Leverkusen-Hitdorf ist nicht gerade das Zentrum der deutschen Autoindustrie. Über das Gelände von Mazda Deutschland hoppeln Kaninchen entspannt über die Rasenflächen und Parkplätze der Firmenzentrale. Doch die entspannte Idylle trügt: Die Japaner sind im deutschen Markt für Firmenwagen mit rasantem Tempo unterwegs. Von Anfang Januar bis Ende April setzte Mazda hierzulande 40 Prozent mehr Firmenwagen ab als im selben Zeitraum des Vorjahrs, insgesamt 3200 Stück. Vor allem das zum Jahresanfang 2016 neu eingeführte Full-Service-Leasingangebot, das für Flotten, aber auch schon für einzelne Autos gebucht werden kann, kommt gut an.
Serviceelemente von der Reifenlagerung bis zur Tankkarte bieten Mehrwert. Ergebnis: Mazda klettert von Rang 17 auf Rang 14 der beliebtesten Marken in deutschen Fuhrparks. Und ist damit nicht die einzige asiatische Marke, die kräftig zugelegt hat.
Auch der japanische Konkurrent Nissan und die koreanischen Schwestermarken Hyundai und Kia sind in den ersten vier Monaten des Jahres deutlich schneller gewachsen als der Markt. Der Markt hat um acht Prozent zugelegt, die Asiaten haben im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weit über 20 Prozent gewonnen.
Der Flottenmarkt ist umkämpft wie noch nie. Für alle Marken ist der Wettbewerb um die Dienstwagen wichtiger denn je. Denn anders als im Privatkundengeschäft locken hier noch hohe Wachstumsraten. Die Herausforderer setzen gezielt mehr Geld und Mitarbeiter ein, um Jahr für Jahr ein halbes Prozentpünktchen mehr Anteil zu ergattern.
Flottenmarkt wächst – im Gegensatz zum Privatkundengeschäft
Die asiatischen Marken buhlen mit Garantiezeiten von fünf oder sogar sieben Jahren vor allem um die kleinen und mittleren Fuhrparks mit 5 bis 100 Fahrzeugen. Dort sind sie heute schon stark vertreten. Vereinzelt schaffen sie auch den Sprung in große Flotten, die bisher noch von Ford und Volkswagen dominiert werden. Auch das Premiumsegment ist in Bewegung. Hier reift Volvo zum ernst zu nehmenden Konkurrenten von Audi, BMW und Mercedes heran. Die britischen Marken Jaguar und Land Rover macht sich ebenfalls bereit zum großen Sprung.
2015 gab es im Flottenmarkt ein Plus von fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit 786.723 wurden so viele Pkws zugelassen wie noch nie in diesem Jahrtausend. Im Privatkundenmarkt halten sich dagegen seit gut vier Jahren Plus und Minus der einzelnen Marken die Waage. Die Verkäufe stagnieren auf einem Niveau von rund 1,2 Millionen Neufahrzeugen in Deutschland.
Mit seinem Zuwachs bleibt das Flotten- und Gewerbekundengeschäft das Zugpferd des Neuwagenabsatzes in Deutschland. Auch eine Konjunkturfrage: Geht es den Unternehmen gut, steigt auch die Zahl der Autos im Fuhrpark. Das können gewerblich genutzte Fahrzeuge wie Vans und Kastenwagen oder klassische Dienstwagen wie Mittel- und Oberklasselimousinen und Geländewagen sein. In keinem anderen europäischen Land wird der Dienstwagen so stark geschätzt wie in Deutschland. Personaler setzen ihn gezielt als Motivationsinstrument ein.
Flottenmarkt im Zentrum der Europastrategie
Nissan hat den Flottenmarkt daher bewusst ins Zentrum der Europastrategie gerückt und ein ganzes Bündel an Maßnahmen ergriffen, um die Verkaufszahlen zu steigern. „Wir haben zusätzliche Leute eingestellt, Flottenkompetenzzentren in größeren Städten, wie Essen oder Magdeburg, aufgebaut, das Serviceangebot für den gewerblichen Bereich erweitert und unsere Händler systematisch bei Ausschreibungen für Fuhrparks unterstützt“, sagt Stefan Hoy, der den Bereich Flottenmärkte und leichte Nutzfahrzeuge bei Nissan Deutschland verantwortet. So hat sich Nissan in diesem Jahr erstmals einen Platz unter den Top-Ten-Marken erobert.
Die Japaner punkten in den kleinen und mittleren Fuhrparks von bis zu 50 Fahrzeugen bei Handwerkern und medizinischen Pflegediensten. „Da kommt die neue Fünfjahresgarantie gut an“, sagt Hoy.
Fahrzeugklassen im Flottenmarkt 2015
Mini
Werte gerundet, Quelle: Dataforce
Nutzfahrzeuge
Obere Mittelklasse
Kleinwagen
Sonstige
Geländewagen
Kompaktklasse
Mittelklasse
Aber die ist nicht der einzige Treiber. Der Mutterkonzern hat einige globale Verträge mit Großunternehmen wie dem Lebensmittelkonzern Danone und BASF abgeschlossen. Der Chemie- und Farbenhersteller hat gerade 140 Elektroautos für seinen Fuhrpark geordert. „Wir spüren eine deutliche Belebung bei der Nachfrage nach E-Autos“, sagt Hoy. Die Nachfrage nach alternativen Antrieben wächst, ist aber noch verhalten, wie das branchenweit bekannte CVO Fuhrparkbarometer zeigt, dessen Ergebnisse der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegen.
Pick-ups sind Exoten – noch
In den nächsten fünf Jahren will Hoy den Marktanteil im Flottenmarkt auf zwei Prozent und im Nutzfahrzeugsegment auf 2,5 Prozent steigern – eine Verdoppelung gegenüber 2015. Sechs zusätzliche Flottenkompetenzzentren sowie bis zu 20 neue Verkäufer sollen die Vision Wirklichkeit werden lassen. Vor allem vom Kleintransporter NV 300, dem Nachfolgemodell des Primastar, erwartet er sich viel. „Wenn es läuft wie bei unserem Pick-up Navara, bin ich mehr als glücklich“, sagt Hoy. Auf den warten Kunden, die die Topausstattung geordert haben, derzeit bis zu acht Wochen.
Pick-ups sind abseits der Handwerkerbranche in Fuhrparks freilich noch Exoten. Doch dem Trend hin zu größeren Fahrzeugen mit hoher Sitzposition konnten sich die Fuhrparkmanager nicht entziehen. Sportliche Geländewagen – kurz SUV – sind in den Unternehmensfuhrparks angekommen. Ein Viertel mehr SUV als im Vorjahreszeitraum fanden sich bis Ende April auf deutschen Firmenparkplätzen. Sie sind bereits das drittbeliebteste Fahrzeugsegment mit 17 Prozent Marktanteil.
Mazda profitiert von diesem Trend mit den Modellen CX-3 und CX-5. Sie lassen den Traum vom sportlichen Geländedienstwagen für all jene wahr werden, deren Dienstwagenkategorie Premiummodelle wie BMW X3 oder Audi Q5 ausschließt. „Bei uns gibt es viel fürs Geld“, wirbt Mazda-Deutschland-Vertriebschef René Bock, „die Kombination aus Design und Listenpreis stimmt. Das macht es für Dienstwagenfahrer, die die Ein-Prozent-Regeln bei der Versteuerung anwenden, besonders attraktiv.“ Dienstwagenfahrer, die ihr Auto auch privat nutzen, müssen ein Prozent des Bruttolistenpreises als geldwerten Vorteil versteuern.
Volkswagen belächelt die asiatische Konkurrenz noch. Mit fast 27 Prozent Marktanteil kommt am Platzhirsch auch auf lange Sicht niemand vorbei. Daran kann auch die Dieselaffäre nichts ändern – auch wenn sie sich in den Daten bemerkbar macht. Volkswagen verliert fast drei Prozentpunkte Marktanteil gegenüber dem Vorjahreswert.
Beobachten der Wettbewerber auch bei den Premiumherstellern
„Das ist nur zum Teil eine Folge der Dieselaffäre“, sagt Benjamin Kibies, vom Marktforschungsunternehmen Dataforce. „Negativ wirken sich auch der angelaufene Modellwechsel bei Tiguan und die abnehmende Nachfrage nach dem Passat aus. Die ist im Rahmen des Lebenszyklus völlig normal.“ Von der Schwäche des deutschen Konkurrenten profitiert US-Hersteller Ford. Er legt bei den Verkäufen in diesem Jahr bisher um fast 30 Prozent zu und verbessert sich um 1,4 Prozentpunkte Marktanteil auf nun 8,6.
Carsharing in Unternehmen
Für die europaweit größte Untersuchung befragte CSA fast 3000 Fuhrparkmanager im In- und Ausland. Sie repräsentieren Firmen mit mindestens zehn Mitarbeitern und zehn Fahrzeugen aus Bau, Industrie, Dienstleistung und Handel.
Quelle: Arval CVO Fuhrparkbarometer 2016
glauben 13 Prozent, Carsharing in Unternehmen werde zunehmen (volle Zustimmung).
denken, dass Carsharing in Unternehmen "eher" zunehmen wird.
antworteten zwei Prozent der Befragten.
glauben 27 Prozent der befragten Fuhrparkmanager.
...nicht zunehmen (volle Ablehnung), denkt über die Hälfte (51 Prozent) der befragten Fuhrparkmanager.
Scharfes Beobachten der Wettbewerber ist auch bei den Premiumherstellern angesagt. Volvo und Jaguar Land Rover haben den Platzhirschen in den vergangenen Monaten immer öfter Kunden abgejagt. In den ersten vier Monaten des Jahres legte Volvo gut 22 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu und setzt damit seinen Wachstumskurs aus 2015 fort. Der neue Geländewagen XC90 verkauft sich wie schwedische Zimtschnecken. „Die Limousine S90 und der Kombi V90 stehen in den Startlöchern. Das wird der Marke weiter Auftrieb geben“, sagt Flottenmarktexperte Benjamin Kibies. Er traut den Schweden zu, ihren Marktanteil von aktuell rund 1,5 in den nächsten fünf Jahren auf über 2,0 Prozent zu steigern.
Jaguar Land Rover wächst am stärksten
Volvo bereitet seinen Vertrieb auf das Wachstum vor und hat den Außendienst aufgestockt. Fünf neue Mitarbeiter sollen das Rundum-sorglos-Paket Schwedenleasing in kleinen und mittleren Fuhrparks an den Mann bringen. Belohnt wird Volvo auch für sein neues Mietwagenkonzept Schwedenflotte, das es seinen Händlern gemeinsam mit dem CCUnirent, einem der großen Systemgeber in der Autovermietungsbranche, zur Verfügung stellt. Händler können Fahrzeuge zur Kurz- bis Langzeitmiete oder auch zum Carsharing anbieten. Schon 136 der rund 260 Volvo-Händler machen mit.
Die höchste Wachstumsrate bei den Premiummarken erreicht in diesem Jahr die Jaguar-Land-Rover-Gruppe mit fast 32 Prozent Zuwachs. Für Peter Modelhart, Chef von Jaguar Land Rover Deutschland, ist der Flottenmarkt extrem wichtig. „Wir bauen den Vertrieb und das Angebot für Firmen- und Gewerbekunden aus“, sagt Modelhart.
Die Zahl der auf Gewerbekunden spezialisierten Fleetcenter in Deutschland soll von heute 16 mittelfristig auf 25 Standorte wachsen. Modelhart hat Mittelständler mit bis zu 100 Firmenfahrzeugen im Visier. „Aufsteiger, die von Volumenmarken kommen und mit einem Jaguar oder Land Rover in das Premiumsegment einsteigen“, sagt Modelhart.
Von den zehn bis zwölf Prozent Marktanteil, die BMW, Mercedes und Audi jeweils halten, kann Jaguar aber nur träumen. Für die Briten wäre das Knacken der Ein-Prozent-Marke schon ein toller Erfolg. „Die deutschen Premiumhersteller drängen mit im Vergleich zum Listenpreis so unschlagbar günstigen Angeboten in den Flottenmarkt, da kann Jaguar Land Rover nicht mithalten“, heißt es aus dem Umfeld des Importeurs. Doch wie lehrt ein britisches Sprichwort: „Wenn du zwei Kaninchen hinterherläufst, wirst du am Ende keines fangen.“ Also: eins nach dem anderen. Der Anfang ist gemacht.