Wirtschaft von oben #205 – Tesla in Shanghai In dieser chinesischen Retortenstadt baut Tesla sein Geschäftsmodell um

Dieser künstlich angelegte See mit einem Durchmesser von drei Kilometern ist das Symbol von Lingang. Tesla baut seine Präsenz dort nun aus. Quelle: LiveEO/Google Earth

Inmitten des Taiwan-Konflikts setzt Elon Musk ein Zeichen für den chinesischen Markt – und verändert das Tesla-Geschäftsmodell. Exklusive Satellitenbilder zeigen das irre Wachstum der Stadt, in der das E-Auto-Unternehmen künftig große Batteriespeicher bauen will. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Die nächste Runde im Preiskampf um E-Autos hat begonnen. Am Freitag teilte Tesla mit, für das Model 3 und bestimmte Versionen der anderen Modelle „in zahlreichen europäischen Märkten“ weniger zu verlangen. Das Model 3 bietet der Autobauer in Deutschland nun für 41.990 Euro an.

Tesla ist einer der profitabelsten Autobauer weltweit. Noch nie hat der Konzern so viele Autos verkauft wie im ersten Quartal 2023. Seine Preise senkt er nicht zum ersten Mal. Andere Anbieter sind nachgezogen. Doch auf Dauer schmälert so ein Preiskampf den Gewinn. Und in China, dem wichtigsten Automarkt der Welt, in dem Tesla ein Fünftel des Gesamtumsatzes erwirtschaftet, ist das Wachstum der Verkaufszahlen zuletzt deutlich zurückgegangen. Um 20 Prozent.

Und so hat Musk noch mindestens eine weitere Mission mit Tesla. Er will das Geschäftsmodell vor Ort ausweiten und stärker auf Batteriespeicher setzen. Dafür hat der Multiunternehmer und Multimilliardär über Ostern den Bau einer neuen Fabrik für besonders leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterien verkündet, die Tesla-„Megapacks“. An einem Ort, an dem er bereits sehr gute Erfahrungen gemacht hat: Lingang vor den Toren von Shanghai. 

Die chinesische Sonderzone ist eine Retortenstadt, die auch dank Teslas Investitionen gedeiht, wie exklusive Satellitenbilder von LiveEO nun zeigen. Dort steht bereits die Gigafactory 3, das größte und produktivste Werk des US-Unternehmens.


Lingang hat Musk nun auch ausgewählt, um die Abhängigkeit vom zunehmenden Preiskampf auf dem Markt für E-Autos zu verringern. Allen handels- und sicherheitspolitischen Meinungsverschiedenheiten, allen militärischen Drohgebärden zwischen den USA und China im Taiwankonflikt zum Trotz. Eine Entscheidung, die etwa der republikanische Vorsitzende des Sonderausschusses im US-Repräsentantenhaus für die Kommunistische Partei Chinas nicht gutheißt: „Ich bin darüber besorgt“, sagte Mike Gallagher der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Art von Geschäften, die sie dort abgeschlossen haben, scheint sehr bedenklich.“

Aber für Musk gilt offenbar: Geschäft vor Geopolitik. Schnelligkeit ist das, was für ihn zählt. Und die haben die Chinesen in Lingang bewiesen. Nach weniger als einem Jahr Bauzeit stand 2019 die Tesla-Fabrik, wie die Satellitenfotos zeigen. Abgesehen von einer kurzen Produktionspause am Anfang der Coronapandemie läuft sie seitdem auf Hochtouren. Rund die Hälfte aller Tesla-Wagen weltweit stammen aus dem Werk in der Sonderzone.


Das Gebiet gehört zum Großraum Shanghai und beheimatet auch einen großen Teil des Hafens der Metropole. Auf den Satellitenbildern ist gut zu erkennen, wie er ab 2011 gebaut wird. Vor allem Rotorblätter für Windräder und Autos lagern hier später. Seit 2020 dann auch jede Menge Teslas. Die in der Giga Shanghai produzierten Modelle 3 und Y sind vor allem für den asiatischen Markt, gehen aber auch nach Europa.

Containerschiffe, die für das Hafenbecken hier zu tief liegen, steuern den Tiefwasserhafen Yangshan gut 30 Kilometer südöstlich an. 2005 eröffnet, gehört er ebenfalls zum Hafen von Shanghai. Wie für die Retortenstadt Lingang selbst musste auch für den Tiefwasserhafen Sand aufgeschüttet und Land gewonnen werden, wie die Satellitenfotos zeigen.


Yangshan ist über eine 32,5 Kilometer lange Brücke mit dem Festland verbunden. Lastwagen transportieren die Container hin und her. Der Verladepunkt liegt wenige Blocks vom Kern der vor 20 Jahren entwickelten Stadt entfernt.


Der künstlich angelegte Dishui-See war der Ausgangspunkt für die neue Hafenstadt, die vom Hamburger Architekturbüro gmp geplant wurde. Das Ziel des Shanghaier Stadtplanungsamtes: das Bevölkerungs- und Industriewachstum Shanghais zu dämpfen. Die Fotos zeigen, wie der See entsteht und nach und nach die drei Inseln im Norden, Westen und Süden bebaut werden, Wohnungen, Hotels und Räume für Handel, Kultur und Freizeit entstehen.

Den Architekten zufolge ist Lingang „neben Chandighar, Brasilia und Canberra die einzige Stadtneugründung dieser Größenordnung während der letzten hundert Jahre“. 2012 wurde die Stadt in Nanhui New City umbenannt. Die Sonderzone heißt aber weiterhin Lingang. Der Freihandelszone gehört auch der internationale Flughafen von Shanghai im Norden und der Tiefseewasserhafen Yangshan an. Der Vorteil: niedrige Steuern und Erleichterungen beim grenzüberschreitenden Handel.


Dass Tesla sein Energiespeicher-Geschäft nun ausgerechnet hier ausbaut, hat nicht nur mit dem Autowerk zu tun. Lingang hat sich zu einem Standort für E-Mobilität und erneuerbare Energien entwickelt. Chinesischen Staatsmedien zufolge wurden hier 62 Milliarden Dollar in Projekte für die Chipindustrie und E-Autos investiert. Die größten Investoren sind laut der Nachrichtenagentur Bloomberg vor allem lokale und vom Staat kontrollierte Firmen. Das Zentrum gleiche einer Geisterstadt.

Tesla lässt sich davon genauso wenig abhalten wie von Kritik aus der US-Politik. Musk kooperiert auf dem Feld der Batterieproduktion bereits mit chinesischen Unternehmen wie CATL. Mit den jüngsten Fabrikplänen verstärke Tesla „seine Diversifikation weg vom Fahrzeughersteller und mehr in den Bereich erneuerbare Energien und Energiehandel“, sagte Autoexperte Philipp Seidel von der Unternehmensberatung Arthur D. Little dem „Handelsblatt“. Er geht davon aus, dass der weltweite Markt für stationäre Energiespeicher in den kommenden Jahren stärker wachsen werde als der für E-Autos.

Wo genau die neue Fabrik wohl ab dem dritten Quartal dieses Jahres gebaut wird, ist noch nicht bekannt. Die Produktion soll aber im zweiten Quartal 2024 anlaufen und 10.000 Megapacks pro Jahr abwerfen. So viele wie in der bisher einzigen Megapack-Fabrik in Kalifornien. Für den geplanten weltweiten Verkauf kommt Tesla der nahe gelegene Hafen nur zu gelegen.

Die Batterien sind ungefähr so groß wie Schiffscontainer und können Fabriken oder Häuser mit Strom versorgen, wenn die lokalen Netze stark ausgelastet sind oder es einen Blackout gibt. Genau das ist in China ein kritisches Thema, seitdem im Herbst 2021 mehrere Fabriken aufgrund von Energieengpässen für Tage schließen mussten. Einige Bürotürme wurden aus Angst, die Fahrstühle könnten ausfallen, evakuiert. Inzwischen verlangen manche Provinzen von den Betreibern neuer Solar- oder Windenergieparks, genügend Batteriekapazitäten vorzuhalten, um zehn bis 20 Prozent der erzeugten Energie zwischenzuspeichern.

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Für Tesla könnten sich die engen Verbindungen und die Präsenz in China also auszahlen. Am kommenden Mittwoch legt das Unternehmen neue Quartalszahlen vor. Experten erwarten bereits weitere Preissenkungen für Teslas Hauptprodukt. Noch sind das die Autos.

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