Autohändler „Die Leute kommen immer seltener“

Über dem deutschen Autohandel braut sich gerade einiges zusammen. Quelle: imago images

Kunden, die sich vor dem Besuch im Autohaus im Internet schlau machen, Autohersteller, die Druck ausüben, und Fahrzeuge, die in Zukunft autonom und elektrisch fahren sollen – über dem deutschen Autohandel braut sich gerade einiges zusammen. Burkhard Weller, Chef einer der größten deutschen Autohandelsgruppen, über die künftige Rolle der Fahrzeugverkäufer.

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Herr Weller, Sie handeln seit fast 40 Jahren mit Autos. In der Zeit hat sich vor allem durch die Digitalisierung die Art und Weise, wie Waren verkauft werden, komplett verändert. Wie macht sich das bei Ihren Kunden bemerkbar, erkennen Sie die heute noch wieder?
Ja, das schon. Denn genau wie früher möchte der Kunde möglichst in seiner näheren Umgebung kaufen. Die meisten kommen deshalb aus einem Radius von 50 Kilometern. Die wenigsten Kunden sind doch bereit, für ein Auto quer durchs Land zu fahren – falls sie nicht gerade ein totales Schnäppchen entdeckt haben oder etwas ganz Spezielles suchen, so was wie einen silbernen VW-Bully mit roten Ledersitzen. Fakt ist aber: Die Leute kommen immer seltener.

Wie selten?
Der Kunde kommt heute meist nur noch ein einziges Mal ins Autohaus. Noch bis vor 20 Jahren kam er vier Mal. Er hatte ja kein Internet und konnte sich vorab längst nicht so gut informieren. Stattdessen brauchte er uns, er musste zu uns kommen, wenn er etwa einen Prospekt haben wollte. Wenn wir ihn also bei den ersten beiden Besuchen nicht ködern konnten, hatten wir früher immer noch zwei weitere Chancen. Jetzt kommt er nur noch ein Mal – und dann muss der Schuss sitzen.

Die Kunden sind also bestens präpariert, wenn sie sich bei Ihnen zum ersten Mal ins Auto setzen?
Ja, die Menschen sind so gut vorbereitet und vorinformiert wie noch nie. Die kommen rein und wissen ganz genau, was sie wollen. Sie stellen ganz gezielte Fragen, und wer die nicht beantworten kann, hat schlechte Karten. Für die gesamte Branche war das ein echter Lernprozess, und der tut denen weh, die sich nicht auf die neuen Anforderungen vorbereitet haben. Und es gibt viele Händler, die lange Zeit gesagt haben: ach, das wird schon wieder. Denen muss man ganz klar sagen: nein, das wird nicht mehr so wie früher. Im Gegenteil – die Leute werden eher noch seltener ins Autohaus kommen.

Warum?
Ab nächstes Jahr kommt beispielsweise das „update over the air“. Das heißt: Bislang müssen Besitzer für ein Update an Ihrem Auto noch in die Werkstatt kommen. Das wird es in den nächsten Jahren nicht mehr geben. Dann bekommt der Kunde vom Hersteller über den Bildschirm in seinem Auto ein Update angeboten: „Wann stellen Sie Ihr Auto für drei Stunden ab, dann schalten wir uns da drauf“. Die Rechnung dafür bekommt der Kunde vom Hersteller, nicht mehr von uns Händlern. Das werden wir nicht verändern können – keiner zieht den Stecker aus dem Internet.

Kommen die Hersteller bald ohne Sie und Ihre Kollegen aus?
Die Hersteller wissen sehr genau, was sie an uns haben. Mehr als 70 Prozent aller Neuwagen werden noch immer über den Handel verkauft. Deshalb müsste auch für die Zukunft klar sein: Wir haben Daten, und der Hersteller hat Daten – die gehören alle in einen gemeinsamen Topf, den beide Seiten nutzen müssen, um den Vertrieb anzukurbeln. Und dann müssen wir hinterher sehen, wie der Ertrag daraus aufgeteilt wird. Ich bin da nicht so aufgeregt wie viele meiner Kollegen, denn der Hersteller kann auch nicht ohne den Handel.

Zur Person

Dennoch schneiden einige Hersteller gerade tief in ihr Vertriebsnetz und kündigen Händlern?
Die Hersteller versuchen natürlich, auch im Autohaus das Sagen zu bekommen und durchzuregieren. Das versuchen die an allen Stellen. Und dagegen kann sich ein einzelner kleiner Händler schwerer wehren als ein größerer mit mehreren Filialen. Dem kleinen fehlt schlicht die Marktmacht. Mit 300 verkauften Autos hat man kaum ein Druckmittel.

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