Wirtschaft von oben #243 – Taiwans Militär Hier bereitet sich Taiwan auf die Invasion durch China vor

Quelle: LiveEO/Pléiades Neo

Die demokratische Inselrepublik Taiwan, die vom autokratischen Regime in Peking als Teil der Volksrepublik betrachtet wird, ist eine Festung. Neueste Satellitenbilder zeigen, wie sie sich nun noch widerstandsfähiger gegen einen Überfall vom Festland macht. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Wenn Taiwan am 13. Januar 2024 wählt, entscheiden die Bürger auch darüber, ob sich die Inselrepublik unabhängiger von China machen oder sich doch annähern sollte. Das macht den Urnengang vielleicht sogar zu einer Art Schicksalswahl über Krieg und Frieden. Denn eine Invasion oder Blockade durch den großen Nachbarn wird von Jahr zu Jahr, in dem Peking seine Volksbefreiungsarmee modernisiert und aufrüstet, wahrscheinlicher.

Dass China immer mehr Druck ausübt, mit Kampfflugzeugen bei Militärmanövern, und im Alltag immer häufiger in das Hoheitsgebiet von Taiwan eindringt, verstehen manche Beobachter als Warnsignal. Erst Mitte Dezember mussten taiwanische Kampfjets aufsteigen, um chinesische und russische Flugzeuge aus der Verteidigungszone der Insel zu drängen. China könne, indem es solche Aktionen wiederhole, Taiwan daran gewöhnen. Damit hätten Chinas Truppen es bei einem tatsächlichen Überfall leichter, die Inselarmee zu überrumpeln.

Doch Taiwan sieht dem wachsenden Druck nicht tatenlos zu. Das zeigen nun aktuelle Satellitenbilder von LiveEO. Im Süden des Landes lässt die Regierung einen der größten Marinehäfen auf einen Krieg oder eine Blockade vorbereiten. Weil die Regierung Taiwans 2023 die Wehrpflicht von vier auf zwölf Monate ausgeweitet hat, müssen zudem neue Unterkünfte für Soldaten her. Und auch eine Modernisierung und Ausweitung der Luftabwehrstellungen überall im Lande soll für mehr Sicherheit sorgen.

So will Taiwan bis 2026 allein für seine modernste eigenentwickelte Luftabwehrrakete Tien-Kung-III, was so viel wie Himmelsbogen III heißt, zwölft neue Stellungen einrichten. Dafür sollen zum Teil alte modernisiert, aber auch ganz neue eingerichtet werden. Außerdem hatte Taiwan in den vergangenen Jahren neue Stellungen für amerikanische Patriot-Raketen gebaut, die ebenfalls der Abwehr von feindlichen Flugzeugen, Drohnen und Raketen dienen.

2,6 Prozent des BIP: Verteidigungsetat wächst

Um die Modernisierung zu finanzieren, will die amtierende Regierung den Verteidigungsetat von zuletzt 2 auf 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben. 2023 gab das gerade mal 23 Millionen Einwohner zählende Land so alles in allem mehr als 15 Milliarden Euro für die Abwehr einer Invasion aus. Auch wenn es einem Angriff Chinas alleine nie gewachsen wäre, hat die Insel heute fast 40 asphaltierte und militärisch nutzbare Start- und Landepisten.

Bilder: LiveEO/Pleiades Neo, LiveEO/GoogleEarth/Airbus, LiveEO/GoogleEarth/Maxar

Eines der aktuell wichtigsten Vorhaben ist der Ausbau der Marinebasis von Zuoying. Die bekommt gerade ein zweites Hafenbecken und eine zweite Einfahrt. Das soll taiwanischen Medienberichten zufolge die Basis weniger anfällig für eine Blockade oder einen Angriff machen. In Kriegszeiten kann die Marine immer nur ein Schiff nach dem anderen im Hafen abfertigen, um das Risiko zu minimieren, dass Flotten zerstört oder festgesetzt werden. Zwei Becken und Einfahrten erhöhen daher die Kapazität des Hafens auf zwei Schiffe. Die Arbeiten sollen 2025 abgeschlossen sein.

Neueste Satellitenbilder zeigen nun, wie das zweite Hafenbecken entsteht. Aber auch neben dem ersten Becken tut sich einiges. Hier sind zuletzt mehr als ein Dutzend Gebäude dazugekommen, mutmaßlich Unterkünfte für Soldaten. Diese dürfte die Armee des Landes zurzeit dringend brauchen. Vor dem Schritt hatte Taiwan laut US-Verteidigungsministerium 170.000 Soldaten. Die Zahl dürfte nun deutlich steigen. China kommt auf gut zwei Millionen Soldaten.



Pingtung: neue Kasernengebäude für den Luftwaffenstützpunkt

Mehrere neue Kasernengebäude und eine große Halle sind zuletzt auch am Eingang zum Luftwaffenstützpunkt Pingtung dazugekommen, der 20 Kilometer östlich vom Hafen liegt. Der Militärflugplatz ist riesig, misst von einem Ende zum anderen fast sieben Kilometer. Hier ist ein Teil der 300 Kampfjets des Landes, meist F16 amerikanischer Bauart, stationiert.

Bilder: LiveEO/GoogleEarth/Maxar, LiveEO/GoogleEarth/Airbus

Auch nahe der südlichen Start- und Landebahn in Pingtung sind in den vergangenen Jahren Kasernengebäude entstanden. Und direkt daneben eine Patriot-Luftabwehrstellung. Die mit Luftabwehrraketen bestückten Fahrzeuge sollen vor allem den Flugplatz und dessen Umgebung vor chinesischen Raketenangriffen schützen.

Die Stellungen sind mobil, können im Kriegsfall auf dem Gelände hin und her verlegt werden.

Bilder: LiveEO/GoogleEarth/Airbus, LiveEO/GoogleEarth/Maxar

China hat in den vergangenen Jahren viel Geld in die Entwicklung von ballistischen und nicht-ballistischen Raketen wie die DF-17 investiert. Solche Flugkörper erreichen die bis zu zehnfache Geschwindigkeit einer Gewehrkugel: 33.000 Kilometer pro Stunde.

Um sie abzufangen, braucht es extrem leistungsfähige Langstreckenradare, die einen solchen Angriff frühzeitig erkennen. Denn je später so extrem schnelle Raketen erkannt werden, um so kleiner der Umkreis, den eine Flugabwehrstellung verteidigen kann.

Bilder: Google Earth/Maxar

Neben Patriot- setzt die taiwanische Armee auch die eigenentwickelten Tien-Kung-Flugabwehrstellungen ein. Weil die bisherigen Systeme TK-II und TK-III nicht mehr ausreichen, um die modernen chinesischen Raketen halbwegs sicher abzufangen, wird gerade eine neue Version der TK-III mit dem Codenamen Strong Bow eingeführt.

Während Patriot- und frühere TK-Flugabwehrraketen Flugkörper bis zu einer Höhe von 40 Kilometern bekämpfen konnten, sollen die neuen bis zu 100 Kilometer Höhe schaffen.

Luftwaffenstützpunkt Taitung, Taitung, Taiwan (Republik China)

11.07.2022: Dies ist einer der ersten Standorte gewesen, der mit neuen TK-III-Raketen bestückt wurde. Vier Abschussvorrichtungen sind in der Bildmitte zu erkennen.

Bilder: LiveEO/Google Earth/Airbus

Erst im Oktober hatte die taiwanische Regierung angekündigt, zwölf neue Standorte für TK-III-Stellungen im Land einzurichten. Eine, wo schon heute TK-III stationiert sind, soll Beobachtern zufolge der Militärflugplatz in der Stadt Taitung sein. Ein Satellitenbild vom vergangenen Jahr zeigt deutlich Abschussrohre von mobilen Luftabwehrstellungen.

Die Bevölkerung von Taiwan hat inzwischen gelernt, mit einem drohenden chinesischen Überfall zu leben. So gibt es rund um die Hauptstadt Taipeh gleich mehrere offenbar mit Patriot-Raketen bestückte Luftabwehrstellungen, die an Wohn- oder Industriegebiete grenzen. An diesen Orten sollen sie vor allem in Friedenszeiten stehen. Im Falle eines Angriffs, würden sie an taktische Standorte verstreut, heißt es in taiwanischen Medien.

Luftabwehrstellungen in und um Taipeh, Taiwan (Republik China)

1: Acht mobile Abschussrampen, offenbar für Patriot-Raketen, am westlichen Stadtrand.
2: Abschussrampen in der Ortschaft Wan-Li, die westlich der Hauptstadt liegt.
3: Eine Stellung im Süden von Taipeh schützt weitere Teile der Metropole.

Bilder: LiveEO/Google Earth/Airbus

Die US-Hersteller Lockheed Martin und Raytheon hatten erst 2022 mit Taiwan einen Vertrag über fast 100 Millionen US-Dollar abgeschlossen, diese Patriot-Stellungen des Landes zu modernisieren und zu warten, um besser auf einen Angriff aus China vorbereitet zu sein. Mitarbeiter der Konzerne sollen dafür langfristig in Taiwan stationiert werden.

Xi Jinping will bis 2027 bereit sein, Taiwan einzunehmen

Chinas Präsident Xi Jinping hatte die Volksbefreiungsarmee Beobachtern zufolge vor Jahren angewiesen, bis spätestens 2027 bereit zu sein, Taiwan einzunehmen. Manche Militärs in den USA halten einen solchen Schritt sogar schon jetzt für möglich. Das schürt die Sorge, dass im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump Ende 2024 und einem dadurch entstehenden innenpolitischen Chaos in den USA sich eine Chance für China auftun könnte. Xi hatte schließlich versprochen, die Taiwan-Frage in seiner Zeit als Präsident zu klären. 

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Meis Nouwens, Expertin für Fragen beim International Institute for Strategic Studies in London, die das chinesische Militär betreffen, glaubt allerdings nicht an ein Handeln vor 2027. Die Volksbefreiungsarme wird schließlich gerade politisch gesäubert, mehrere Generäle und der Verteidigungsminister wurden geschasst. Zudem sei die Truppe noch nicht ausreichend gut organisiert.

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Taiwan versucht derweil mithilfe der USA, mit der Aufrüstung Chinas Schritt zu halten, um eine mögliche Invasion schwierig zu machen und Peking abzuschrecken.

Zudem gilt Taiwan als eher schwieriges Areal. Zwar liegt die Hauptinsel nur 160 Kilometer von der chinesischen Küste entfernt. Doch besteht der größte Teil aus dicht bewaldetem Bergland. Eine Invasion ist nur von den Stränden im Westen aus denkbar, weil die östliche Küste meist felsig ist. Das hilft auch bei der Verteidigung. Der Luftwaffenstützpunkt Hualien etwa grenzt an einen Berg, in dessen Tunnelsystem sich Hunderte Kampfjets und Drohnen sicher vor feindlichen Bomben aufbewahren lassen. Satellitenbilder zeigen mindestens sieben Eingänge in diesen Berg.

Luftwaffenstützpunkt Hualien, Hualien, Taiwan (Republik China)

29.12.2021: Statt in Hangars stehen die Kampfjets der taiwanischen Armee hier in einem riesigen Tunnelsystem im Berg.

Bilder: LiveEO/Google Earth/Airbus

Dass chinesische Truppen direkt Taipeh einnehmen, dürfte ausgeschlossen sein, schrieb 2018 Ian Easton vom Project 2049 Institute, der auch ein Buch über die Bedrohung veröffentlicht hat. Denn der taiwanische Geheimdienst hatte vor einigen Jahren Pläne der Chinesen für eine solche Überrumplungsaktion in die Hände bekommen. Daraufhin hat das Land seine Verteidigung im Norden verstärkt, unter anderem mithilfe der Luftabwehrsysteme rund um Taipeh.

Eine Invasion der Insel über den Süden gilt deshalb als wahrscheinlichstes Szenario. Um das zu minimieren, rüstet das Land hier nicht nur an den Häfen und Luftwaffenstützpunkten auf. Es hat zudem auf dem vorgelagerten Archipel Penghu mindestens ein passives mobiles Langstreckenradar stationiert, das chinesische Aktivitäten überwacht.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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