Transponderdaten belegen Türkei ließ engmaschig in Zyperns Wirtschaftszone nach Öl und Gas suchen

Das türkische Forschungsschiff Barbaros hat den Südosten der zyprischen Wirtschaftszone flächendeckend untersucht Quelle: MarineTraffic

Athen und Ankara streiten über die Forschungstouren türkischer Schiffe im Mittelmeer auf der Suche nach Erdgas. Auch vor Zypern wird gesucht. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat vier Schiffe vor die Küste Zyperns geschickt, um den Boden des Mittelmeers nach Rohstoffvorkommen absuchen zu lassen. Die Transponderdaten der Schiffe zeigen, wie ernsthaft er die Exploration zuletzt betrieben hat. 

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Im östlichen Mittelmeer schaukelt sich derzeit ein Rohstoffkonflikt hoch. Bei neuen Erdgaserkundungen bewegt sich das türkische Forschungsschiff Oruç Reis derzeit in einem Seegebiet, das Griechenland als sogenannte Ausschließliche Wirtschaftszone versteht. Aufrufe Griechenlands die Region zu verlassen, blieben unbeantwortet, wie es am Morgen aus Kreisen des Verteidigungsministeriums in Athen hieß. Die Suche der Türkei in der Region ist aus Sicht Athens illegal. Auch die EU hat die türkischen Aktionen verurteilt und Ankara aufgefordert, sie einzustellen.

Auch die Gewässer vor Zypern sind ins Blickfeld der Türkei gerückt. Schätzungen zufolge soll etwa um die Insel Zypern genug Erdöl und Erdgas lagern, um auch Westeuropa damit zu versorgen. Eine Allianz von Staaten will diese Vorkommen ausbeuten: Zu dieser Gruppe gehören neben Ägypten und Israel die zwei EU-Länder Griechenland und Zypern. Als sich diese Nationen zusammenschlossen, haben sie die Türkei ausdrücklich nicht mit einbezogen. Doch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan meldet seinerseits Ansprüche an den Öl- und Gasfeldern im sogenannten Levantinischen Becken an. Wie ernst es ihm dabei ist, zeigen vier Forschungsschiffe, die er im vergangenen Jahr immer wieder in die Region geschickt hat, um die Vorkommen aufzuspüren.

Transponderdaten, die die WirtschaftsWoche mithilfe des griechischen Anbieters MarineTraffic nun ausgewertet hat, zeigen, wie engmaschig die Türkei die Gewässer in den vergangenen Monaten rund um Zypern vor allem mit den zwei Forschungsschiffen Barbaros und Oruç Reis untersucht hat (siehe Bildergalerie). Beide Schiffe können die geophysische Beschaffenheit des Meeresbodens analysieren. Die Oruç Reis ist sogar mit einem Tauchroboter ausgestattet, der Proben bis in eine Tiefe von 1500 Metern nehmen kann.

Wo die türkischen Schiffe unterwegs waren
Das türkische Forschungsschiff Barbaros hat den Südosten der zyprischen Wirtschaftszone flächendeckend untersucht Quelle: MarineTraffic
Das Bohrschiff Fatih hat vor allem im Osten und Westen Zyperns nach Öl und Gas gesucht. Quelle: MarineTraffic
Türkisches Forschungsschiffs Oruç Reis Quelle: MarineTraffic
Die Yavuz, ein Bohrschiff, war im südlichen Teil der zyprischen Wirtschaftszone aktiv. Quelle: MarineTraffic

Die Transponderdaten zeigen auch deutlich, dass Erdogans Forschungsschiffe immer wieder in der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone, die das EU-Land Zypern für sich beansprucht, nach Vorkommen suchten. Das ist dem Seerecht zufolge ein Streifen vor der Küste, der bis zu 200 Seemeilen vom Festland weg reichen kann. Gerade im östlichen Mittelmeer sind diese Zonen aber oft schwer zu bestimmen. Keines der Anrainerländer ist mehr als 400 Seemeilen von der gegenüberliegenden Küste entfernt, sodass es hier regelmäßig zu Abgrenzungskonflikten kommt. Hinzu kommt die völkerrechtlich schwierige Situation Nordzyperns, das türkische Truppen 1974 besetzt haben und wo 1983 die Türkische Republik Nordzyperns ausgerufen wurde. Die ist bis heute von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt – mit Ausnahme der Türkei.

Sowohl die Oruç Reis als auch die Barbaros suchten den Daten zufolge allerdings nicht nur in den Gewässern Nordzyperns, sondern auch in denen, die zur EU gehören. Das gilt ebenso für die türkischen Bohrschiffe Yavuz und Fatih, die in den vergangenen Monaten beide innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns aktiv waren, wie ihre Transponderinformationen zeigen.

Die Gewässer vor Zypern sind aber nur ein Teil des Problems. Der Streit um die Gasvorkommen weitet sich zurzeit auch auf andere Regionen im östlichen Mittelmeer aus. So hatte die Türkei kürzlich angekündigt, seine Schiffe in den nächsten Monaten auch in der von Griechenland beanspruchten Wirtschaftszone nach Öl und Gas suchen zu lassen, etwa vor der Insel Kreta. Selbst wenn Erdoğan gerade angekündigt hat, diese Erkundungen erst einmal für eine Weile auszusetzen, kommt es hier wie bei Zypern immer wieder zu Abgrenzungsproblemen, besonders bei den griechischen Inseln, die vor der türkischen Küste liegen.

So vertritt Griechenland den Standpunkt, dass die griechischen Inseln einen Festlandsockel nach internationalem Seerecht bilden. „Danach gehört der Meeresgrund unter der Ägäis sowie rund um Kreta im Ergebnis praktisch vollständig zu Griechenland“, heißt es in einer seevölkerrechtlichen Bewertung des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag. Gegen eine solche Sichtweise wende sich allerdings die Türkei mit dem Argument, dass sie geografisch über eine der längsten Küstenlinien im östlichen Mittelmeer verfüge, was eine entsprechende maritime Einflusszone laut Türkei rechtfertige. Nach türkischer Auffassung liegen die der türkischen Küste vorgelagerten griechischen Inseln und Felsen, von denen einige nur bei niedrigem Wasserstand zu sehen sind, auf dem türkischen Festlandssockel, sodass der Meeresgrund rund um diese Inseln dem türkischen Festland zuzuordnen sei.

Erschwert wird der Konflikt, der vor ein paar Tagen sogar in eine militärische Auseinandersetzung zu münden drohte, durch die Tatsache, dass die Türkei das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen nicht unterzeichnet hat. Damit unterliegt sie auch nicht dem internationalen Seegerichtshofin Hamburg. Griechenland etwa strebt deshalb eine Klärung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag an. Dabei dürfte es auch um die Frage gegeben, ob eine Kooperation der Türkei mit Libyen Bestand haben kann, mit der sich Erdoğan die Förderrechte auch in der Wirtschaftszone des nordafrikanischen Landes sichern will.

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Im Streit zwischen Griechenland und der Türkei um Erdgasvorkommen im Mittelmeer muss die EU mehr als bisher mit einer Stimme sprechen und der Türkei eine rote Linie aufzeigen, sagt Günter Seufert, Leiter des Centrum für angewandte Türkeistudien (CATS) in Berlin. Seufert fordert Sanktionen gegen die Türkei. Gleichzeitig müsse die EU der Türkei neue wirtschaftliche Kooperationen anbieten.

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