialschiffen und für diese Wassertiefen geeigneter Fundamente. Zudem brauchen die Parks eigene Umspannstationen und Serviceplattformen. Reparaturen und Wartungen lassen sich bei diesen Entfernungen nicht von Land aus erledigen.

Deutschland wird als Standort unattraktiv

Bei alledem fehlt es auch an Erfahrung. Das zeigt zum Beispiel Nordsee-Ost, der erste Offshore-Windpark des Essener Energiekonzerns RWE. Der Betriebsbeginn des Meereskraftwerks verschiebt sich um mindestens 15 Monate, weil sich damit sogar Siemens überhoben hat.

Erneuerbare Energien

Wer sich an Wind- und Solarkraft die Finger verbrannte

von Mario Brück und Günter Heismann

Im Glauben, den Bau der mächtigen Stationen zu beherrschen, in denen der Wechselstrom der Windräder für den Transport an Land auf Gleichstrom umgespannt wird, hatten sich die Münchner gleich vier Aufträge gesichert. Doch schnell zeigte sich, dass die Siemens-Ingenieure ihre Erfahrungen und Kapazitäten über- und die Komplexität der Technik unterschätzt hatten. Die Folge: Zwei der Plattformen werden ein Jahr zu spät fertig. Das Desaster bescherte dem Unternehmen im ersten Halbjahr 2012 einen Verlust von fast 500 Millionen Euro.

Viele Technologien müssen für die rauen Bedingungen auf See neu entwickelt werden. Die Versicherer kassieren für so viele Unwägbarkeiten satte Risikoaufschläge: Laut AGCS kann die Police eines 1,7 Milliarden teuren 400-MW-Windparks bis zu 34 Millionen Euro kosten – doppelt so viel wie die eines vergleichbaren Gaskraftwerks.

Ausbaupläne der Bundesregierung zur Meereswindenergie und tatsächliche Entwicklung (in Megawatt bis 2030; Klicken Sie für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik)

Foto: wind:research

Rotorblatt-Fabrik von Vestas im brandenburgischen Lauchhammer: Längere Rotorblätter sind der wichtigste Hebel für Kostensenkungen. Denn nach einer Faustformel vervierfacht sich die Leistung eines Windrads mit jeder Verdoppelung der Fläche, die der Rotor durchstreicht.

Foto: AP

Das hat zur Folge, dass Deutschland für Offshore-Investoren immer unattraktiver wird. Die Bundesregierung hofft nun, den Stillstand mit einem Netzentwicklungsplan beseitigen zu können: Noch 2011 will sie Orte und Größe künftiger Netzanschlüsse der Parks ans Land frühzeitig und verbindlich festlegen. Wind:research-Chef Briese hält das für einen wichtigen Schritt. „Die Sicherheit des pünktlichen Netzanschlusses würde bei den Investoren Vertrauen schaffen.“

Doch das reicht nicht. Ebenso wichtig sei es, sagt Briese, durch bessere Abläufe, eine Industrialisierung der Produktion und technologische Neuerungen die Parks deutlich billiger aufbauen zu können.

Heute kostet die Erzeugung einer Kilowattstunde (kWh) Offshore-Stroms rund zwölf Cent. Windstrom vom Land ist fünf Cent billiger; Kohle- und Gasstrom sind gar schon für fünf bis sieben Cent zu haben. Briese zufolge dürfte der Meeresstrom nicht mehr als zehn Cent kosten, um gegenüber anderen erneuerbaren Energien bestehen zu können. Fraunhofer-Forscher erwarten jedoch, dass diese Schwelle erst 2025 unterschritten wird.

Das größte Kostensenkungspotenzial sehen die wind:research-Experten bei den Anlagen selbst. Sie ließen sich um 40 Prozent billiger produzieren. Wichtigster Hebel: längere Rotorblätter. Denn nach einer Faustformel vervierfacht sich die Leistung eines Windrads mit jeder Verdoppelung der Fläche, die der Rotor durchstreicht.

Gerade bringen Hersteller wie Siemens, Repower oder Areva die ersten Windmühlen der Sechs-MW-Klasse auf den Markt. Dafür fertigt Siemens das mit 75 Metern längste Glasfaser-Rotorblatt der Welt – es wird dank eines neuen Verfahrens erstmals in einem Stück gegossen. Dadurch entfallen Naht- und Klebestellen, die anfällig für Korrosion und Schäden durch aufprallende Regentropfen sind.

Das ist erst der Anfang. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Bremerhaven, Andreas Reuter, hält in Zukunft 20- MW-Anlagen für realistisch. „Die ersten Räder könnten 2020 stehen.“ Siemens will nach 2015 erste Turbinen mit zehn MW anbieten. Heutige Standardmühlen sind höchstens halb so leistungsstark.

Bei neuen Anlagen gibt es praktisch keine Denkverbote. So entwickelt das britische Unternehmen Wind Power eine Turbine mit revolutionärem Konzept: Die Rotoren des Aerogenerators X streichen parallel zu den Wellen übers Meer. Ihre Spannweite kann bis zu 230 Meter erreichen. Dabei ragen sie dank des neuen Designs nur halb so hoch aus dem Wasser wie klassische horizontale Mühlen. Daher können ihre Fundamente kleiner ausfallen. Das spart Transportkosten, vor allem aber wird weniger Stahl und Beton benötigt.

Vorteile versprechen sich Ingenieure auch von sogenannten Zweiflüglern, an denen das niederländische Unternehmen 2-B-Energy forscht. Der Wegfall des dritten Rotorblatts spart Material, und die Zweiflügler lassen sich schon während des Transports auf dem Errichterschiff mit dem Maschinenhaus verschrauben, weil sie weniger Platz wegnehmen als die Dreiblättler. Zudem kreisen ihre Propeller hinter dem Turm. Die Folge: Sie können sich von selbst in den Wind drehen; bislang übernehmen das Motoren, die Geld kosten – und Strom verbrauchen.

Große Einsparungen würde nach Einschätzung der wind:research-Experten auch eine Automatisierung der Produktion bringen. IWES-Forscher prüfen daher, ob Roboter künftig die Glasmatten – das Material aus dem die Rotorblätter bestehen – verlegen könnten. Bisher geschieht das weitgehend in Handarbeit.

Im Meer geht mehr

Mitunter können selbst simple Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit des Offshore-Stroms drastisch erhöhen. So wollen Fraunhofer-Forscher mit speziellen Messprogrammen die Windverhältnisse auf der Nordsee detaillierter erfassen als bisher. Ziel ist es, die ergiebigsten Standorte zu finden: Ist die durchschnittliche Windgeschwindigkeit nur zehn Prozent höher, erzeugen die Anlagen 30 Prozent mehr Elektrizität; und das zu gleichen Kosten.

Windpark-Entwickler Balz sieht den nächsten Wochen gelassen entgegen. Zumindest wenn es um den Bau von Global Tech I geht, seinem gerade begonnenen ersten Windpark. Dafür liegt die Verantwortung jetzt bei der Offshore-Tochter des Essener Baukonzerns Hochtief. Sie hat 240 Tage Zeit, die Anlagen komplett zu installieren und anzuschließen. Für jeden Tag Verspätung müsste sie Balz und die anderen Investoren mit jeweils 250 000 Euro entschädigen.

Und wer weiß: Sollte es Deutschland trotz aller Widrigkeiten am Ende schaffen, Windparks unter solch schwierigen Bedingungen weit draußen auf See zu bauen, und das zu vertretbaren Kosten, hätte das Land einen einmaligen Technologievorsprung. Nicht ausgeschlossen also, dass aus dem Drama auf See doch noch eine Erfolgsgeschichte wird.

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