Wirtschaft von oben #225 – Geheimdienste Von dieser Spionagebasis in Kuba hört China offenbar die USA ab

Die Spionagestation liegt im Hinterland von Havanna, auf 180 Metern Höhe. Quelle: LiveEO/Pleiades

Satellitenbilder zeigen, wie eine Abhörstation in den Hügeln hinter Havanna modernisiert wird. Laut der Regierung in Washington steckt China dahinter – für US-Behörden und Unternehmen kann das ein Riesenproblem werden. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Wollte Ernest Hemingway im Meer vor Kuba angeln gehen, kletterte er zuvor auf einen kleinen Turm neben seiner Finca Vigia südlich von Havanna. Obwohl die Küste fast zwölf Kilometer entfernt liegt, hatte der Schriftsteller von dort einen hervorragenden Blick auf die See. Er konnte erkennen, ob die Wellen womöglich zu hoch waren, ehe er sich auf den Weg machte. Denn die Finca lag auf einer Anhöhe rund 80 Meter über dem Meeresspiegel.

Ein paar Kilometer weiter landeinwärts sind die Hügel noch etwas höher und erlauben einen noch weiteren Blick auf das Stück Meer zwischen der Karibikinsel und Florida in den USA. Einst hatte deshalb die Sowjetunion in der Nähe des Örtchens Bejucal eine Spionagebasis aufgebaut, um Funksignale in den USA abzuhören, die nur 150 Kilometer von Kuba entfernt liegen. Nun zeigen LiveEO-Satellitenbilder von dieser auf 180 Metern gelegenen Station, dass sie seit einiger Zeit sukzessive modernisiert wird.

Im Juni hatte die US-Regierung bestätigt, dass die Volksrepublik China auf der Basis spätestens seit 2019 das Sagen hat. Ein früherer US-Spionageabwehrchef erzählte kurz darauf der Tageszeitung „Miami Herald“, dass Peking von hier aus schon seit den 1990er-Jahren amerikanische Radiosignale und Satellitenkommunikation abhört.



Weil Kuba so nah an den USA liegt, lassen sich von hier aus beispielsweise die Signale von US-Satelliten abfangen. Auch kann eine solche Spionagestation Experten zufolge offenbar Rufnummern von amerikanischen Behörden überwachen. Zwar sind solche Gespräche oft verschlüsselt. Allerdings lasse sich schon anhand einer steigenden Zahl von Telefonaten feststellen, ob gerade etwa eine Ausnahmesituation herrscht, die für die chinesischen Späher interessant sein könnte.

Zudem arbeitet China mit Hochdruck an Quantencomputern, die die meist mathematisch erzeugten Verschlüsselungen dieser Art von Kommunikation spielend leicht knacken können. China gilt in dem Technologiefeld zurzeit als den USA ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen. Das macht die Spionagebasis in Kuba nicht nur für US-Behörden und das Militär, sondern auch für Technologiefirmen in den USA zu einer potenziellen Bedrohung. So könnte die Station etwa in Zukunft zur Wirtschaftsspionage eingesetzt werden. 

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Auf Kuba ist der wachsende Einfluss Chinas auf das Land und dessen kommunistische Regierung kaum zu übersehen. Der öffentliche Nahverkehr in der Hauptstadt Havanna ist dominiert von Bussen chinesischer Bauart. Auf den Straßen rollen neben alten US-Straßenkreuzern aus den 1950ern, zwischen russischen Ladas aus den 1970ern und 1980ern und Renaults aus den frühen 2000er Jahren heute auch immer mehr moderne Geelys aus China. Und ohne Smartphone und Netztechnologie von Huawei hätte Kuba wohl noch immer kein Internet.

Seit einiger Zeit fließt offenbar auch frisches Geld in den Ausbau der Spionagestation bei Bejucal. Neben einer 300 mal 140 Meter großen Grasfläche, auf der zwölf lange, dünne Antennen senkrecht in die Höhe ragen, wurde 2017 ein Gebäude gebaut. Das hat eine im Durchmesser sechs mal sechs Meter große kugelförmige Konstruktion auf dem Dach, wie man sie auch von anderen Spionagestationen kennt. Darin steckt eine fast ebenso große Parabolantenne – wie hochaufgelöste Satellitenbilder vom Bau belegen.


Auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2022 sind neben dem Gebäude acht offenbar ausrangierte Satellitenschüsseln zu erkennen, die hier auf dem Boden liegen. Auch das ein Zeichen, dass kräftig modernisiert wird. Und eine ganz neue Aufnahme vom Juli bildet nebenan Erdarbeiten ab. Ein Indiz, dass die Modernisierung der Anlage nach wie vor läuft.

Einige hundert Meter südlich gibt es eine Station, um die sich ein Dutzend größerer und kleinerer Satellitenantennen schart – mutmaßlich, um Daten, die US-Satelliten an Bodenstationen in den USA senden, zu überwachen.

Auf den Aufnahmen sind die Schüsseln immer wieder anders ausgerichtet. Das spricht dafür, dass sie keine geostationären Satelliten abhören, sondern solche in einer niedrigen oder mittleren Erdumlaufbahn. Vor allem im mittleren Orbit (5000 bis 20.000 Meter über Grund) sind heute viele Kommunikationssatelliten unterwegs, die sehr große Datenmengen übertragen. Über solche Satelliten verschicken beispielsweise Botschaften und das Militär geheime Daten.


Diese Station wurde ebenfalls in den vergangenen Jahren gut sichtbar ausgebaut und modernisiert. Es wurden dicke Kabelkanäle verlegt, mehrere neue Satellitenschüsseln aufgestellt. An einer Station nebenan wurden dagegen 2021 alte Satellitenantennen abgebaut. Dieses Gebäude ist entweder ausrangiert oder wird bald neue Technik bekommen.

Der Vorsitzende des Komitees zu Fragen der Kommunistischen Partei Chinas im US-Repräsentantenhaus äußerte kürzlich die Vermutung, China könnte unter dem Deckmantel von Unternehmen wie Huawei Experten ins Land einreisen lassen, die die Spionageanlage betreiben. Der chinesische Konzern etwa ist auf Telekommunikation spezialisiert und in Kuba aktiv.


Das „Wall Street Journal“ hatte im Frühsommer berichtet, China und Kuba hätten vereinbart, eine neue Abhörstation auf der Insel einzurichten. Ob die vorhandene in Bejucal dafür ausgebaut werden oder eine neue entstehen soll, ist zwar nicht klar. Aber der Zeitung zufolge zahlt China für das Vorhaben mehrere Milliarden Dollar an Kuba, das knapp an Devisen ist. Später bestätigte die US-Regierung, dass China von Kuba aus die USA ausspioniere. Kuba und China bestreiten, das der Bericht stimmt.

Für die USA ist der Lauschangriff ein zunehmendes Problem. Während das Land bei Quantencomputern gut aufgestellt ist, setzt es in der Verschlüsselung anders als China bisher vor allem auf nicht-quantenbasierte Verschlüsselungsverfahren für die Zukunft. Dazu hatte das National Institute of Standards and Technology 2017 einen Wettbewerb ausgelobt, die besten Wege zu finden, Daten so zu verschlüsseln, dass sie selbst vor Quantencomputern sicher sind. Bei einem der vier Gewinner aber gelang es Wissenschaftlern, den Schlüssel binnen einer Stunde auf einem normalen Laptop zu knacken. Inzwischen haben Forscher auch andere solche mathematisch erzeugten Superschlüssel errechnet.

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Das schürt Zweifel an der Sicherheit bestehender Verschlüsselungsverfahren – auch in den USA. Europa ist inzwischen dabei, die etwa zehn Jahre Rückstand in der sicheren Quantenkommunikation gegenüber China aufzuholen – die EU will bis 2027 ein nicht abhörbares Netz besitzen. Bei den USA dürfte das noch etwas länger dauern.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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